24. Corey

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Was mache ich eigentlich? Das darf nicht passieren. Unsere Freundschaft stand eben schon auf der Kippe, jetzt kann ich doch kein Gefühlschaos anrichten.
Aber als ich ihn traurig da stehen sah und das auch noch im Regen, musste ich was tun. Der Schmerz, der seine Augen gefüllt hat, löste etwas in mir aus. So etwas wie Fürsorge, ich musste ihn trösten.
Doch als dann sein Blick meinen traf, war es pures Verlangen.

"D-das tut mir leid!" stottere ich, während ich einen Schritt von Tyler wegtrete. "Das hätte ich nicht tun sollen, ich war-"
"Schon gut!" unterbricht Tyler mich. "Du bist schließlich der, der auf Frauen steht, nicht ich. Mir hats gefallen."

Ja ich stehe auf Frauen.
Aber warte, was hat er gesagt?
Ihm hats gefallen?
Okay ich muss unbedingt vom Thema ablenken.

"Wo wohnst du jetzt eigentlich?" frage ich ihn vorischtig und fahre mir gewohnheitsmäßig mit der Hand durch die Haare, die klitschnass sind.

Tyler tritt einen Stein auf dem Boden herum. "Bei Estelle."
Seine Antwort ist kurz und knapp, aber ausreichend um mir einen überraschten Blick zu entlocken. Bei der Kuh? Oh Gott der Arme. Sie wird glauben, dass er jetzt bei ihr einzieht und sie dann heiraten.

Als ob Tyler meine Gedanken gelesen hätte, spricht er weiter. "Sie weiß es. Sie weiß alles." Er sieht hoch in den dunkelgrauen Himmel. Wir werden bestimmt krank.
"Ich bin sofort zu ihr gerannt, nachdem ich dich, ähm..du weißt schon, und dann habe ich ihr alles erzählt."
Wow. Damit hätte ich nicht gerechnet.

"War sie sauer?" frage ich. Immerhin hat er die große Liebe vorgespielt, das ich ihm aber nicht übel nehme.
Tyler schüttelt den Kopf. "Sie hat mich in den Arm genommen und getröstet. Ich war komplett fertig."

Sie war da. Für ihn. Er war fertig, weil ich so dumm war.
Am liebsten würde ich mich schon wieder entschuldigen, aber ich lasse es.

"Du kannst bei mir wohnen. Schließlich bin ich ja schuld, dass du kein Dach über dem Kopf hast."
Mir ist wirklick kalt und ich will nach Hause. Der Regen hat gottseidank aufgehört.

"Ja bist du." meint er. "Aber es wär nett. Danke."
Er lächelt mich an. Er lächelt.
Ich lache ebenfalls.

"Lass uns deine Sachen bei Estelle holen und dann ab nach Hause. Ich spüre meine Gliedmaßen schon nicht mehr."

Wir machen uns auf den Weg.
Während ich darauf warte, dass Tyler seine Sachen aus dem Gästezimmer von Estelle holt, hält sie mir vor, was für ein schlechter Freund ich sei.
Das weiß ich auch selber.
Als Tyler kommt, will ich nichts wie weg.

Bei mir zu Hause angekommen, kommt uns im Flur gleich mein Vater entgegen. "Wie seht ihr denn aus?"
Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Ich weiß nur dass wir nass sind.

"Lange Geschichte, aber Dad? Kann Tyler ein paar Nächte bei uns bleiben? Seine Eltern sind-"

"Wir haben gestritten." sagt Tyler und lässt seine Tasche fallen. Eigentlich wollte ich irgendwas erfinden aber er nimmt es selbst in die Hand.
"Sie haben mich rausgeworfen, da sie erfahren haben, dass ich schwul bin."
Sie haben es wegen mir erfahren. Dieses doch so wichtige Detail lässt er aus.

Bevor mein Vater etwas erwidern kann, kommt Lola hinzugestürmt.
"Ha! Ich wusste es! Deswegen wolltest du nichts von mir!" Lola fuchtelt mit ihrem Finger vor Tyler herum.
Da gibt es denke ich noch andere Gründe. Das sage ich ihr aber natürlich nicht.

"Wärst du ein Kerl, würde ich dich heiraten." witzelt Tyler und zwinkert Lola zu. Sie grinst und verschwindet wieder richtung Wohnzimmer.

Dad räuspert sich. "Nun, ähm..damit du weißt, ich habe überhaupt kein Problem damit und du kannst natürlich bleiben. Aber wir müssen trotzdem mit deinen Eltern reden."
Das hatte ich sowieso vor. Ich muss die ganze Suppe die ich ihm eingebrockt habe, wieder auslöffeln.

"Danke Mr. Murray." antwortet Tyler und umarmt ihn. Mein Dad und er haben sich immer schon gut verstanden.
"Nenn mich John." meint mein Vater als er sich von Tyler löst. "Jetzt geht euch umziehen."
Mein Dad deutet nach oben und wir gehen.

RiptideWhere stories live. Discover now