58. Corey

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Tyler ist in meinen Armen eingeschlafen. Er hat über seinen Vater erzählt. Dass er ihn hassen sollte, was er aber nicht tut und das ist okay. Man soll seinen Vater nicht hassen. Nichtmal ich hasse ihn.

Tyler warf sich auch vor, dass er Schuld an dessen Tod hat. Natürlich habe ich ihm das sofort ausgeredet. Wenn jemand Schuld hat, dann wohl sein Vater. Es war sein Problem, dass er nicht mit der Homosexualität seines Sohnes klargekommen ist. Er hätte auch nicht trinken und dann auf der befahrenen Straße herumlaufen sollen.
Aber natürlich hätte er nicht sterben sollen.

Tyler hat sich dann praktisch in den Schlaf geweint. Ich habe ihn einfach nur festgehalten. Er hat seinen Kopf an meiner Brust vergraben und hält jetzt ganz fest meine Hand. Das alles erinnert mich wieder an den Tod meiner Mutter. Ich war ebenso fertig wie er jetzt.

Da sich ziemlicher Druck auf meiner Blase ausbreitet, versuche ich Tyler vorsichtig von mir zu ziehen. Langsam lege ich ihn neben mich und er stöhnt auf.

"Keine Sorge ich muss nur pissen." flüstere ich und drücke ihm einen Kuss auf die Stirn.

"Kommst du wieder zurück?" fragt er ganz leise und mit geschlossenen Augen.

"Natürlich."
Ein lächeln ziert sein Gesicht und mein Herz macht einen kleinen Sprung. Ich bin so froh dass er nach der ganzen Scheiße die er durchmacht trotzdem Freude empfinden kann.
Ich ziehe ihm die Decke bis zu seinem Bauch und tapse aus dem Zimmer.

Nachdem ich auf dem Klo war, gehe ich kurz in die Küche um mir ein Glas Wasser zu holen. Im Küchenschrank finde ich eines und halte es dann unter den Wasserhahn.
Da bemerke ich ein Geräusch im Esszimmer. Als das Glas voll ist, gehe ich nachsehen.

Ich entdecke Tylers Mum am Esstisch. Sie wirkt niedergeschlagen und ich setze mich zu ihr.
"Wie geht es Tyler?" fragt sie mit heiserer Stimme und sieht mich an.
Ihre braunen Augen sind gerötet und wirken leer.

"Er ist eingeschlafen, trotzdem geht es ihm nicht wirklich gut." antworte ich knapp, da ich keine Ahnung habe was ich sagen soll. Wie soll es ihm denn gehen?

"Hör zu. Ich weiß dass du dich mit meinem Mann nicht wirklich gut verstanden hast und das was er dir angetan hat, ist unverzeihlich, trotzdem hätte ich eine Bitte an dich." Sie lehnt sich etwas vor und ich trinke einen Schluck von dem Wasser, da sich mein Mund ziemlich trocken anfühlt.

"Bitte komm zur Beerdigung. Es würde mich so freuen. Du hast zwar keinen Grund um für ihn zu trauern,
aber Tyler. Mach es nicht für meinen Mann oder mich. Mach es für Tyler."
Ich schätze die Einladung sehr. Sie hat recht, ich habe keinen Grund zu trauern, aber ich muss Tyler dabei zur Seite stehen. Er braucht mich jetzt. Mehr als je zuvor.

"Ich würde gerne kommen." antworte ich ihr und lächle sie an. Ihre Miene hellt sich etwas auf und sie bedankt sich. Dann gehe ich wieder hoch zu Tyler.

Die Tür habe ich vorhin offen lassen. Ich lehne mich an den Türrahmen und beobachte Tyler. Er schläft friedlich und eingekuschelt auf dem Bett. Sein Mund ist leicht geöffnet und eine Hand liegt unter seinem Kopf. Jetzt ist er in einer Traumwelt, aber  wenn er aufwacht wird er wieder mit der Realität konfrontiert werden. Es wird nicht leichter werden, aber bis dahin bin ich für ihn da.
So wie er es für mich war.

RiptideWhere stories live. Discover now