6 | Saufen und scheitern

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Ich hatte erwartet, dass Federico eingeschüchtert wäre. Angst hätte. Mich hassen würde. Alles hätte ich erwartet, verfickte Scheiße, doch nicht, dass er mich ruhig ansehen und dann überheblich auflachen würde. Mitleid lag in seinem Blick. Ganz so, als würde er mich für mein Verhalten bedauern.

Er war selbst jetzt noch verdammt arrogant.

»Und jetzt, Jay?« Federico hob die Augenbrauen. »Bleibt mir ja wohl nichts übrig als zu warten, bis du deine Show beendet hast, was?«

Er grinste, dann ließ er seinen Rucksack mit dem eingerissenen Träger auf den Boden fallen und setzte sich zurück aufs Bett. Kein bisschen verhielt er sich so, als wäre er unterlegen. Uns ausgeliefert.

Ich spürte Wut in meinem Bauch aufwallen. Irgendwie lief das hier ganz anders als geplant, und er hatte es tatsächlich geschafft, mich mit seinem Verhalten zu verunsichern.

»Bin schon echt gespannt, was das noch wird«, fügte Federico hinzu. Für ihn war die ganze Scheiße genauso ein Spiel wie für mich. Doch das alles funktionierte nicht, wenn er sich nicht einschüchtern ließ.

Er nahm mich nicht ernst, das war unübersehbar.

Dieser Wichser. Ich biss die Zähne aufeinander, zwang mich dazu, ruhig zu bleiben. Die Kontrolle zu bewahren, bevor noch mehr schieflaufen würde.

Federico würde sein Grinsen schon noch vergehen. Man konnte jedem Menschen seinen Willen brechen, und er bildete da gewiss keine Ausnahme.

Draußen war es mittlerweile so dunkel geworden, dass sich die Plattenbauten vor dem Fenster kaum noch von dem nachtschwarzen Himmel abhoben.

Mit einer schwungvollen Bewegung schüttete Maxim den Sangria in die Gläser, so dass die Hälfte daneben ging und auf meinen ohnehin schon fleckigen Teppich tropfte. »Wir saufen jetzt«, kommentierte er.

Federico hob die Augenbrauen. »Krass. Damit hätte ich nicht gerechnet.«

»Und du Streber bist dabei«, fügte Samu hinzu, der das Chaos auf meinem Schreibtisch zur Seite schob. Mit baumelnden Beinen nahm er darauf Platz. Im Hintergrund waren die Geräusche des Shooters zu hören, den Damiano mittlerweile gestartet hatte. Blechern klangen sie aus den billigen Boxen.

»Danke für die Einladung. Hat mich wirklich gefreut«, merkte Federico amüsiert an, doch mir entging nicht, dass er an dem Ärmelbund seines Sweatshirts herumzupfte. Langsam wurde er also doch nervös.

Ein breites Grinsen wanderte auf mein Gesicht. Ich hielt ihm eines der Gläser hin, das Maxim mit dem Wein aufgefüllt hatte. »Beweis uns, dass du kein Langweiler bist.«

Er hob seinen Blick von seinem Ärmel und sah mich einen Moment lang an, ehe er mir das Glas aus der Hand nahm. Ohne zu zögern, kippte er den Inhalt hinunter. Wieder einmal verhielt er sich anders, als ich erwartet hatte.

»Ey, schon besoffen?«, fragte Maxim feixend und drehte sich auf meinem Schreibtischstuhl, um Federico anzusehen, während er ihm erneut Sangria einschenkte.

Federico rollte nur mit den Augen. In ihnen lag ein spöttischer Ausdruck, als er fragte: »Und dafür jetzt der ganze Aufstand, oder was?«

»Halt's Maul und trink«, sagte ich barsch. In meinem Bauch zog sich die verdammte Wut weiter zusammen.

»Wir wollen dich noch kotzen sehen«, fügte Samu grinsend hinzu.

Schmunzelnd sah Federico mich kurz an und setzte dann das Glas erneut an seine Lippen.

Ich hasste es, wie er alles in Lächerliche zog. Hasste es, wie verzweifelt er mich damit wirken ließ, mich beinahe machtlos fühlen ließ. Es provozierte mich zutiefst. Sein ganzes scheiß Gehabe.

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now