15. Tyler

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Beim Essen mit Estelle kann ich mich nicht wirklich auf sie konzentrieren. Das Gespräch mit Corey hat mich zu sehr aufgewühlt. Ich meine, ja, ich gebe meinen Traum auf, aber nur für ein besseres Leben. Selbst wenn ich Fußballspieler werden möchte, mein Vater wird das niemals zulassen.

"Alles okay?" fragt mich Estelle mit besorgtem Blick.
"Ja, alles gut." antworte ich ihr und setze ein falsches Lächeln auf.
"Das glaube ich dir nicht. Die ganze Zeit bist du mit deinen Gedanken woanders. Du hörst mir nichtmal zu!" Ihre Stimme wird immer lauter.
"Du hast recht! Mir gehts nicht gut. Besser wir gehen nach Hause." erwidere ich ihr und rufe nach der Kellnerin. Ich bezahle das Essen, das ich garnicht aufgegessen habe und wir gehen.

"Kannst du mir endlich erzählen was los ist?" fragt sie mich als wir in meinem Auto sitzen und vom Parkplatz fahren. Wieso muss sie immer so neugierig sein? Ich hab nen schlechten Tag, na und? Ich frag sie auch nicht wegen jedem Dreck.
"Ich hatte nur eine Auseinandersetzung mit Corey!" Ich beiße die Zähne zusammen und umklammere fest das Lenkrad, sodass meine Fingerknöchel weiß werden.
Estelle lehnt sich zurück und macht einen Ach-daher-weht-der-Wind Blick.

Nach langem Schweigen, bricht sie es.
"Dir liegt viel an ihm."
Hä? Na klar tut es das. Er ist mein bester Freund. Soll mir nicht viel an ihm liegen?
Meinen Blick richte ich weiter auf die Straße ohne ihr eine Antwort zu geben.
"Mehr als dir lieb ist oder?"

Mann, ja. Sie hat verdammt recht. Mir liegt viel mehr an ihm, aber er ist immernoch mein bester Freund und wird es immer bleiben. Es wird auch nie mehr sein. Das würde unsere Freundschaft zerstören.

"Er ist mein bester Freund und mir liegt nunmal viel an ihm. " gebe ich knapp zurück.
Mit der Antwort gibt sie sich zufrieden und schweigt die restliche Fahrt.

Bei ihr angekommen, verabschiedet sie sich von mir. Ohne Kuss. Auch gut. Normalerweise küsst sie mich immer zum Abschied.
Dann fahre ich weiter nach Hause.

Hastig sprinte ich die Treppe hinauf zur Tür, da es ziemlich kalt ist. Schnell sperre ich die Tür auf und gehe rein. Drinnen warten bereits meine Eltern auf mich. "Da bist du ja endlich!" ruft mein Vater und kommt mir nahe.

"Stimmt das verdammt nochmal?!"
"Was?" fauche ich zurück.
"Dass du schwul bist?!" brüllt er mir in mein Gesicht.
Wie kommt er denn darauf? Scheiße.
"Sag schon!"

"Ja verdammt!" schreie ich wütend zurück. Es hat sowieso keinen Sinn mehr es zu leugnen. Meine Hände sind zu Fäusten geballt und meine Augen werden feucht. Woher weiß er das? Oh Gott. Ich hoffe nicht, dass er es von ihm weiß.
Das kann nicht sein.
Das hat er nicht getan.

"Hol deine Sachen und hau sofort ab! Ich brauche keinen Schwanzlutscher als Sohn!" schreit mein Vater und deutet mit der Hand zur Tür.
Tränen kullern mir über die Wangen. Ich sehe zu meiner Mum, die zu schluchzen beginnt, jedoch nur dabei zusieht, wie mein Vater mich rauswirft.

Da ich langsam Angst von meinem Vater bekomme laufe ich nach oben, packe meine Trainingstasche mit dem Nötigstem und laufe wieder nach unten.
Die beiden stehen immer noch im Flur. Meine Mutter weinend in den Armen meines Vaters. Aber ab heute ist er nicht mehr mein Vater.

Als ich die beiden ansehe und darauf warte, dass er seine Meinung vielleicht doch ändert, dreht er sich nochmal zu mir.

"So habe ich dich nicht erzogen!" sagt er nun mit einer sanfteren Stimme.
"Das stimmt. Du hast mich nämlich garnicht erzogen!" antworte ich ihm. Mein Vater war nie für mich da, seine Arbeit ging immer vor. Meistens war ich allein und er hat sich einen Dreck um mich geschert. Er dachte immer mit Geld alles gutmachen zu können, doch das konnte es nie. Das Geld konnte mir keinen Vater ersetzen.

Dann gehe ich zur Tür und schlage sie  hinter mir zu.
Die kalte Luft schlägt mir entgegen und ich lasse meinen Tränen freien Lauf. Aber ich bin nicht traurig, sondern wütend. Wütend auf meinen Vater. Wütend auf Corey.

RiptideWhere stories live. Discover now