♕ 20 • Gnade♛

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Jungkook

Meine Schritte werden langsamer als ich sie auf dem Boden hocken sehe, viel zu sehr vertieft in das was sie tut um mein auftauchen zu bemerken. Das hier ist ihr Ort, erbaut für sie als sie noch klein war auf den Befehl meiner Mutter hin. Joohyun war ihr Lieblingskind, das ist ein Fakt und man kann es ihr auch wahrlich nicht verübeln. Die beiden waren wie beste Freundinnen und das obwohl meine Schwester noch so jung war. Sie konnten sich alles erzählen, Joohyun verstand sogar etwas von Angelegenheiten, die die meisten erst begriffen wenn sie das Erwachsenenalter erreicht hatten. 

Es macht mich nicht eifersüchtig oder wütend zu wissen, dass meine Mutter Joohyun stets mehr geliebt hat als mich, dafür weiß ich viel zu gut was die beiden alles durchmachen mussten. Mein Vater hat meine Mutter zwar geliebt, aber es war keine Ehe, die sie wollte. Sie hatte das gleiche Schicksal wie das, das ihre Tochter dann später mit ihr teilen musste, eine Ehe, in die sie nie eingewilligt hatte, nur um ihrer Familie das zu geben, was sie brauchten - Macht. 

Anders als ich, der alles was er brauchte von Fremden Menschen in den Schoß gelegt bekommen hat, mussten sie ihre Verlangen schweigend hinten anstellen. Ihre Pflicht war es die Familie und das Land zu stärken, für ihre Wünsche gab es da keinen Platz. Ich war ihr erster Sohn, das Kind, das mein Vater stets wollte, weil ich die Linie weiter führen würde und ich weiß, dass sie mich geliebt hat, das sie alles für mich getan hätte, aber es war nicht die gleiche Liebe, die sie Joohyun gegenüber zeigte. Meine Schwester war alles für sie und für meine Schwester war meine Mutter eine Zeit lang alles. Sie fanden Stärke ineinander.

Sie war noch ein Säugling, als der Bau dieses Ortes begann. Wir hatten zwar bereits einen Hof, auf dem wir spielen konnten, aber meine Mutter wollte etwas, was einem Paradies gleicht. Für ihre Tochter, die so viel grausames in dieser Welt ertragen müssen wird, sollte es einen Ort geben, an den sie sich immer zurück ziehen und Kraft tanken könnte. Sie sollte sich hier stets daran erinnern, dass dieses Land nur eines von vielen auf der Welt ist und das es nicht überall so grausam ist. Sie sollte wissen, dass sie anderswo keine Prinzessin war, keine Pflichten hatte und das sie weglaufen könnte um einen Ort zu finden wie diesen hier.

Der große Baum, der an der Seite neben dem Fluss steht und dessen weiß-rosa Blüten der sanfte Wind durch die Luft bewegt als wären sie Tänzer in der Luft, ist wohl eines der schönsten Dinge, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Als Kinder nahm sie uns beide häufig hierher, wenn ihr alles zu viel wurde. Mutter sagte, dass dieser Ort sie beruhigte, dass er sie für einen Moment tatsächlich vergessen ließ, wie grässlich das Leben so häufig ist und tatsächlich wirkt hier alles so Realitätsfremd, dass ich verstehen kann was sie meinte. Wohin könnte man sich besser vor der Realität hin flüchten als in einen Traum? Denn genau so scheint hier alles. 

Ich gehe einen weiteren Schritt auf Joohyun zu, die vor dem großen Stein hockt und ihre Ellbogen darauf abgestützt hat, aber dieses mal scheine ich nicht unbemerkt zu bleiben. Sie hebt den Kopf, den sie bis eben gesunken hatte und lässt die Arme neben ihren Körper sinken, deren Hände sie bis eben noch ineinander verschränkt hatte. Sie sieht mich an, ein wenig überrascht mich hier zu sehen, aber keineswegs wütend über mein unangekündigtes auftauchen. 

"Entschuldige", sage ich und streiche mir mit der Hand die Haare aus dem Gesicht. "Ich habe gerade Taehyung aus dieser Richtung kommen sehen. Habt ihr gemeinsam gebetet?" Ich nicke in die Richtung des Steines und sie folgt kurz meinem Blick bevor sie sich wieder zu mir dreht und langsam aufsteht. 

Dieser Stein ist ein heiliges Zeichen in ihrer Religion. Auf ihm sind alle vier Elemente abgebildet, es ist der Ort hier im Schloss an dem man den Göttern am nächsten ist, sagt Joohyun. Früher nutzten diese nämlich einen Kreis aus neun Steinen um in die Welt der Menschen zu gelangen und wieder zurück. Irgendwann zerstörten diese Menschen die Steine um zu verhindern, dass die Götter ihnen zur Gefahr werden könnten, aber für die, die trotzdem noch an sie glauben, sind Steine von wichtiger Bedeutung. Sie hoffen damit mit ihnen verbunden zu werden. 

Begin |Vkook|Where stories live. Discover now