♕53 • Eine bessere Welt ♛

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Taehyung

Ich reiße die Augen auf, rolle mich panisch zur Seite und falle dabei von dem hohen Bett auf den Boden. Mir wird kurz schwindelig, während meine Augen versuchen sich an das Licht zu gewöhnen und ich spüre das vibrieren in meinem Hals von dem Schrei, den ich ohne es selbst groß zu bemerke, von mir gegeben habe.

Meine Beine zittern, obwohl ich nicht friere, es ist viel mehr die Angst, die nach wie vor wie ein dunkler Nebel durch meine Knochen kriecht. Mein Herz schlägt so laut, dass ich es in meinem Kopf höre und so schnell, das es sich anfühlt als würde es mir aus der Brust springen wollen.

Ich öffne den Mund um nicht mehr nur durch die Nase atmen zu müssen, denn es fühlt sich an als würde viel zu wenig Luft in meine Lungen dringen. Für eine kurze Zeit schließe ich die Augen, kehre an den dunklen Ort zurück und sehe sein Gesicht vor mir. Es war definitiv Jungkook, den ich auf dem Thron sitzen sah und auch wenn ich weiß, dass es einen deutlichen Unterschied zwischen Träumen und Realität gibt, kann ich die Angst nicht bekämpfen, die mich mit jeder Sekunde mehr und mehr einnimmt. Ich weiß, dass es nichts ist worüber ich mir Sorgen machen sollte, aber das alles kann kein Zufall sein.

In Illiora sah ich meine tote Familie im Thronsaal, ein Zeichen dafür, dass ich nach Skravis muss um das Bündnis einzugehen und einen Krieg zu verhindern, der genau das zur Folge haben könnte. Dann war da dieses Mal die Hexe, die sagte ich würde sie befreien und das kann nur geschehen, wenn ich mit Jungkook fliehe und wenn ich das tue, geschieht vielleicht das, was ich im Thronsall sah.

Meine Entscheidung mit Jungkook ein neues Leben zu beginnen betrifft nicht mehr nur mich und ihn. Wenn es stimmt, dass diese Träume Warnungen sind, die ich aus irgendeinem Grund bekomme, dann wird diese Entscheidung mich wahrscheinlich zerfressen. Wenn ich gehe, stirbt Jungkook vielleicht und wenn ich es nicht tue, werde ich nie erfahren, ob ich diese Hexe hätte retten können.

Ich reiße die Augen auf, als ich einen lauten Knall höre. Mein Körper reagiert noch bevor mein Verstand begriffen hat, was hier gerade vor sich geht. Ich hebe die Hand und ehe ich mich versehe, schießen fünf Eiszapfen aus meiner Hand. Sie sind so schnell, dass sie für einen kurzen Moment nicht sichtbar sind, bevor ich sie genau vor Baekhyuns Gesicht halten lasse.

Er bleibt stehen und wirft einen kurzen Blick auf die Eiszapfen, die nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt in der Luft herum schweben, bevor er mich an sieht. Die Wachen, die hinter ihm ins Gemach gestürmt sind, ziehen sich langsam zurück, ohne mir den Rücken zuzukehren und mit erhobenen Schwertern, als fürchten sie ich könnte ihnen etwas antun.

Ich erstarre für einen Moment und denke darüber nach, was soeben geschehen ist. Ich habe vor lauter Angst meinen Verstand verloren, es ist nicht die Schuld der Männer, dass sie sich vor mir fürchten, es ist meine. Kaum bin ich aufgewacht, habe ich geschrien und als sie hinein kamen um zu sehen, ob ich in Gefahr bin, schoss ich mit Eiszapfen nach ihnen. Es ist nicht ihre Schuld, jedes Wesen wäre in ihrer Lage geflohen. Nur Baekhyun nicht.

Verzweifelt wandert mein Blick zu ihm und ich beginne zu realisieren, das ich mich nicht länger in dem Traum befinde. Wenn ich zwinkere, sehe ich nicht mehr Jungkooks lebloses Gesicht vor mir aufblitzen und mein Handgelenk, die Stelle, nach der er gegriffen hat, brennt nicht mehr. Ich bin nicht länger gefangen in meinem eigenen Kopf.

Langsam lasse ich die Hand sinken und die Eiszapfen folgen meiner bewegung, bis sie auf dem Boden zu Pfützen werden. Baekhyun sieht mich eine Weile nur an, ohne etwas darauf schließen zu lassen, was er gerade denkt und gerade als ich glaube, er ist zu enttäuscht von mir, um ein Wort zu sagen, kommt er mit schnellen Schritten auf mich zu. Meine Augen haben sich unbemerkt mit Tränen gefüllt und als er vor mir in die hocke geht und mich wortlos in den Arm nimmt, kann ich sie nicht länger zurück halten.

Ohne irgendeinen Gedanken an Zweifel zu verschwenden oder mir Gründe dafür einfallen zu lassen, warum ich diese Geste der Güte nicht annehmen sollte, schlinge ich meine Arme um ihn und vergrabe mein Gesicht an seiner Schulter. Plötzlich ist es mir unwichtig, dass die Tür offen steht und Neugierige Blicke und Ohren praktisch auf sich zieht und es ist mir egal, das jemand meine Schwäche sieht, weil es der Mann ist, der mich bis jetzt in jedem meiner schwächsten Momente gesehen hat.

„Ich hätte dich beinahe umgebracht", schluchze ich und kralle mich noch fester an das Leder seiner Kleidung. Im Gegensatz zu Illiora, wo selbst die Wachen Rüstungen tragen, tun es hier nur die Soldaten. Die Wachen hingegen tragen Obenrum Leder und untenrum eine simple schwarze Stoffhose, ohne jeglichen Schutz für den Körper. Selbst wenn ich nicht auf seinen Kopf gezielt hätte, hätte ich ihn töten können. "Es tut mir leid, es tut mir so leid", sage ich wimmernd und schließe die Augen um den Gedanken an seinen Tod zu vertreiben, aber kaum tue ich das, umhüllt mich die Dunkelheit.

Ich reiße sofort wieder die Augen auf und atme aus, erleichtert über das Licht, das den Raum erhellt. „Ihr braucht Euch nicht um mich zu Sorgen. Ich habe Euch die Treue geschworen, weil ich an Euch glaube und ich bin jederzeit bereit für Euch zu sterben, nur glaube ich nicht eine Sekunde, dass das durch Eure Hand geschehen könnte."

„Wieso bist du dir da so sicher?" Ich blinzle ins helle Licht hinein und erinnere mich für einen kurzen Augenblick an die Tage zurück, als meine Familie noch meine Familie war. Ich erinnere mich an die Tage, die wir im Hof verbrachten, während die Männer den Tempel umbauten, der damals noch viel kleiner war als er es heute ist. Ich erinnere mich an die Wärme meiner Mutter, an ihre Liebe wenn sie um mich fürchtete und an die liebevollen Worte die sie mir Abends zutrug.

Aber die Erinnerung verweilt nur kurz, das Licht vor meinen Augen wird überzogen von einem Schatten, genau wie das Leben von damals. All diese Liebe, die ich damals entgegen bekomen habe, fühlt sich an wie einer der Träume, die mich plagen, aber wenn es ein Traum wäre, wäre es der schlimmste von allen. Jedes Mal wenn ich es vor mir sehe, nur um im nächsten Moment wieder in der Gegenwart anzukommen, spüre ich wie ein Stück Hoffnung schwindet.

Vorsichtig löst sich Baekhyun aus meiner Umklammerung um mir ins Gesicht sehen zu können bevor er auf meine Frage antwortet. „Ich bin vielen Königen begegnet, Königinnen, Prinzen und Prinzessinen, Lords und Ladies, ich erinnere mich nicht einmal an alle Ihre Gesichter, aber ich habe noch nie jemanden getroffen, der eine solche Vorstellung von Gerechtigkeit hat. Ihr wollt kein Prinz oder gar ein König sein, Ihr träumt nur von einer gerechteren Welt, sowie ich es tue. Ich erwarte nicht von Euch, dass ihr diese Welt für mich schafft, aber ich möchte bei Euch sein und wenigstens von ihr träumen dürfen."

Er sieht mir in die Augen, ohne den Blick auch nur für eine Sekunde abzuwenden und ich erkenne, dass er all das, was er sagt auch wirklich so meint. Es ist nicht irgendetwas, was der Widerstand oder sonst irgendwer ihm eigeredet hat, es ist seine eigene Überzeugung. Er ist nicht hier um mich mit Vorsehungen und Prophezeiungen zu etwas drängen zu wollen, woran ich selber nicht glaube. Er ist hier, weil er hier sein möchte.

Ich versuche das Lächeln zu unterdrücken, das von meinen Lippen Besitz ergreift, aber es breitet sich aus und ich kann es nicht aufhalten, sodass ich dem einfach freien lauf lasse. Er nickt, als hätte er gewusst, das auch eine andere Seite in mir steckt, die ich nicht sofort offenbare. Es ist die Hoffnung, die Freude, Liebe. Ich verstecke sie, weil sie im Gegensatz zu Gefühlen wie Wut oder Hass mehr über deine Schwächen preis geben, ja sogar mehr als die Angst. Er sieht mich einfach nur an bevor er leise schluchzt und das lächeln erwidert.

„Vielleicht kommt irgendwann jemand, vielleicht erleben wir noch wie jemand diese Welt zu einer besseren verändert", sage ich, strecke die Hand nach seiner aus und lehne mich mit dem Rücken an das Bett. Ich starre an die Decke und kann nicht aufhören bei diesem Gedanken zu lächeln. Baekhyun erwidert den Druck meiner Hand und lehnt sich neben mich an das Bett.

„Das wird jemand."




















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Ich veröffentliche die Kapitel immer so spät Abends, aber irgendwie bin ich da am aktivsten 🤷🏻‍♀️

Auf jeden Fall ist das schon das zweite Kapitel in zwei Tagen, hier kommt ein bisschen Tempo rein, denn wie die Frau im letzten Kapitel sagte:

Die Reise beginnt in kürze

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