Schattenlicht

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Zuerst nahm ich lautes Stimmengewirr wahr, dann den kalten Marmor, der sich gegen meine Wange presste. Benommen richtete ich mich ein Stück auf. Den gaffenden Daija nach zu urteilen, die mich umringten und finster musterten, war ich zurück im Tanzsaal.

Schmerz zuckte durch meine Handfläche. Ein Blick darauf verriet mir, dass die Wunde, die mir der Dolch zugefügt hatte, noch immer blutete. In der anderen Hand hielt ich die Orchidee.

Hieß das etwa ...

Xorian ging vor mir in die Hocke. »Alles in Ordnung?«

»Habe ich ... habe ich es geschafft?« Übelkeit schlug mir heftig auf den Magen.

Der Bündner nickte schmunzelnd. »Ja, das hast du.«

...

Nachdem mich Treya offiziell zum Sieger des Cibums ernannt hatte, stand ich wenige Stunden später in den Hallen des Linariums. Die Nachtfürstin saß unweit auf einem der moosüberwachsenen Steine und machte keinen Hehl daraus, welches Vergnügen ihr meine Fügsamkeit bereitete. Nur mühsam gelang es mir, ruhig zu bleiben. So kurz vor meinem Ziel durfte ich nicht –

»Namir!« Die Flügeltore öffneten sich. Doch es war nicht Ashra, die durch die Pforten trat, sondern Akton. »Es ist schon eine Weile her, Bruderherz.« Zur Begrüßung neigte er den Kopf in Richtung der Fürstin. »Erzähl, wie geht es meinen Geschwistern?«

Was ...

Hass wallte in mir auf. »Du ...« Mit geballten Fäusten hielt ich auf Akton zu und wollte gegen ihn ausholen, doch die Klinge, die sich plötzlich an meine Kehle legte, ließ mich innehalten.

»Tu jetzt nichts Unüberlegtes!« Mir erschauderte.

Dabei war es nicht der Stahl, der diese Reaktion in mir auslöste, sondern die Person, die ihn führte. »Du wirst ihm nichts tun«, sagte Ashra.

Ich erstarrte.

Die Nachtfürstin lachte leise. »Wie lange ich doch auf diesen Moment gewartet habe.«

Tatenlos musste ich mitansehen, wie Akton Ashra in seine Arme zog und zärtlich auf den Scheitel küsste. »Willst du, oder soll ich?«, flüsterte er ihr zu.

Das Lächeln, welches sie Akton daraufhin schenkte, schmerzte. Noch mehr der Kuss, mit dem sie seine Lippen versiegelte. In ihrem Blick stand nichts als Liebe für den Mann an ihrer Seite.

»Ashra ...« Unsicher streckte ich eine Hand nach ihr aus.

»Wag es nicht, mich zu berühren, Dämon!«, zischte sie hasserfüllt und wich meiner unbeholfenen Geste aus.

Von ihren Worten getroffen, stolperte ich rückwärts. Kälte bahnte sich einen Weg in mein Herz. »Ich verstehe nicht ...« Tränen schnürten mir die Kehle zu; ich drohte fast daran zu ersticken.

Ashra schnaubte. »Lass es mich dir erklären: Du bedeutest mir nichts, Namir. Es war alles nur ein Spiel, ein überaus amüsantes, wie ich zugeben muss.«

»Nein ...«

»Sag, habe ich meine Rolle gut gespielt? Das gebrochene, verletzte Mädchen, das sich nach nichts anderem sehnte, als von dir geliebt zu werden. Du hast mir all das abgekauft, oder?«

»Du lügst«, brachte ich hervor. »Du lügst ...«

Hände packten mich an den Oberarmen, dann beförderte mich ein Tritt in die Kniekehlen zu Boden. Jemand riss meinen Kopf zurück. »Es ist wahr. Du bist der Preis für unsere Freiheit, Bruder«, erklärte Martizian und nickte Ashra zu.

Ehe ich das Ausmaß dessen, was gerade geschah, begreifen konnte, beugte sich Ashra zu mir hinunter. »Du bist schwach, Namir. Deine Schwäche sind diejenigen, die du liebst. Welch Ironie, dass sie jetzt dein Untergang sein werden.«

Tannengold - Die Erben des JenseitsWhere stories live. Discover now