♕ 3 • Könige ♛

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Taehyung

Obwohl es nur ein paar wenige Schritte von meinem Gemach zu dem Speisesaal sind, bedeckt der Schweiß meine Stirn als ich dort ankomme. Sogar mein Atem geht unregelmäßig und meine Beine sind zu müde als das ich lange auf ihnen stehen kann. Vor meinem Vater, der mich aufmerksam mustert als ich hinein trete, versuche ich mir nichts anmerken zu lassen, aber es fällt mir unglaublich schwer.

Trotz des Bades rieche ich immernoch den Gestank der Angst an mir haften und spüre den Schreck durch meine Muskeln wandern. Kurz blitzt sogar das Bild vom Traum auf als ich meinen Vater ansehe, sein Kopf abgetrennt vom Körper unter den vielen anderen auf die ich trete, aber ich versuche es so schnell wie möglich wieder abzuschütteln. Wenn es jemanden gibt, vor dem ich keine Schwäche zeigen möchte, dann ist es mein Vater.

Er ist die einzige Person in meiner Familie, die überhaupt noch mit mir spricht. Meine Mutter und meine zehn Geschwister meiden mich schon seit einer Ewigkeit. Wir haben bereits so lange nicht mehr miteinander gesprochen, dass sie für mich beinahe Fremde sind. Meine eigene Mutter würde mich sofort wegschicken, wenn Vater nicht wäre um mir Schutz zu bieten. Er ist der einzige Grund, weswegen ich noch am Leben bin.

"Du siehst nicht gut aus, bist du krank?", fragt er gewohnt ehrlich und mustert mich noch genauer als ohnehin schon, aber ich setze ein schwaches Lächeln auf und schüttle den Kopf, vermeide es dabei aber ihn anzusehen. Ich möchte nicht immer wieder seinen Kopf sehen und in seine toten Augen aus dem Traum blicken müssen.

"Mir geht es gut, das Wetter scheint wohl Einfluss auf meinen Zustand zu haben. Du weißt, wie sehr ich die Sonne verabscheue." Das tue ich tatsächlich und daher kommen mir die hohen Temperaturen des heutigen Tages als Erklärung für meinen tatsächlich kränklich wirkenden Zustand auch gelegen. Im Sommer bin ich häufig ruhiger als sonst, erschöpfter und kraftlos, deswegen kauft er mir das auch ab und nickt lediglich.

"Ich habe dich aus einem bestimmten Grund rufen lassen, es geht um etwas was du tun sollst." Er senkt kurz den Blick, etwas was er selten tut, nämlich wenn er sich nicht sicher ist wie er etwas sagen soll. Es ist komisch, weil er sonst immer ein sehr sicherer und selbstbewusster Redner ist, diese kleine, aber bedeutende Geste könnte ein Zeichen dafür sein das es tatsächlich etwas von enormer Wichtigkeit ist. Etwas was ich tun kann.

Aufmerksam setze ich mich in dem harten Holzstuhl auf und sehe ihn gespannt an. Alle Sorgen und Ängste sind vergessen, sogar der Traum rückt für den Moment in den Hintergrund, denn plötzlich ist mir nicht mehr schlecht und ich fühle mich auch nicht mehr kraftlos, ganz im Gegenteil. Ich habe Hoffnung, Hoffnung darauf endlich etwas tun zu können was man anerkennt.

Die Menschen nennen uns "verlorene Kinder", zum einen weil wir nach der Zeit des Nichts wie vom Erdboden verschwunden sind und zum anderen, weil man glaubt unsere Seelen wären verloren, ohne eine Möglichkeit Zutritt durch die neun Tore nach dem Tod zu erlangen, sondern nur in die ewige Nacht. Früher gab es viele von uns, wir kamen noch vor den Menschen, aber jetzt bin ich der einzige meiner Art und den meisten würde es auch gelegen kommen wenn ich der letzte wäre. Wir werden seit hunderten von Jahren gejagt, das einzige Glück das mich in meinem ganzen Leben ereilt hat ist das, als Prinz geboren worden zu sein, denn nur dem Schutz meines Vaters, dem König, habe ich es zu verdanken das man mich nicht neben den Hexen und den Sehern auch noch getötet hat.

Deswegen ist es umso wichtiger für mich von Nutzen für dieses Land und meinen Vater zu sein. Ich möchte nicht länger als der verlorene, schwache Prinz gelten, der sich hinter den Mauern im Schloss versteckt, ich möchte mehr sein. Ich werde zwar nie so ein guter Krieger sein wie mein Bruder es ist, aber vielleicht kann ich es denoch erreichen, dass mein Name nicht nur Abscheu in den Menschen weckt.

"Was ist es?", frage ich, versuche allerdings sehr formal zu klingen, wie er es auch tut wenn er mit mir spricht. Er ist zwar mein Vater, aber vor allem ist er der König und als dieser hat sich diese Art von Verhalten bereits bei ihm eingebürgert. Er kann es nicht einmal vor uns ablegen, aber das stört mich nicht. Ich habe ihm viel zu viel zu verdanken als das ich mich von sowas stören lassen würde.

"Es geht um ein Bündnis", sagt er und sieht mich wieder fest an. "Es wird deine Aufgabe sein dieses zu stärken, mehr kann ich dir gerade nicht sagen, dafür ist es noch zu früh."

Zu früh? Das heißt, dass dieses Büdnis noch nicht in Stein gemeißelt ist und das wiederum bedeutet, dass es vielleicht gar nicht dazu kommen wird. Vater muss in Verhandlungen stecken was das angeht und leider habe ich auch keine Möglichkeit um selber dahinter zu kommen, denn eigentlich könnte Illiora gerade ein Bündnis mit so ziemlich jedem Land eingehen. Wir sind nicht gerade die schwächsten, aber wir sind das jüngste Land und alleine das macht uns angreifbar.

"Verstehe." Ich nicke und erhebe mich.

"Taehyung", sagt mein Vater und steht ebenfalls auf um mit mir auf Augenhöhe zu sein. "Wenn es soweit ist, musst du vielleicht mehr geben als dir Lieb ist. Dieses Bündnis könnte dich dein Leben kosten."

Ich runzle die Stirn, denn obwohl er das Wort 'könnte' benutzt, scheint er sich doch ziemlich sicher darin zu sein das dieses Bündnis meinen Tot bedeuten wird, als wäre es bereits in Stein gemeißelt. Aber wenn er glaubt das würde mich dazu bringen einen Rückzieher zu machen, dann hat er sich geirrt.

Das, was ich bis jetzt geführt habe, konnte man sowieso kein Leben nennen. In Gefangenschaft, eingesperrt hinter Mauern, die einen vor den Augen der anderen beschützen sollen, diesem Dasein ziehe ich den Tod sogar vor. Was auch immer mich das kosten mag, wenn ich meinen Namen dafür von den Vorurteilen und Verurteilungen der Außenwelt rein waschen kann, dann ist es mir das Wert.

"Wir leben für dieses Land", wiederhole ich die Worte, die er jedem von uns seit wir Kinder sind sagt, es ist der Leitspruch unseres Königreiches. "Und wir sterben für dieses Land."

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