Herz und Seele

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Keiner der versammelten Daija im Tanzsaal versteckte seine Missgunst über meinen Erfolg. Niemals hätte es jemand für möglich gehalten, dass gerade der Dämon und Verräter den Wettstreit für sich entscheiden könnte.

Doch hier stand ich.

Unerschrocken bahnte ich mir einen Weg durch die Menge, steuerte auf die Nachtfürstin zu und präsentierte ihr die Kette mit dem Anhänger, in dem ein schwarzes Licht eingeschlossen war. »Hier ist Euer ›einzigartiger‹ Gegenstand«, säuselte ich spöttisch.

Nichts würde mir in diesem Moment mehr Genugtuung verschaffen, als Treya diese verdammte Trophäe vor die Füße zu werfen. Doch ich konnte nicht. Nicht, wenn ich Ashra so nah war.

Die Nachtfürstin zögerte. Dann richtete sie sich räuspernd auf und entriss mir das Amulett. »Wir haben einen Sieger!«, verkündete sie. Das unterschwellige Gemurmel im Saal nahm zu. »Gut gemacht, mein Junge. Himarion wäre sicher stolz auf dich«, fuhr sie flüsternd fort, drängte sich an mir vorbei und mischte sich unter die Fürstenfamilien.

Ihre Worte entfachten die Glut des Hasses. Sie wagte es, den Namen meines Vaters in den Mund zu nehmen?! Ich wirbelte herum.

Allein Lelei war es zu verdanken, dass ich Treya nicht sofort eines der Messer von den mit Speisen gedeckten Tischen in den Rücken rammte. Durch ihre nebelhafte Gestalt hindurch verfolgte ich, wie die Nachtfürstin den Beginn des Festes ausrief. »Was ist geschehen, Namir? Nachdem du die Orchidee berührt hattest, fand ich mich hier im Palast wieder. Die übrigen Kandidaten waren alle längst vor dir zurückgekehrt, nur du bliebst für Stunden verschollen.« Leleis Blick suchte meinen.

Ich wandte mich von den Feierlichkeiten ab und berichtete ihr von dem verzweigten Höhlenlabyrinth, durch das ich geirrt war, bis ich schließlich das Amulett gefunden und dadurch in den Palast zurückgefunden hatte. Die Erinnerungen daran erschienen so klar wie der wolkenlose Himmel an einem Sommertag. Und dennoch ... hatte ich das Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben.

...

Zwei endlose Tage dauerte dieses lächerliche Fest nun schon an. Tage, in denen ich unentwegt darauf gehofft hatte, Ashra wiederzusehen. Die meiste Zeit saß ich dabei exponiert unter einem Baldachin inmitten der Gärten des Palastes, den Blicken aller ausgeliefert. Einzig und allein Xorian leistete mir Gesellschaft.

»Dein Sieg ist in aller Munde.« Mit einem Grinsen ließ der Bündner einen Kelch in seiner Hand kreisen. »Die Fürstenhäuser sind der Ansicht, dass du nur gewinnen konntest, da du in der Gunst unserer Herrin stehst.« Er nippte an seinem Getränk. »Die Eifersucht steht ihnen derart ins Gesicht geschrieben, dass es schon wieder amüsant ist.«

»Du glaubst dieses Gerede von Ruhm und Ehre?« Ich war lediglich aus einem ausgedachten Spiel als Sieger hervorgegangen. Nichts weiter. Natürlich fragte ich mich, warum Treya so vehement darauf bestanden hatte, dass ich an dem Wettstreit teilnehmen und diese nichtige Trophäe erringen sollte. Doch je länger ich auf diesem Podium saß, desto klarer wurden mir ihre Beweggründe.

Sie ergötzte sich an dem inneren Konflikt, den ich mit mir ausfechten musste. Es war ein netter Zeitvertreib für sie, eine Abwechslung gegen die Langweile in einem nie endenden Lebenszyklus.

»Ich weiß nur, dass sie alles dafür gäben, um an deiner Stelle zu sein.«

»Mich schert dieser Ruhm einen Dreck, Xorian.«

»Das sieht man dir an.« Sein Lächeln verschwand. »Was dann, Namir? Was suchst du?« Xorians plötzlicher Stimmungswechsel jagte mir einen Schauder über den Rücken.

»Was lässt dich glauben, dass ich etwas suche?«, erwiderte ich ungerührt.

»Jemanden.«

»Was?«

Tannengold - Die Erben des JenseitsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt