♕ 6 • Kein Ausweg ♛

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Taehyung

Es ist mir egal, dass meine Schritte an den Steinen der Gänge laut genug wieder hallen um selbst im Ostflügel gehört zu werden und sogar die Blicke der Bediensteten und Ritter, die mir über den Weg laufen und mich mit Angst und Verwunderung mustern könnten mir nicht unwichtiger sein, wo die Neuigkeiten, die mein Bruder mir soeben an den Kopf geworfen hat, meine ganzen Gedanken in Beschlag nehmen.

Gerade noch war ich von Stolz erfüllt, zum ersten mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, dass das, was ich bin, nicht nur ein Fluch ist, sondern in diesem Fall vielleicht sogar ein Segen. Das Vater gerade mich um Hilfe bittet kann kein Zufall sein. Wenn es eine Schlacht wäre, irgendetwas das mit dem töten zu tun hat, dann würde er Sungjae damit beauftragen, aber mich um Hilfe zu bitten bedeutet, dass er mich als verfluchtes Kind braucht. Das dachte ich zumindest.

Auch vor den Türen des Thronsaales ignoriere ich die Wachen mit ihren Speeren in der Hand, bereit mich damit zu durchbohren wenn ich eine Gefahr für den König darstellen sollte, aber obwohl ich im Moment durchaus das Verlangen habe ihm an die Gurgel zu springen, regen sie sich kein Stück als ich die Türen nach innen hin auf schwinge und meinen Blick durch den Saal wandern lasse.

Der Raum, in dem sich sonst immer so viele Menschen aufhalten, ist bis auf meinen Vater, der selbstsicher auf seinem Thron sitzt und einigen Wachen, vollkommen leer. Eigentlich sollte es mich nicht wundern, immerhin hat er mich rufen lassen um mit mir zu reden, aber es ist denoch ein fremdes Gefühl in diesem Raum zu stehen ohne die stimmen von dutzenden Menschen zu hören und mir einen Weg zwischen ihren Körpern hindurch bahnen zu müssen.

Er schenkt mir ein Lächeln, so herzlich wie er es eben hin bekommt, aber dieses verschwindet sogleich auch wieder als er mich genauer betrachtet. Meine Stirn liegt in Falten, der Kiefer ist angespannt und die Augenbrauen zusammen gezogen, die Wut die ich empfinde sollte ihm praktisch ins Gesicht springen, aber er scheint etwas ganz anderes bemerkt zu haben.

"Wieso hast du deine Kapuze nicht auf?", fragt er und sieht kurz zu meinen Händen hinunter, die ich in den Stoff des Umhangs gekrallt habe um mich selber davor zu bewahren die Kontrolle zu verlieren.

Er ist besorgt, aber auch in seiner Stimme bebt die Wut über die Art meines auftauchens. In jedem anderen Fall würde ich jetzt wohl den Mut verlieren, spätestens jetzt würde ich mich wieder vor ihm klein machen und ihm Willenlos gehorchen, aber nicht in diesem Fall. In diesem Fall macht es mich nur noch wütender.

"Ist es wichtig das ich sie trage, weil man mich sonst angreifen und töten könnte?", frage ich verächtlich und sehe wie die Fassungslosigkeit ihn für eine Weile lähmt. Ich sollte aufhören solange ich mich noch entschuldigen und meine Worte zurück nehmen kann, aber das kann ich nicht. Die Worte verlassen wie ein Fluss meinen Mund. "Wenn es nach dir geht, bin ich doch sowieso bald Tod, nicht wahr?"

"Wovon redest du?", schreit er fassungslos und winkt die wenigen Wachen im Raum auch noch hinaus.

"Wovon ich rede? Ich rede vom Süden, in den du mich schicken möchtest!"

Jetzt sieht man ganz genau, dass der Prozess des Verstehens bei ihm einsetzt. Bis eben war er verwirrt über meinen Auftritt und meine Wut, immerhin ist es das erste mal das ich ihm gegenüber die Stimme erhebe, aber jetzt scheint er zu begreifen worauf ich hinaus will, die Verwirrung verschwindet allerdings nicht. Er fragt sich sicher, woher ich von seinen Plänen weiß, aber diese Frage spricht er nicht laut aus. Stattdessen tritt er einen Schritt nach vorne und verschränkt die Hände ineinander.

"So ist es. Was spricht dagegen?", fragt er als wüsste er es tatsächlich nicht. Jetzt bin ich es, der ihn Fassungslos ansieht. Er ist nach wie vor wütend, anders könnte es nicht sein, nach dem Auftritt den ich mir eben erlaubt habe, aber er versteckt die Wut hinter seiner Fassade der Ernsthaftigkeit. Er versucht mir gerade tatsächlich vor zu machen, dass er nicht wüsste was im Süden auf mich wartet.

In acht von neun Ländern dieses Kontinents werden Hexen, Seher und verlorene Kinder gejagt, aber in keinem ist diese Jagd und der Hass so schlimm wie es das im Süden ist, in Skravis. Mein Vater schickt mich in eben dieses Land, in dem ich noch viel mehr Ablehnung und Gewalt zu erwarten habe als hier. Er schickt mich dorthin um ein Bündnis zu stärken, mit dem Wissen, dass es für mich nicht gut ausgehen wird.

Meine Gesichtszüge entspannen sich, ich sehe ihn nicht länger voller Wut an, sondern kann meine Verzweiflung nicht länger verstecken. Überleben war nie meine stärke, das hat Vater stets für mich erledigt. In einem mir fremden und nicht nur wegen meines Namens sondern auch für das was ich bin verfeindeten Land kann ich alleine nicht überstehen. "Ich werde sterben, Vater. Das ist kein Bündnis, für das du mich brauchst, du opferst mich."

Ich habe viele Geschichten über den Süden gehört und keine davon war gut. Vielleicht liegt es daran, dass sie unsere Feinde sind und über Feinde werden nie gute Geschichten erzählt, aber ich habe nicht das verlangen heraus zu finden wie weit diese der Wahrheit entsprechen.

Alles worauf ich hoffen kann ist die Menschlichkeit meines Vaters, seine Liebe, die mich bis jetzt am Leben erhalten hat, aber als er den Kopf schüttelt, wird mir bewusst das selbst die mir nicht mehr sicher ist.

"Du hast es selber gesagt, Taehyung. Diesem Land hast du dein Leben zu verdanken, du solltest auch bereit sein dieses Leben für das Land zu geben."

"Vater...-" Ich komme nicht dazu meiner Fassungslosigkeit weiter Ausdruck zu verleihen, denn seine Hand, die er hebt um mich zum schweigen zu bringen, schneidet mir das Wort ab.

"Ich gebe dir eine Wahl." Er tritt wieder zurück, ohne mich aus den Augen zu lassen und setzt sich zurück auf seinen Thron. "Du kannst deine Pflicht tun und in den Süden reisen um die Prinzessin von Skravis zu heiraten, oder du bleibst hier, vernichtest damit die Chance auf ein Bündnis und stellst dich den Konsequenzen, die deine Feigheit nach sich ziehen wird."

Sein Ausdruck ist vollkommen Emotionslos und wüsste ich es nicht besser, würde ich tatsächlich glauben das er in dieser Angelegenheit unparteiisch ist, das er meine Wahl akzeptieren und mich nicht dafür verabscheuen wird, aber so ist es leider nicht. Ich weiß, was er von mir erwartet, ich weiß es und dennoch erwische ich mich dabei wie ich darüber nachdenke.

"Entscheide dich, Taehyung", sagt er und lehnt sich in seinem Thron zurück, den Blick erhoben. "Wählst du das Bündnis, oder den Krieg?"

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