8. Corey

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Außer dem Training und das bisschen Schreiben, habe ich die restliche Woche nicht viel mit Tyler gesprochen. Oder etwas mit ihm unternommen. Entweder hatte er Estelle an seiner Seite oder sein Vater hat ihn gezwungen, sich Unis anzusehen, obwohl es noch viel zu früh ist.

"Kannst du mit Liam draußen die Stühle aufstellen?" Fragt mich Jason während er versucht die Musikanlage anzuschließen.
Ich nehme einen großen Schluck von meinem Bier. "Wie heißt das Zauberwort?" frage ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.
Jason kontert mit seinem Mittelfinger. Ein Grinsen entkommt mir, während ich vom Tisch klettere und gehe nach draußen.

Auf der Terasse ist es ziemlich warm. Das Wasser des Sees spiegelt das Licht der Sonne und blendet mich fast.
Liam steht auf einem Hocker und versucht eine Lichterkette aufzuhängen. Wie Kitschig.

"Jason meinte, ich soll dir dabei zusehen wie du die Stühle aufstellst."
Selbstsicher stelle ich mein Bier auf den Tisch und lehne mich mit verschränkten Armen gegen die Wand.
"Ja klar. Und jetzt fang an ey. Schließlich saufst du ja auch das Bier, dass nicht du gezahlt hast."
Um ihn zu ärgern trinke ich die Flasche in einem Zug aus und sage: "Ahh. Gutes noch dazu!" und mache mich dann an die Stühle.

Als es anfängt dunkel zu werden, kommen die ersten Leute. Wir sind rechtzeitig fertig geworden. Die Lichterketten hängen, wenn auch ein bisschen schief. Die Musikanlage funktioniert, auch wenn ich sie schneller angeschlossen hätte. Aber die Stühle stehen perfekt. Selbstlob schadet nie.

Nach gut einer Stunde, kommt auch Tyler durch die Eingangstür. Er trägt ein graues schlichtes Shirt und darüber ein offenes, kariertes Hemd. Seine Haare sehen perfekt gestylt aus und seine Lippen tragen ein perfektes Lächeln. Kurz darauf weiß ich wieso er so glücklich ist. Estelle tritt hinter ihm durch die Tür. Ihre blonden Locken fallen ihr perfekt über die Schultern und das rote Kleid ist wirklich verdammt heiß.

Tyler erblickt mich anschließend und ich hebe den roten Becher in meiner Hand.
"Hey Corey!" Seine Hand ist auf Estelles Rücken und er schiebt sie leicht zu mir. "Das hier ist Estelle." ..meine Freundin waren meine weiteren Gedanken, die er aber zum Glück nicht aussprach.
"Freut mich dich kennenzulernen. Wir haben uns zwar schonmal gesehen, aber uns nicht wirklich vorgestellt." Estelle gibt mir die Hand.
Mühselig grinse ich, ich will Tylers Stimmung nicht ruinieren.
"Freut mich auch!"

Als es dunkel ist, gehe ich nach draußen auf die Terasse. Die Lichterkette sieht doch schön aus.
Ich lehne mich an das Geländer, dass an den See grenzt. Der Mond spiegelt sich auf der Wasseroberfläche. Ein leichter Wind weht und lässt mich Gänsehaut bekommen.
Dann spüre ich eine Hand auf meinem Rücken. Die Haut unter meinem T-Shirt prickelt und ich drehe mich zu der Person um. Nun blicke ich in Tylers Gesicht.
Als er bemerkt, dass seine Hand immer noch auf mir liegt, zieht er sie ruckartig weg. Meine Haut wird unwillkürlich wieder kühl.
Wir drehen uns beide in die Richtung des Sees.

"Alles okay bei dir?"
"Klar. Was soll sein?" Erneut nehme ich einen Schluck von dem Bier. Es ist schon mein dritter Becher und davor hatte ich ja noch die Flasche.

"Ich weiß nicht, du siehst nicht glücklich aus."
Ich sehe nicht glücklich aus? Verdammt, er macht sich Sorgen um mich.
"Nein alles gut. Übermorgen ist wieder Schule und ich hab einfach keinen Bock." Lüge ich.
Im Augenwinkel sehe ich, dass er mich anstarrt.

