5. Tyler

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Nachdem ich nach unten gegangen bin, sahen mich alle aus großen Augen an. Vielleicht sah ich noch etwas fertig aus. Kein Ahnung.
Mein Vater hat mich natürlich sofort zur Seite gefischt und hielt mir eine Standpauke, dass ich mich so doch nicht vor den Morgans blicken lassen kann. Er schickte mich nach oben, damit ich mich umziehe und meine Haare vollständig trocknete.

Ohne Lust ging ich wieder nach unten, wo sich alle bereits an den Tisch gesetzt hatten. Der einzige freie Stuhl war natürlich neben Estelle.
"Und Tyler, was machst du denn momentan so? Hast du schon Pläne für die Zukunft?" Fragte mich Mr Morgan. Alle haben mich angesehen, als ob ich eine Zirkusattraktion wäre.

Meinem Vater zuliebe, versuchte ich so vornehm wie möglich zu antworten.
"Zurzeit spiele ich Vereins-Fußball in der oberen Liga. Nach der High School würde ich gerne professionell Fußball spielen."

Mein Vater hustet.
Fast hätte er sich an seinem teuren Rotwein verschluckt.
Dann räusperte er sich.

"Also was er eigentlich sagen wollte, ist, dass er erstmal die Schule beenden will. Um dann anschließend aufs College zu gehen oder zu studieren."
Das ist genau das, was er will. Ich auf jedenfall nicht. Der wütende Blick meines Vaters ruhte auf mir. Beschämt senkte ich den Kopf. Kurz darauf spürte ich Estelles Hand auf meinem Oberschenkel. Ihr Lächeln war so weich, so wohltuend. Die Wärme ihrer Hand beruhigte mich.
Aber halt. Machte sie mich etwa an?

Meine Mutter riss mich aus meinen Gedanken, als sie mit dem Essen aus der Küche kam.

Wir aßen und mein Vater schwärmte ständig von mir und Estelle, wie gut wir doch befreundet waren. Dass wir doch wie Pech und Schwefel wären. Aber eigentlich stimmte das nicht.
Als er dann auch noch meinte, wir zwei sollten ins Kino gehen und uns einen schönen Abend machen, wusste ich nicht mehr, wie ich reagieren sollte.
Er wollte mich mit Estelle verkuppeln. War ja klar. Dass sein Sohn Schwul ist, weiß er ja nicht und das darf er auch niemals erfahren.

Nach langem hin und her, dachte ich mir, dass es gar keine schlechte Idee mit dem Kino wäre.
Mein Vater wäre zufrieden. Estelle wäre auch zufrieden, denn so wie sie mich ansieht, will sie was von mir.
Und ich würde mein Geheimnis damit umso mehr schützen.

Als das Essen und die unangenehmen Situationen vorbei waren, zeigte ich Estelle mein Zimmer. Natürlich auf den Wunsch meines Vaters.

"Joa, das ist mein Zimmer, wie du nur schwer erkennen kannst." Ich kratzte mich mit der Hand am Hinterkopf. Estelle ging gespielt interessiert in meinem Zimmer umher, dabei gab es dort wirklich nichts ansehenswertes.
Außer dem Bett, indem ich vor kurzem noch mit Corey lag. Sein Geruch war bestimmt noch auf dem Laken.
Jedoch schlug ich mir diese dummen Gedanken schnell wieder aus dem Kopf.

"Hör zu, ich weiß, dass du nicht mit mir-"
Ich unterbrach sie. "Nein, ich gehe gerne mit ins Kino."
Das Grinsen, das sich in ihrem Gesicht breit machte, machte mich glücklich.
Ich werde das Richtige tun und das ist eben mit Estelle auf ein Date zu gehen.
War es denn überhaupt eins?

"Morgen?" Fragte ich sie ohne den Blick abzuwenden.
Sie nickte. "Um fünf beim Eingang?"
"Okay."
Estelle umarmte mich und drückte mir einen Kuss auf die Wange. So fühlte es sich also an, von einem Mädchen gemocht zu werden.

Nach dem ganzen restlichen Kram, wie Small Talk und Abschiede, sitze ich nun hier im Park auf einer rostigen Bank und warte auf Corey.
Ich weiß auch nicht wirklich warum ich ihn hierher bestellt habe, aber ich dachte mir, ich muss ihm von dem Date erzählen.
Nebenbei nippe ich von der Cola Dose in meiner Hand.

"Na. Hast du mich vermisst?" Flüstert mir eine verführerische männliche Stimme in mein Ohr. Hä? Vermisst? Was meint er?
Als ich mich umdrehe sehe ich Corey, dessen weißes Shirt sich um seine Bauchmuskeln spannt und etwas durchblicken lässt, das wie ein Tattoo aussieht. Muss neu sein.

Corey setzt sich lachend und ich bemerke wie ich rot werde.
"Entspann dich, das war nur Spaß!" Er klopft mir auf den Rücken und lässt seine Hand dort liegen. Das Prickeln, das sich dort verbreitet, lässt mich Gänsehaut bekommen.
"Also was gibts?"

Die Dose in meiner Hand fest umklammert, frage ich ihn mit hochgezogener Augenbraue: "Ich hoffe ich habe dich nicht gestört."

Corey lehnt sich zurück. "Nein hast du nicht. Du weißt, dass du immer auf mich zählen kannst." In dem Moment nimmt er mir meine Dose aus der Hand, die bereits eingedellt ist, und nimmt einen kräftigen Schluck davon.
Mein Blick folgt ihm, als er sich verführerisch über die vollen Lippen leckt. Wie sehr würde ich diese auf meinen spüren. Seinen Geschmack auf meinen schmecken.

Corey schnippt mit seinen Fingern vor meinem Gesicht herum.
"Tyler? Kommst du dann mal zum Punkt?"
"Oh, ähm ja klar." Mit der Hand fahre ich mir durch die Haare. "Also heute waren doch die Morgans da, mit meiner alten Freundin Estelle und ich habe morgen ein Date mit ihr." Die letzten paar Wörter sage ich so schnell, das ich hoffe er hat nichts verstanden. Sein Blick verrät mir jedoch anderes.

"Hä? War sie mal ein Kerl oder wie?" Die Verwunderung ist ihm ins Gesicht geschrieben.
Oh mann.

"Nein, sie ist und war kein Kerl. Mein Vater meinte es wäre eine gute Idee sie ins Kino einzuladen."
Jetzt lehnt sich Corey nach vor und stützt seine Arme auf seine Oberschenkel.
"Dein Vater. War ja klar. Wieso tanzt du immer nach seiner Pfeife? Sag ihm die Wahrheit über dich!" Seine Stimme wir immer lauter.

"Das kann ich nicht! Er wird mich hassen! Mein Vater würde mich nicht mehr akzeptieren!" Wütend stehe ich auf und halte meine Hand an meinen Kopf.

Corey steht nun auch auf und kommt mir gefährlich nahe.
"Du bist unglücklich." Er legt seine Hände an meine Wangen. "Und das will ich nicht. Aber wenn du das morgen durchziehen willst, dann tus. Ich stehe voll und ganz hinter dir."
Am liebsten würde ich diesen Moment einfrieren. Er hält mein Gesicht in seinen Händen und blickt mit seinen grünen Augen tief in meine.
Ich schlucke hart und nicke dann. "Danke!"
Corey nimmt mich in seine Arme. "Immer doch."

RiptideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt