♕ 14 • Sterne, die vom Himmel fallen ♛

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Jungkook

Sollte ein Bruder nicht in der Lage sein sich für seine Schwester zu freuen? Ich habe Vater dafür gehasst, dass er sie erneut in eine Hochzeit drängt, die sie nicht will und zu der sie vor allem nach dem relativ frischen Tod ihres Ehemannes noch nicht in der Lage ist.

Sein Argument, dass sie bereits 26 ist, verstehe ist, aber das heißt nicht das ich seine Entscheidung an sich akzeptiere. Ganz gleich wie Alt ein Mensch ist, ganz gleich welchem Stand er angehört, er sollte selber entscheiden dürfen wen er heiratet, er sollte selber die Chance bekommen zu lieben.

Was mich angeht, ich habe mich bereits seit ich ein Kind bin mit dem Gedanken arrangiert jemanden zu heiraten, den Vater für mich aussucht. In meiner Position als Kronprinz heißt es entweder man akzeptiert die Pflichten, die man zu erfüllen hat oder man wehrt sich dagegen und verschwendet Kraft, die sowieso nichts gegen die von Vater ausrichten kann. Er hat seine Pläne für jeden von uns, die könnten nicht einmal die Götter selber ihm ausreden wenn sie vor ihm stehen würden.

In dieser Situation hat meine Schwester es geschafft all dem etwas positives abzugewinnen, sie glaubt wirklich das der Prinz ein guter Mensch ist, den sie Lieben könnte. Das ist mehr als ich mir jemals für sie erhofft habe, wieso also kann ich mich nicht für sie freuen? Wieso also fühlt sich mein Herz so schwer an?

Ich atme tief durch, schließe kurz die Augen und möchte die Tür zu meinem Gemach, an dem ich gerade angekommen bin, aufstoßen als es um mich herum plötzlich erschreckend kalt wird. Vorhin noch haben meine Schwester und ich das Licht der Sonne und ihre Wärme auf unserem Gesicht genossen und jetzt plötzlich soll mit der Dunkelheit auch die Kälte gekommen sein?

Meine Hand findet automatisch ihren Weg zu dem Knauf meines Schwertes als urplötzlich auch noch das Feuer aller Fackeln in meinem Gang erlöscht. Ich ziehe das Schwert, umklammere es mit beiden Händen und sehe mich nach jemandem um, aber ich erkenne recht schnell, dass hier niemand ist der alle Feuer auf einmal gelöscht haben könnte, auch wenn meine Augen eine Weile brauchen bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnen.

Verwirrt suche ich weiterhin die Gegend nach jemandem ab, obwohl mir klar ist wie unmöglich das eigentlich sein kann. Im Gang befinden sich sechs Fackeln, die erst vor kurzem angezündet wurden, es dauert immer eine ganze Weile bis das geschafft ist, weswegen mehrere Bedienstete im ganzen Schloss daran arbeiten. Es ist unmöglich für einen Menschen alle auf einmal zu löschen und dann auch noch zu verschwinden, sodass ich ihn nicht sehe.

Gerade als ich glaube verrückt geworden zu sein, sehe ich vor mir wie weiße, winzig kleine, fremd aussehende Flocken vom Himmel fallen, die verschwinden sobald sie zum Beispiel auf dem Stein des Geländers vor mir aufkommen. Noch verwirrter als ich es ohnehin bereits war schiebe ich das Schwert zurück in die Scheide als ich keine Gefahr davon ausgehen vermute und trete vorsichtig nach vorne, nicht fähig zu glauben was ich da sehe.

Mit offenem Mund starre ich nach oben in den Himmel, von dem tatsächlich innerhalb von wenigen Sekunden der Schnee unaufhörlich angefangen hat zu fallen. Er wird stärker, die Temperaturen kälter, bis der Schnee auf dem Stein liegen bleibt ohne zu schmelzen. Fasziniert starre ich in den Himmel, beobachte wie die weißen Flocken fallen wie Sterne, die jemand vom Himmel gerissen hat.

Wir haben Sommer in Skravis, hochsommer um genau zu sein, die Temperaturen sollten so hoch sein, dass man sich den Winter herbei wünscht, dabei ist er bereits da und wenn das bereits kein Grund ist sich über all das hier zu wundern, dann sollte es das vielleicht die Tatsache sein, dass es das letzte mal vor genau 102 Jahren hier unten im Süden geschneit hat.

Wir kennen den Winter mit seinen milden Temperaturen, kennen auch die kälte, die er mit sich bringt, aber von dem weißen Eis, das vom Himmel fällt haben wir nur in Büchern was gelesen. Keiner von uns hat es jemals mit eigenen Augen gesehen, es war viel mehr ein Märchen, das man den Kindern erzählte, wie die Hexe uns die Geschichte von der Sonne erzählte, die sich einsam fühlte und dem Mond, der sie aus diesem Zustand befreite und ihr die Liebe zeigte.

Das komischste an dem ganzen ist aber, dass es nur hier im Hof schneit. Wenn ich weiter in die Ferne sehe, über die Mauern hinweg, dann erkenne ich nichts, keinen Schnee und als ich nach unten blicke, erkenne ich auch warum.

Das hier ist kein Wunder von den Göttern oder sonst irgendwelchen Wesen, die der Fantasie von uns Menschen entsprungen sind, es ist etwas geschaffen von jemandem der sich hier befindet, von jemandem mit einem Fluch. Es ist tatsächlich ein Wunder, ein atemberaubendes Wunder, da würde mir jeder Mensch in Skravis zustimmen, aber es ist eines das er macht, eines das er mit seinen Fähigkeiten schafft.

Etwas weiter von ihm entfernt, in dem untersten Gang im Schatten der Dunkelheit erkenne ich zwei bewusstlose Wachen auf dem Boden liegen, wahrscheinlich auch sein tun, aber nicht etwa weil er etwas schlechtes geplant hat, sondern wahrscheinlich weil er nach all den Tagen, die er bereits von ihnen verfolgt wird, alleine sein wollte, alleine in diesem Moment. Er wollte alleine mit diesem Gefühl sein und ich verstehe auch warum.

Es ist das erste mal, dass ich ihn so ausgelassen sehe. Man könnte nun argumentieren, dass ich ihn überhaupt erst zwei Male gesehen habe, aber manchmal reicht das um sich einen Eindruck über einen Menschen zu machen und meiner von ihm war wahrlich kein guter. Er wirkte kalt, so kalt wie es der Schnee ist, der vom Himmel fällt.

Die offensichtliche Zuneigung meiner Schwester hat er mit keinem Mal erwidert, obwohl er auch nie unhöflich war. Er hat bisher kein einziges mal gelächelt, wirkte immer recht angespannt und ihm stand praktisch ins Gesicht geschrieben wie sehr er dieses Land und seine Menschen hasst. Wir sind Feinde, das weiß jeder der beteiligten, aber er versucht diese Tatsache nicht einmal zu überspielen sowie es jeder andere tut. Er zeigt uns offen seine Abneigung.

Umso erstaunlicher das ich ihn in eben diesem Land so ausgelassen, so glücklich sehen kann. Er hat nichts weiter als eine braune Baumwollhose und ein weißes, lockeres Hemd an, das auch noch gänzlich aufgeschnürt ist. Seine vorhin beim Abendessen noch ordentlich gekämmten Haare sind jetzt Nass von dem geschmolzenen Schnee, seine Schuhe stehen bei den Wachen. Er läuft vollkommen Barfuß auf dem von ihm vereisten Boden.

Es sieht wunderschön aus, die glatte, in einem hellen Blau glänzende Unterfläche aus Eis und er, wie er sich elegant darauf bewegt. Von kälte scheint bei ihm nichts zu spüren zu sein, er wirkt zum ersten Mal wirklich befreit, wirklich ausgelassen und das färbt auf mich ab. Ich kann nicht anders als ihn so anzustarren, wie ich es bei unserem ersten Treffen tat, voller Faszination und Ungläubigkeit gegenüber der Tatsache das so jemand existieren kann.

Wir sind so weit voneinander entfernt, ich bin hier oben in der zweiten Etage während er sich dort unten im Hof unbeobachtet fühlt, er ist praktisch unerreichbar für mich. Dennoch strecke ich meine Hand aus irgendeinem Grund nach ihm aus, als könnte ich ihn berühren, trotz der Entfernung, sowie es der Mond bei der Sonne hofft, aber alles was ich spüre ist eine Schneeflocke, die in der Innenfläche meiner Hand landet.

Ich werde aus der Trance gerissen, in der ich mich bis eben befunden habe, als der Schnee und das Eis unter seinen Füßen anfängt zu schmelzen und er zu mir herum wirbelt. Seine Haare fallen ihm Nass in die Stirn, seine Augen sind vor Überraschung weit aufgerissen als er mich ansieht, aber diese verwandelt sich recht Schnell in Wut als er seinen Kiefer anspannt und mir weiterhin direkt in die Augen sieht.

Alles, was er bis eben erschaffen hatte, das Eis unter seinen Füßen, die weißen Flocken, die vom Himmel fielen und der wunderschöne Schnee überall, das verwandelt sich in Wasser das in alle Richtungen schwappt und nichts mehr übrig lässt von der eben da gewesenen Schönheit.

Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit, die er mir einfach nur in die Augen sieht, bis er sich irgendwann Stumm weg dreht und in der Dunkelheit der Gänge verschwindet. Ich starre ihm hinterher, nicht fähig wirklich zu begreifen was soeben passiert ist und ziehe meine Hand zurück. Mit dem Daumen fahre ich über die Stelle auf der eben noch die Schneeflocke gelandet ist und wo jetzt nur noch ein Tropfen Wasser übrig ist.

Begin |Vkook|Where stories live. Discover now