47 | Am besten keine Gefühle

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»Meyer, Jonathan«, rief mich die Pickart auf und streckte mir mein Zeugnis hin. »Du musst echt eine 180-Grad-Drehung hinlegen, wenn du die Neunte schaffen willst. So knapp durchkommen wirst du nicht nochmal, ist dir das klar?«

»Ja ja«, murrte ich. Desinteressiert stopfte ich das Teil in meinen Rucksack, was juckte mich so ein Zettel mit dem Schulstempel drauf schon?

»Orhan, Serdar«, fuhr sie mit monotoner Stimme fort und ich stützte meinen Kopf auf meiner Hand ab. Trotz des Energydrinks, den ich vor mir auf dem Tisch stehen hatte, war ich scheiße müde.

»Hey, Jay«, vernahm ich auf einmal Fedes Stimme hinter ihm. »Mein Angebot mit dem mal zusammen lernen gilt übrigens immer noch.«

Ich wandte mich zu ihm um. »Schön für dich. Juckt mich aber nicht«, erwiderte ich mit kalter Stimme und registrierte, wie er nachdenklich die Augenbrauen zusammenzog. Sein Mund blieb überrascht ein wenig geöffnet.

Scheiße, Mann, irgendwie tat das jetzt weh.

Ich drehte mich wieder nach vorne und griff nach der Dose auf meinem Tisch, trank einen großen Schluck daraus. Starrte nach vorne, wo die Pickart in ihrer komischen Walle-Bluse ein Zeugnis nach dem anderen verteilte. Ich wollte nicht scheiße zu Fede sein. Eigentlich hatte er das nicht verdient. Überhaupt nicht irgendwie.

»So, das war's«, sagte die Pickart schließlich und klatschte in ihre Hände. Stühle wurden gerückt, Schulzeugs raschelnd eingepackt. »Dann wünsche ich euch allen schöne Ferien, bei den Projekttagen nächste Woche sehen wir uns ja nicht mehr.«

»Ey, Leute, seid ihr bereit für die Party heute Abend?«, hörte ich Maxim grölen.

»Als ob halt nicht, Alter«, lachte Samu, während ich aufstand und meinen Rucksack über die Schulter warf. Die scheiß Party ging mir ziemlich am Arsch vorbei. Natürlich würde die bestimmt krass werden, aber verdammt, ich hatte viel wichtigeres im Kopf. Zum Beispiel wie ich die Ferien zum Dealen nutzen würde. Wie ich meinen Zielen verdammt nahe kommen würde.

»Was ist los?«, quatschte mich Fede auf einmal an. »Alles in Ordnung und so?« Er schlüpfte mit dem Arm durch den Träger seines Rucksacks.

»Boah, ey, ganz ehrlich, tu nicht die ganze Zeit so als wären wir Freunde. Sind wir nämlich nicht, klar?« Ich sah ihm für einen kurzen Moment in die Augen, in denen ein enttäuschter Ausdruck auftauchte. Schnell löste ich meinen Blick wieder, um ihn durch die Klasse gleiten zu lassen. Die meisten strömten mittlerweile an den Tischen vorbei zur Tür, Maxim hatte eine Colaflasche ausgepackt und hielt sie Samu hin. Wahrscheinlich safe mit Alk.

»Ich hab's nur gut gemeint«, erwiderte Fede und verdammt, ich hasste es, wie seine Stimme klang. Irgendwie ... traurig oder so. Als würde ihm an der Freundschaft zu mir was liegen. »Aber ja, dann hätten wir das auch geklärt.«

Ich stand auf und schmiss mir meinen Rucksack über den Rücken. »Und jetzt verpiss dich«, schnauzte ich ihn an und streckte meinen Hand über seinen Tisch hinweg aus, um ihn zurückzuschubsen. Viel gröber als es nötig wäre.

Er taumelte zwei Schritte nach hinten, doch fing sich schnell wieder. Packte meinen Arm und hinderte mich so daran, weiterzugehen und das Klassenzimmer zu verlassen. »Ganz ehrlich, ich muss mich so nicht behandeln lassen«, sagte er und funkelte mich wütend an. Und doch konnte die Wut seine Enttäuschung nicht verbergen.

Verdammt, ich wollte nicht, dass er von mir enttäuscht war,

Auf einmal war da der bescheuerte Wunsch, einfach vorzutreten und meine Arme um ihn zu schließen. Ihn an mich zu drücken. Zu spüren, wie seine scheiß Locken mich kitzeln würden.

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt