♕39 • Schatten♛

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Taehyung

In letzter Zeit habe ich Momente wie diese öfter. Immer wieder erwische ich mich selber dabei, wie ich Dinge, die ich eigentlich tun wollte vergesse und stattdessen in Gedanken versinke. Es ist, als würde mein Körper sich gegen jeden Schritt wehren, den ich versuche zu machen, als wüsste er etwas, was ich nicht weiß.

Ich bleibe plötzlich stehen, schweife mit den Gedanken ab und verbleibe dann so. Manchmal vergehen nur Sekunden bis ich mich wieder zusammen reiße, aber manchmal, wie heute, sind es Stunden in denen ich nur in die Leere starre und über alles mögliche nachdenke nur um keinen weiteren Schritt machen zu müssen.

Mein Leben ist durchzogen von Einsamkeit und Furcht, Furcht davor irgendwann plötzlich nicht mehr am Leben zu sein. Die Zeit auf dieser Welt ist für jeden von uns beschränkt, der Tod ist unausweichlich, er macht uns alle gleich und doch gilt meine größte Angst ihm.

Seit knapp einer Stunde stehe ich vor dem Spiegel und starre mir selber in die Augen. Ich wollte mich nur vergewissern, das meine Haare gut unter der Kapuze des Umhangs versteckt sind um so unauffällig wie möglich zu sein, wenn ich das Schloss verlasse, aber obwohl es nur ein schneller Blick in den Spiegel sein sollte, stieg innerhalb weniger Sekunden Unsicherheit in mir auf.

Ich weiß, dass es verrückt ist nach dem, was bei meinem letzten Ausflug passiert ist, wieder an diesen Ort zurück zu kehren, aber ich kann nicht anders und je mehr ich mich dagegen wehre, desto wahnsinniger macht es mich.

Ich atme ein mal tief durch die Nase durch und halte die Luft an bevor ich die Augen langsam schließe.

Sungjae hatte recht mit dem, was er mir seit wir Kinder sind sagt. Die Menschen fürchten mich, sie versuchen nicht ein mal mich zu verstehen und sie würden mich ohne zu zögern umbringen. Aber Sungjae sah bei diesem Gedanken nie die Seite in mir, die er am aller besten kennen sollte, die Seite, die mich tatsächlich zum Monster macht, die über die ich keine Kontrolle habe.

Mein Körper wehrt sich gegen jeden weiteren Schritt, weil er zu ahnen scheint, das jeder davon mein Ende bedeuten könnte und ebenso wehrt er sich gegen Gefahr, selbst wenn ich es nicht möchte.

All die Nächte im Hof, die Verbesserung, die ich glaubte in mir selber gesehen zu haben, das waren alles Schritte nach vorne, aber mit diesem einen Nachmittag habe ich alles wieder verloren und diesen Gedanken ertrage ich nicht.

Ich ertrage es nicht bei dem Blick in den Spiegel das Monster zu sehen, für das sie mich alle halten.

Ebenso langsam wie ich die Augen geschlossen habe öffne ich sie wieder, dieses Mal allerdings ohne wieder mein Spiegelbild zu betrachten. Ich atme tief ein, ziehe mir die Kapuze noch tiefer als ohnehin schon ins Gesicht und gehe geradewegs auf die Tür meines Gemachs zu.

Meine Beine zittern merklich, meine Hände ebenso und meine Lunge lässt mehr Sauerstoff aus meinem Körper heraus als sie aufnimmt, aber ich bleibe nicht stehen. Ich lege die Hand auf den Türknauf und bevor ich meinem Körper erneut die Chance geben kann zu zögern und mich mit Gedanken zu durchfluten, öffne ich die Tür.

Sofort schlägt mir frische Luft entgegen, kühl im Vergleich zu dem stickigen Raum, in dem ich seit heute morgen hocke, aber nicht kalt. Mein Körper entspannt sich ein wenig, was wahrscheinlich daran liegt das ihm diese Temperatur bekannter ist als Wärme.

Ich schließe die Tür hinter mir und möchte gerade in Richtung des Südtores als mir etwas oder viel mehr jemand auffällt, der neben der Tür auf dem kalten Boden hockt. Er hat den Kopf gehoben und sieht mir direkt in die Augen. Müdigkeit zeichnet sich in seinem Gesicht ab, Erschöpfung und irgendwie auch Angst, die mich an meinen eigenen Blick im Spiegel erinnert.

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