♕ 19 • Göttertränen ♛

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Taehyung

"Habt ihr Euch bereits eingelebt?", fragt Joohyun nach einer ganzen Weile der Stille zwischen uns und streckt ihr Gesicht lächelnd der Sonne entgegen. Ich hingegen halte den Blick gesenkt, versuche mich so wenig wie möglich zu bewegen, weil die Sonne mir jegliche Kraft entzieht und ihre Wärme das übrige tut.

Ich war es, der Joohyun um einen Spaziergang durch das Schloss gebeten hat, um eine Möglichkeit einander besser kennen zu lernen, aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie sich in den Hof setzen würde. Bisher habe ich sie für einen Menschen gehalten, der den Schatten und die Dunkelheit bevorzugt. Auf mich wirkte sie stets wie jemand, der das Licht meidet, aber jetzt wo sie hier neben mir sitzt und das Licht der Sonne ihre Schönheit unterstreicht, merke ich wie sehr ich mich geirrt habe.

Sie ist keineswegs für die Dunkelheit geschaffen, sie würde in ihr zu Grunde gehen. Sie ist ein Mensch des Lichtes, jemand der Trotz aller Trauer und Rückschläge das Gute im schlechten sieht. Ich kenne die Geschichte über ihren verstorbenen Gatten, ich weiß wie Tragisch ihre Liebe war und das sie nicht genug Zeit mit ihm hatte, deswegen bewundere ich sie umso mehr. Ich bewundere ihre Kraft trotz allem weiter zu machen.

Ich spiele mit einem der vielen Ringe an meinen Fingern herum und lächle aufgrund ihrer Frage. "Es kommt mir alles so unwirklich vor", sage ich und hebe zögernd den Kopf, trotz den Kopfschmerzen die ich bei dem Gefühl der Wärme bekomme. Es macht mich müde, es macht mich schwach, aber dennoch genieße ich es. Die Sonne und ich werden wohl nie Freunde sein, wie auch, wenn ich praktisch die Verkörperung von Eis und Kälte bin? Aber dennoch verbindet uns was ironisches. Ich liebe sie, liebe ihre Strahlen, die alles in wärme tauchen und selbst den hässlichsten Dingen Schönheit verleiht, aber zur gleichen Zeit hasse ich sie, weil sie mir so viel von meiner Kraft nimmt.

"Ich denke ich verstehe Euch auf eine Gewisse Art." Sie dreht ihr Gesicht zu mir und sieht mich von der Seite an. "Niemand könnte das Gefühl von Euch nachempfinden, in ein Fremdes Land zu reisen, das einem selber so verhasst sein muss wie dieses und das seinesgleichen seit Jahrhunderten auch noch jagt. Ich bin nicht so Naiv zu glauben, dass ich Euch diese Bürde nehmen kann, aber eine Sache verstehe ich dennoch. Ich verstehe was es heißt, in seinem eigenen Land jemand Fremdes zu sein."

Normalerweise hätte ich eine solche Aussage mit einem Nicken abgetan und sie einfach weiter reden lassen, mit dem Wissen, dass sie vielleicht glaubt mich verstehen zu können, aber das sie es niemals wirklich tun kann. Aber der Schmerz in ihrer Stimme und die Aufrichtigkeit sagen was anderes. Sie sagt das nicht nur, weil ich es bin. Sie sagt das nicht um mir näher zu kommen oder weil sie verzweifelt nach irgendeiner Gemeinsamkeit in dieser erzwungenen Beziehung sucht, sie sagt es, weil es wirklich so ist.

Ich drehe mich ebenfalls in ihre Richtung und sehe ihr in die Augen, die so stark Glänzen, das ich befürchte sie könnte jeden Moment anfangen zu weinen. Es stimmt, sie hat vielleicht nicht das gleiche durchgemacht wie ich, aber wir haben dennoch etwas Gemeinsam. Wir waren für eine lange Zeit in unserem Leben alleine.

Sie hat ihre Mutter recht früh verloren, die einzige Person, zu der sie neben ihrem Bruder ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte und nachdem sie erneut eine solche Person in ihrem Gatten gefunden hat, verlor sie auch ihn. Sie zog sich zurück, fand Schutz und Trost in ihrer Religion, aber sie war eine Fremde in diesem Land, sie war anders als die anderen. Vielleicht haben wir nicht die gleichen Dinge durchgemacht, aber wir tragen beide unsichtbare Narben mit uns herum.

"Ich weiß, dass diese Heirat nicht Euer Wunsch war und es tut mir leid das ich Euch nicht helfen kann." Sie senkt den Kopf, aber ich schüttle meinen Sofort und nehme ihr Gesicht in meine Hände.

"Ihr wolltet das genau so wenig, keiner von uns hat sich das hier ausgesucht, aber ich bin froh, dass Ihr es seid. Ich könnte mir niemand besseres wünschen, als jemand der mir so direkt in die Augen sieht ohne das zu fürchten, was ich bin."

Langsam lasse ich die Hände sinken als sie lächelnd nickt und sich peinlich berührt wieder nach vorne dreht. Ich weiß nicht, warum ich das gerade getan habe, normalerweise bin ich niemand, der andere Menschen gerne berührt oder sich berühren lässt, aber gerade kam mir das richtig vor. Sie war traurig, hat sich selber Vorwürfe gemacht, es war das einzige was mir in einer solchen Situation eingefallen ist.

Ich hatte bisher keinen großen Kontakt zu anderen Menschen, von daher ist mir ihre Gefühlswelt nicht sonderlich bekannt, obwohl sie meiner in allem ähnelt. Aber ich weiß nicht, wie ich mit den Gefühlen anderer umgehen soll, weiß nicht wie man andere tröstet wenn sie traurig sind, sie beruhigt wenn sie angst haben oder ihre Wut lindert. Alles was ich weiß ist das, was ich mir all die Jahre gewünscht habe, nämlich jemanden der mich in so einer Situation in den Arm nimmt.

"Was haltet Ihr eigentlich von meinem Bruder?", fragt sie und muss sich ein Lachen verkneifen, als sich mein eben noch so entspannter Gesichtsausdruck in eine Grimasse verwandelt, die nur allzu deutlich verrät was ich von ihm halte. Ihr lachen wird lauter, heller und irgendwann kann ich nicht anders als einstimmen, bis unser Lachen an den Steinen des Schlosses abprallt und es gefühlt in das ganze Land verstreut.

Es dauert eine Weile bis wir uns wieder beruhigt haben und sie sich wieder zu mir drehen kann. "Wisst Ihr, er ist wirklich kein schlechter Kerl, nicht einmal im Ansatz. Er ist ein guter Kerl und der einzig Aufrichtige Mensch, den ich in diesem Land kennen lernen durfte. Er scheint nur nicht ganz zu wissen, wie er sich Euch gegenüber verhalten soll, er hatte es bisher nur mit Frauen zu tun."

"Frauen?", frage ich und ziehe eine Augenbraue nach oben.

Sie verdreht die Augen und zeichnet mit ihren Fingernägeln die Muster auf der Bank nach, auf der wir sitzen. "Jungkooks Frauengeschichten sind eines der wenigen Gerüchte am Hof, die nicht maßlos übertrieben sind. Er vergnügt sich gerne, was man ihm allerdings nicht verübeln kann. Den ganzen Tag macht er nichts anderes als über Politik und Krieg zu reden, ich denke das er die Frauen benutzt um sich von all dem abzulenken."

Ich nicke und senke den Blick erneut. Es ist tatsächlich nichts ungewöhnliches, nichts was für ihn irgendwelche Konsequenzen haben könnte, aber nichts desto trotz überrascht mich ein wenig. Ich selber habe bisher keine Erfahrungen mit Frauen gesammelt, etwas was nicht sonderlich verwunderlich ist wenn man bedenkt, dass ich den Großteil meines Lebens in meinem eigenen Gemach verbracht habe und von den Menschen gefürchtet wurde - ganz gleich ob Mann oder Frau.

Wenn ich allerdings wie Jungkook als Kronprinz den ganzen Tag darüber sprechen müsste wie man am besten so viele Menschen wie nur Möglich tötet, dann würde ich mich zur Abwechslung auch über etwas Nähe freuen. Auf eine Gewisse Art und Weise ist also auch er sowie Joohyun und ich. Er ist ebenfalls alleine.

"Jungkook ist kein Freund von Magie und Flüchen, er hat nicht einmal daran geglaubt bis er dich sah. Du bist in seinen Augen etwas besonderes." Sie öffnet ihre rechte Hand, die die ganze Zeit über zu einer Faust geballt war und entblöst darin eine Münze, die sie mit einem lächeln betrachtet.

"Ich habe das hier in seinem Gemach auf der Anrichte gefunden. Es ist eine Skravische Münze aus reinem Silber."

Verwirrt runzle ich die Stirn. "Aber sie ist Schwarz."

Es ist das erste mal, dass ich Skravisches Silber sehe, ich kannte bisher ja kaum unser eigenes Gold und Silber, aber mir war nicht bekannt, das sie auch schwarzes Silber herstellen, ich weiß nicht einmal wie das funktionieren soll.

Joohyun nimmt meine Hand in ihre, öffnet sie und legt die Münze auf meine Handinnenfläche. "Ich weiß auch nicht wie das funktioniert, aber als ich sie gesehen habe, musste ich sofort an Euch denken. Diese Münze ist besonders." Sie lächelt mich wieder an. "Genau sowie Ihr es in den Augen meines Bruders und für mich seid."

Begin |Vkook|Where stories live. Discover now