"Wer hat Lust auf eine Runde Flaschendrehen?!" Brüllt plötzlich Liam hinter uns. Er nimmt die leere Flasche vom Tisch, die ich vorhin dort hingestellt habe und setzt sich auf den Terassenboden.
Nicht nur kindische Lichterketten, sondern auch kindische Spiele.
Tyler stupst mich an und lacht mich schief an.
"Na gut." Gebe ich nach und gehe mit ihm zu Liam, wo wir ein wenig Platz machen und uns dann hinsetzen. Tyler sitzt mir gegenüber und natürlich kommt Estelle und lässt sich neben ihm nieder. Das Flaschendrehen von Liam ist nichts für kleine Mädchen. Was will die hier überhaupt?

Nachdem sich noch ein paar andere zu uns gesellt haben, erklärt Liam die Regeln. "Jeder darf eine Aufgabe, beziehungsweise eine Frage stellen, sofern sie gut ist."

Er lacht, aber keiner Stimmt mit ein. Dann dreht er die Flasche an.
Sie dreht sich lange und kommt dann mit dem Flaschenhals bei einem Typen, mit einem Chicago Bulls Cappy, zum stehen.
"Wahrheit oder Pflicht?" Lallt Liam.
"Wahrheit." Erwidert der Typ. Feigling.
"Wann hattest du dein erstes Mal?" Platzt eine Brünette hervor.

Der Typ wird nervös und antwortet dann: "Ähm..als ich 16 wurde." Er schluckt hart.
"Du hast Wahrheit genommen also sag auch die Wahrheit." Sie hebt den Kopf. Es scheint als wüsste sie etwas.

"Ach komm Mel. Lass den armen Typen." Kommt Jason zu Wort. Sie rollt ihre Augen. "Bei Wahrheit lügt immer jeder!" Mit einer Handbewegung deutet er dem Jungen, dass er weiter machen soll.

Die Flasche zeigt nun auf Estelle und sie bekommt von Jake die Aufgabe Tyler zu küssen. Wie einfallsreich. Ohne zu zögern krallt sie ihre Finger in Tylers Nacken und zieht ihn zu sich. Ihre Lippen treffen auf seine und ich wende den Blick ab. Ich weiß nicht ob das ihr erster Kuss ist, sie waren zusammen im Kino. Was macht man denn sonst dort?
Ein paar Mädchen klatschen hinter ihnen.
Als sie sich voneinander lösen, sieht mich Tyler entschuldigend an.
So würde wenigtens niemand erfahren, dass er schwul ist.

Wieder dreht sich die Flasche und sie trifft nach unzähligen Drehungen auf Tyler. Das kann ja spannend werden.
"Pflicht!" Kommt es wie aus der Pistole geschossen. Die ganze Zeit sieht er mich an. Er will mir zeigen dass er kein Feigling ist, so wie der Typ vorhin.

"Lasst mich ihm eine Aufgabe stellen." Jason steht auf und lässt seinen Blick durch die Menge schweifen.
Sein Blick bleibt bei Tyler stehen, der mich immer noch anstarrt und Jason folgt Tylers Blick zu mir. Er grinst dämlich.
"Du musst Corey küssen. Auf den Mund."
Mein Herz setzt einen kurzen Moment aus, um danach noch schneller zu schlagen. Mein bester Freund soll mich küssen? Weiß Jason von Tylers Geheimnis und macht es absichtlich?
"Uhh dann ist mal was für uns dabei!" Quietscht Mel zu ihren Freundinnen.

Tyler wird mich nicht küssen. Man küsst seinen besten Freund nicht.

Als er sich erhebt und zu mir kommt, weiß ich, dass ich falsch lag.
Tyler beugt sich zu mir und legt seine Hände an meine Wangen. Seine hasellnussbraunen Augen durchbohren mich regelrecht. Er wartet auf ein okay von mir und ich nicke leicht. Dann senke ich meinen Blick auf seine vollen Lippen, ehe er sie auf meine drückt. Sofort prickeln sie. Seine Lippen sind so warm und einladend, als ich anfange, es zu genießen, zieht er sich wieder von mir zurück. Was wahrscheinlich besser ist, sonst wäre dieser Kuss noch intensiver geworden und unsere Freundschaft noch komischer als sie bereits ist.
Er sieht mich an, während seine Hände noch immer an meinen Wangen ruhen.

"Also wenn ihr zwei euch dazu entscheidet schwul zu werden, werde ich hier die Süße nehmen." Jason deutet auf Estelle und reißt uns damit aus unserer Situation. Die anderen um uns herum hatte ich die ganze Zeit ausgeblendet.
Was macht der Typ nur mit mir?

RiptideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt