3 | Alkoholische Freiheiten

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Ich war der erste, der Alkohol mit zur Schule brachte und Federico der erste, der mich abschätzig dafür ansah. Der erste und einzige, denn im Grunde wollten die Wichser alle so cool sein wie ich. Oder wenigstens einen Schluck abhaben.

Blechern dröhnte die Musik aus dem Lautsprecher von Maxims altem Handy, als wir es uns in der Freistunde in der letzten Reihe bequem gemacht hatten. Federico saß neben Aykan und laberte ihn mit irgendwelchem Müll über das Universum zu. Der schien sich auch noch ernsthaft dafür zu interessieren.

Gelangweilt spielte ich mit dem Klappmesser herum, das ich mir ein paar Wochen zuvor besorgt hatte und seither stets bei mir trug.

»Is' doch scheiße hier«, warf ich in die Runde, ehe ich das Messer in meiner Hosentasche verschwinden ließ.

Maxim, der zu den Lyrics des Songs mitrappte, hielt jetzt in seinen wild herumfuchtelnden Bewegungen inne. »Immer noch besser als Unterricht, nich'?«, meinte er.

»Sei doch froh, ey, sonst müssten wir uns das Gelaber vom Droessel geben.« Samu runzelte die Stirn. Der Bluterguss an seinem Auge war mittlerweile verheilt, doch neue Verletzungen waren dazugekommen. Er sprach nie darüber und wir fragten nicht danach.

Ich verdrehte die Augen und stand auf, um zu meinem Platz in der ersten Reihe zu gehen, an den mich die Schlampe einer Klassenlehrerin zwangsversetzt hatte. Unter dem Blick von ein paar tratschenden Mädels schnappte ich mir meinen Rucksack und zog zurück bei den anderen eine Flasche Rum daraus hervor.

»Wir sollten saufen.« Ich ließ den Rucksack auf den Boden fallen und schubste Samus Beine in der hässlichen Trainingshose grob zur Seite. Fluchend ließ der sich auf seinen Stuhl rutschen, während ich mich mit der Schnapsflasche in der Hand auf den Tisch setzte, der über und über mit Kritzeleien beschmiert war. Die ein oder andere stammte sicher von uns.

»Mann, wie nice is' das denn?«, grinste Samu begeistert. 

»Leck mich am Arsch.« Maxim schlug mir gegen die Schulter. 

Ich lachte. »Bei deiner Hygiene lieber nich', Alter.«

»Aber ansonsten schon? Scheiße, ist das ekelhaft.«

»Hab ich nie gesagt, du Wichser.« Ich öffnete den Rum, trank einen großen Schluck und wischte mit dem Handrücken über meine Lippen, ehe ich die Flasche an den neben mir sitzenden Aykan weiterreichte. Der Geschmack des Alkohols brannte in meinem Rachen. Es war irgendein billiges Gesöff aus dem Discounter.

»Typisch Maxim ... das Aufmerksamkeitsvermögen einer schwerbehinderten Amöbe«, grinste ausgerechnet Samuel, woraufhin ihm Maxim den Mittelfinger zeigte.

Bevor die beiden das weiter ausführen konnten, hatte sich Zoe vor unserem Tisch aufgebaut. Sie warf sich die vom Färben ganz kaputten Haare über die Schultern und stemmte die Hände in die Seiten.

»Will mich ja eigentlich nich' einmischen«, setzte sie an. Es war unverkennbar, dass sie ihr ganzes Selbstbewusstsein auf diesen einen Moment konzentrierte. Danach war's wahrscheinlich für alle Ewigkeiten verbraucht.

»Aber?« Ich hob eine Augenbraue und ließ kurz meinen Blick über die Klasse gleiten. Ein paar waren auf das, was sich in der letzten Reihe abspielte, aufmerksam geworden, doch der Raum war noch immer von Gelächter und Getratsche erfüllt.

»Ihr dürft das nicht«, sagte sie mit fester Stimme.

»Gib' mal«, forderte ich Maxim auf, bei dem der Alk gelandet war. Er streckte mir die Flasche entgegen und ich trank einen großen Schluck Rum, ehe ich mich wieder an Zoe wendete. »Meinst du, das interessiert einen von uns?«

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt