Zwischen den Welten

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Nach gut drei Wochen waren meine Wunden vollständig verheilt. Zum einen Dank der Behandlung durch das von Octavia angefertigte übelriechende, bläuliche Kräutergemisch und zum anderen Dank Cinora, die an meiner Seite geblieben war, bis ich wieder aufrecht stehen konnte. In all der Zeit hatte ich nicht gewagt, erneut nach ihrer Vergangenheit zu fragen, nach dem Grund, weshalb sie hier war.

»Das sieht doch gar nicht so schlecht aus.« Ein himmelblaues Wollknäuel landete in meinem Schoß. Ich legte die Stricknadeln beiseite und musterte das deformierte Etwas in meinen Händen - von einem Schal war der Stofffetzen weit entfernt.

»Ich kann so was einfach nicht«, seufzte ich.

Cinora, die mir gegenüber auf dem Boden saß, schüttelte den Kopf. »Unsinn. Das ist alles nur Übung.« Konzentriert biss sie sich auf die Unterlippe und beendet die Strickerei in ihren Händen. Es handelte sich um ein kleines Schlafkissen für Lelei.

»Bist du dir da sicher?«

Sie nickte. »Hundertprozentig sicher. Oder, Lelei?«

Das Chamäleonweibchen blinzelte zur Bestätigung träge.

Ich musste lachen. In den letzten Tagen hatte sich so viel verändert. Die Verbindung zwischen uns - dieses ... Band - es hatte sich gefestigt. Wir sprachen viel miteinander und ja, wir lachten auch viel. Diese Leichtigkeit, die ich in Cinoras Nähe empfand, machte mich geradezu trunken. Und mit jeder Stunde, die verging, lernte ich sie und ihre Art, die Welt zu sehen, besser kennen.

»Was gibt's da zu lachen?« Grinsend richtete sie Lelei das kleine Bettchen her, bevor es sich das Chamäleon darin bequem machte.

»Du überschätzt mein handwerkliches Geschick«, erwiderte ich amüsiert. »Ich verrate dir etwas: Es ist nicht vorhanden.«

»Das kriegen wir schon hin.«

»Bezweifle ich. Sieh dir das doch mal an.« Ich hielt den grauen Wollfetzen, der an mehreren Stellen Löcher aufwies und in überhaupt keine anständige Form zu bringen war, hoch. »Der ist für nichts mehr zu gebrauchen.«

»Mhm.« Cinora zog ihre Füße heran, die in farbenfrohen Socken steckten, und beugte sich zu mir vor. Kurzerhand entwand sie mir mein Werk, verband die Enden miteinander und entfernte die Stricknadeln. Dann wandte sie sich Lelei zu, die mittlerweile schlief, und legte ihr das graue Deckchen über den Unterkörper. »Siehst du? Es ist sehr wohl für etwas zu gebrauchen.«

Damit hatte ich nicht gerechnet.

»Ich habe übrigens ...«, sie zögerte, zog aus ihren Hosentaschen ein dunkles Paar flauschiger Socken hervor und streckte sie mir entgegen. »Die sind für dich.«

»F-für mich?«, stammelte ich. Hitze stieg mir in die Wangen.

Verlegen senkte sie den Blick. »Damit du nicht immer barfuß hier herumlaufen musst.« Sie deutete auf meine nackten Füße. »Sonst wirst du eines Tages noch krank.«

Ich schwieg über die Tatsache, dass Daija nicht krank werden konnten, nahm ihr Geschenk entgegen und musterte es ehrfürchtig. In diesem Moment fühlte ich nichts als Glück. Nichts als Freude. »Danke, Cinora.«

»Gerne.« Derweil ich mir die Socken überstreifte, wechselte sie abrupt das Thema. »Du hast keine Schmerzen mehr?«

»Nein.«

Sie presste die Lippen zusammen und sah mich aus großen Augen an. Wir wussten beide, welche Frage sie eigentlich stellen wollte. Die Neugierde stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben; sie faszinierte mich. Schmunzelnd stand ich auf und bot ihr eine Hand an. »Ich habe es dir versprochen.«

Tannengold - Die Erben des JenseitsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt