Blumen hinter Glas

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Drei Wochen waren nun schon vergangen, seit ich in Xorians Vorhaben eingewilligt hatte. Erreicht hatten wir bisher nichts. Aber was erwartete ich eigentlich, schließlich suchte der Wächter schon seit Jahrzehnten vergeblich nach Ayert. Durch seine Stellung und das Vertrauen der Nachtfürstin standen ihm jedoch alle Wege offen, er konnte im Palast kommen und gehen, wie er wollte – im Gegensatz zu mir.

»Seid willkommen«, begrüßte uns Isra. »Es ist eine Ehre, Euch an diesem Tag bei uns zu wissen.« Die Fürstin der Tränen und ihr Gatte standen am Fuß der aus schimmernden Blütenblättern bestehenden Treppe, die hinauf zum Palais in den Kronen der Weide führte.

»Die Ehre ist ganz meinerseits«, erwiderte Treya charmant. »Ich bin in der Begleitung meines Bündners, es stört euch hoffentlich nicht.«

Beinahe hätte ich laut aufgelacht.

Natürlich störte es sie! Isra beschuldigte mich des Mordes an ihrer Schwester und ich konnte es ihr nicht einmal verdenken. Sie hatte ja recht, ich trug Mitschuld an ihrem Tod.

»Nicht doch«, ergriff Usnam das Wort. »Wir sind zwar eine kleine Gemeinschaft, doch jeder, der Zeuge dieses besonderen Tages wird, ehrt mich und meine Frau.«

»Fürwahr, nicht jeden Tag erblickt ein neues Licht diese Welt. Das Leben selbst erschafft heute ein Wunder, was könnte wohl kostbarer sein?«

Die Frage richtete sich wohl an mich, eine Provokation seitens der Nachtfürstin. Doch ich hielt meine Fassade aufrecht, auch wenn alles in mir schrie, es nicht zu tun. Es war kein Zufall, dass Treya gerade mich als Begleitung ausgewählt hatte. Sie kannte meine Vergangenheit zu diesem Ort, kannte meine Liebe zu Kiana und den Hass, der in Isras Herzen brannte. Sie kannte den Schmerz, den meine Anwesenheit hier auslöste, und genoss ihn.

In diesem Augenblick wünschte ich mir Lelei zurück an meine Seite, ihre ruhige Stimme, die mich stets zu Vernunft gemahnt und vor einer Dummheit bewahrt hatte. Doch sie war nicht hier, sondern dort, wo sie hingehörte: bei Ashra. Und ich war unendlich dankbar dafür.

Nichtssagend zogen die Farben des Reiches an mir vorbei, derweil uns Usnam hinauf in die von Ästen und Zweigen getragenen Hallen des Palais führte. Von dort aus betraten wir mehrere Korridore später das pulsierende Herz des Baumes. Eine feine Moosschicht überzog den Boden des Zeremoniensaals, in dem sich bereits ein halbes Dutzend Daija um ein über der Erde loderndes weißes Feuer versammelt hatten.

Ich schenkte den Begrüßungsfloskeln der Anwesenden kein Gehör, sondern zog mich ans andere Endes des Raumes zurück. Von dort aus verfolgte ich das weitere Geschehen.

Nur selten kam es vor, dass die Fürstenpaare Zuschauer bei der Geburt ihrer Kinder wünschten, und falls doch, so konnte ich die Beweggründe dahinter nicht verstehen. Dieser Augenblick sollte allein der Fürstin und ihrem Gemahl gehören. Es fühlte sich falsch an, diesem nun beizuwohnen.

Während Usnam seine Gemahlin zum Feuer führte, kamen mir Thilas Worte und das, was Vater von ihr erzwungen haben sollte – ihren Sitara für Octavias, Maianas und mein Leben – in den Sinn. Doch ich war nicht gewillt, diesen Gedanken Raum zu geben. Es musste schlichtweg eine Lüge gewesen sein. Mehr nicht ...

Der Sohn der Verdammnis ging vor Isra auf die Knie, umfasste mit gesenktem Kopf ihre Hand und erklärte mit lauter Stimme: »Ich erbitte von dir das Geschenk des Lebens.«

Ungerührt beugte sich diese vor. »Mögest du durch mich neues Leben erschaffen.« Ihre Lippen legten sich auf Usnams Haupt. Dann trat sie zurück und eine Lichtkugel erschien in ihrer ausgestreckten Handfläche.

Usnam richtete sich auf. »Ich bin das Werkzeug derer, die das Leben in ihren Händen hält.«

»Bring mein Licht in diese Welt«, gab Isra ihm zur Antwort.

Tannengold - Die Erben des JenseitsWhere stories live. Discover now