♕ 21 • Kontrolle ♛

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Taehyung

Ich zucke zusammen als ich durch die Schneeflocke, die nicht auf irgendeinem Gegenstand sondern auf der Haut eines Menschen landet, die Präsenz von jemand anderen mitbekomme. 

Der König glaubt, dass meine Fähigkeit sich auf das herstellen von Eis beschränkt, etwas was nach nur kurzem nachdenken langweilig und nutzlos klingt, aber dahinter steckt so viel mehr. Ich habe dem Prinzen schon einmal demonstriert was passiert, wenn man mich unterschätzt, ich habe ihm auch oft genug klar gemacht, dass ich nicht an Gesellschaft interessiert bin und doch ist er schon wieder hier. 

Obwohl so viele Menschen mich für ein Monster halten, habe ich noch nie jemandem, außer meinem Bruder damals als wir Kinder waren, etwas angetan. Ich könnte niemals daran denken jemanden mit dem, was ich habe und was ich bin zu verletzen und dennoch glauben viele, dass alleine meine bloße Existenz eine Gefahr für sie darstellt.

Ich möchte nicht von ihnen gefürchtet werden, ihre Angst bringt mir nichts, alles was sie mir bisher gebracht hat ist Einsamkeit. Mein ganzes Leben seit dem Vorfall mit meinem Bruder habe ich mich selbst für all das bemitleidet, aber seit ich den Prinzen getroffen habe, muss ich zugeben das Einsame Zeiten zu einer Seltenheit geworden sind. Ich weiß immer noch nicht was ich von ihm halten soll, man kann sogar durchaus sagen, dass das was ich für ihn empfinde nur knapp an Verachtung vorbei geht, aber irgendwie erfüllt mich seine Anwesenheit auch mit einer Wärme, die für jemanden, der nur Kälte kennt, ungewohnt ist.

"Was suchst du hier?", frage ich als er aus dem Schatten hervor tritt und die hellen Strahlen des vollen Mondes sein Gesicht erleuchten. Er war bereits einmal hier während ich es habe schneien lassen, damals hat er sich aber nicht bemerkbar gemacht. Er hat sich im Schatten versteckt und erst die Schneeflocke, die auf seiner Hand gelandet ist, hat mich ihn bemerken lassen. Er scheint daraus gelernt zu haben, dieses mal setzt er auf Konfrontation statt auf sein Versteckspiel.  

Ich erinnere mich noch genau an das Glänzen in seinen Augen mit dem er den Schnee angestarrt hat. Es war ein verträumter Blick, den ich so noch nie bei einem Erwachsenen gesehen habe. Kinder machen große Augen, wenn ihnen etwas neues begegnet, weil sie die Welt gerade erst kennenlernen, eine für sie neue und unbekannte Welt, aber er sah genauso aus. Da war keine Furcht in seinem Blick, wie bei jedem anderen der mir begegnet. Als er mich ansah, war da Faszination und Bewunderung, aber komischerweise ist es genau das, was mich so verwirrt.

Wenn man sein ganzes Leben nichts als Verachtung und Angst entgegengebracht bekommen hat, gewöhnt man sich irgendwann daran. Es wird normal für einen nicht angesehen zu werden, es wird normal das die anderen den Blick stets gesenkt haben und einen gewissen Abstand einhalten. Mit jedem Jahr das verging, wurde es normaler, aber gewöhnt habe ich mich niemals daran. Es verletzt mich heute noch genau so sehr wie es das vor sechzehn Jahren tat, als ich das erste mal ohne Erlaubnis mein Gemach verließ.

Aber er ist anders.

Genau sowie Joohyun und sein Vater sieht er mir seit dem ersten Treffen direkt in die Augen und statt Angst vor mir zu haben, betrachtet er mich wie ein Kunstwerk, wie eine rarität, die bewundert und nicht gefürchtet werden muss, aber im Gegensatz zu Joohyun und seinem Vater ist da auch noch etwas anderes in seinem Blick, das ich nicht richtig bestimmen kann.

Er versucht einen Fuß auf das Eis zu setzen, aber bereits nach dem ersten Schritt droht er das Gleichgewicht zu verlieren und abzurutschen, also zieht er sich wieder zurück und bleibt auf dem steinernen Boden des Schlosses stehen statt auf den vereisten des Hofes zu treten. Ich kann ihm den Versuch nicht verübeln, selbst wenn ich nicht derjenige gewesen wäre, der das hier geschaffen hat, wäre ich in Versuchung gewesen diese mir unbekannte Welt zu betreten. 

Ich trete einen Schritt näher an ihn heran als er mir selbst nach längerer Zeit nicht antwortet, aber selbst dann regt er sich kein Stück. Er bleibt an Ort und Stelle stehen, der Schnee verfängt sich in seinen Braunen Haaren, in seiner Jacke aus Brokat und den Wimpern, die seine tiefbraunen Augen umrahmen. Er steht einfach nur da, so schön wie noch kein Mensch im Winter ausgesehen hat und sieht mich an.

Obwohl mir ohnehin nie kalt wird, egal wie tief die Temperaturen fallen und in wie viel Eis ich eingehüllt bin, wird mir plötzlich noch wärmer. Ich kann mich nicht daran erinnern wann ich das letzte mal ein solches Gefühl verspürt habe, wahrscheinlich weil es noch nie vorkam, aber was auch immer es ist, es sorgt dafür das sich mein Körper wie von alleine über das Eis auf ihn zu bewegt. 

Meine Beine fühlen sich wie immer, wenn ich auf dem Eis laufe, leicht an, aber dafür wiegt etwas in meiner Brust so schwer wie ein Anker im Wasser. 

Ich habe es stets gehasst ohne Kapuze im freien herum zu laufen, meine silbernen Haare und die Goldenen Augen haben mir nur die Blicke der anderen beschert und die wiederum haben mich stets daran erinnert, wie anders ich bin. Manchmal habe ich mir gewünscht, ich hätte Sungjae damals nicht davon abgehalten meine Augen zu verletzen, vielleicht hätten die Menschen dann weniger Angst vor mir, aber gerade schäme ich mich weder dafür, noch für mein Haar. 

Noch nie hat mich ein Mensch so angesehen, wie er es gerade tut und noch nie waren mir die Blicke eines Menschen so lieb wie seine. 

Ich bleibe direkt vor ihm stehen und sehe hinauf in seine Augen ohne mich für irgendetwas schämen zu müssen. Die meisten Menschen haben braune Augen, aber ich konnte nie jemandem lange genug in seine sehen um zu bemerken wie schön sie sind. 

Ich zucke zusammen als er plötzlich nach meiner Hand greift. Ich war viel zu sehr von seinen Augen gefesselt um zu bemerken, dass er sich gerührt hat und gerade als ich vor seiner Berührung zurück weichen möchte, hält er mich fest und hebt meine Hand hoch. 

Meine liegt mit dem Handrücken in seiner und obwohl ich versuche mich weiterhin auf seine Augen zu konzentrieren, spielt mein ganzer Körper verrückt, weil so viele Empfindungen auf mich einprasseln. Plötzlich wird mir klar, dass der Anker in meiner Brust die ganze Zeit mein Herz war, das jetzt so schnell und so laut schlägt, dass es selbst das Geräusch meiner schnellen und unkontrollierten Atemzüge übertönt. Mir wird schwindelig und es fühlt sich an als wäre ich am Rand der Bewusstlosigkeit. Schweiß bildet sich auf meiner Stirn, mein Blick wandert nervös über sein Gesicht, bis ich das lächeln darin bemerke. 

Verwirrt folge ich seinem Blick und weiche fast vor dem zurück, was ich da sehe. Ich habe nie gelernt wie ich meine Kräfte kontrolliere, mein Vater sagte mir stets, das eine Überlastung mich selber vernichten würde, deswegen habe ich es stets auf das schneien, einfrieren von Böden und einigen kleinen Tricks wie das schaffen von Eiszapfen beschränkt, aber das ist das erste mal das ich so etwas schönes sehe von dem ich nicht einmal wusste das ich dazu in der Lage bin. 

Nur wenige Zentimeter über unseren Händen schweben die Schneeflocken, die vom Himmel fallen in der Luft und bilden einen Wirbel. Es sieht aus, als würden sie im Strom mit dem Wind tanzen und jede weitere Flocke, die dazu kommt, vergrößert ihn, bis es aussieht als würden sie einen Tanz in der Luft aufführen. 

"Das hier ist keine Waffe", sagt Jungkook und zieht meine Aufmerksamkeit damit wieder auf sich. Ich war ganz fasziniert von dem neuen, von dem was ich im Stande bin zu tun, außer den wenigen Tricks die mich nach den Worten von Vater bereits Überwindung gekostet haben, aber nichts hat mich bisher so fasziniert, wie es dieser Augenblick mit dem Prinzen tut. 

"Ihr seid keine Waffe, Prinz Taehyung. Lasst Euch nicht zu einer machen."

Begin |Vkook|Where stories live. Discover now