36 | Koste es, was es wolle

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Der verfickte Matheunterricht ging einfach nicht vorbei. Aber egal, das mit der Schule hatte sich eh erledigt, sobald ich für Tarek dealen würde. Ich hatte immer gewusst, dass ich niemand war, der einem Hurensohn von Chef den Kaffee an den Platz bringen würde.

Die Pickart malte ein paar Linien an die Tafel und drehte sich dann um. Ihr hässliches Kartoffelsackkleid, das sie bestimmt aus so 'nem Ökoladen hatte, flog um ihre Beine. »Wer kann mir sagen, wie wir weiter vorgehen, wenn wir jetzt die Nullstellen der Funktion bestimmt haben?«

Niemand meldete sich.

Aykan und Samu führten eine endbescheuerte Diskussion darüber, ob man mit vierzehn oder fünfzehn Jahren strafmündig sei, die man bis hier vorne mitbekam.

»Was ist mit dir, Federico?«, fragte sie und klopfte die Kreidehände an dem braunen Stoff ab. »Hast du keine Lösung?«

Mit einem schadenfreudigen Grinsen drehte ich mich zu ihm um.

»Hm?« Fede schreckte auf. Sein Heft lag zugeschlagen vor ihm und er hatte sich die ganze Stunde noch kein einziges Mal beteiligt. Tja, es hatten wohl auch Streber schlechte Tage.

Sie fasste die Aufgabenstellung noch einmal für ihn zusammen. Typisch. Jeden anderen von uns hätte sie längst zusammengeschissen.

»Ähm«, sagte Federico und sah auf die Tafel, dann wieder auf sein Heft. Fand dort keine Antworten, auch wenn er seine Augenbrauen konzentriert zusammen gezogen hatte.

»Alter, haltet mal die Fressen, ihr seid doch beide behindert«, war Maxims lautstarkes Maulen in der letzten Reihe zu hören. Er versetzte Samu einen groben Schlag gegen den Oberarm, an dem der eh schon ein paar blaue Flecken hatte. »Sonst würdet ihr nicht über so 'nen Müll diskutieren.«

»Ruhe dahinten jetzt!«, forderte die Pickart ihn scharf auf.

»Ey, ich hab doch gar nichts anderes gesagt!«

»Also, was ist jetzt?«, wandte sie sich wieder an Fede.

»Keine Ahnung«, sagte er und zog sich die Ärmelbündchen über die Handgelenke.

»Komm, versuch's doch wenigstens«, forderte sie ihn auf.

»Nehmen Sie doch einfach jemand anderen dran. Ich weiß die Antwort offensichtlich nicht und das darf auch mal okay sein.« Fede warf ihr einen wütenden Blick zu und verschränkte die Arme vor der Brust.

Sie seufzte, sah ihn noch einen Moment lang an und wandte sich dann wieder der Tafel zu, um mit ihren langweiligen Erklärungen weiterzumachen. Weit kam sie nicht, denn nur kurze Zeit später läutete es zur Fünfminutenpause.

»Ey, Jungs, was is'? Kommt ihr mit, eine rauchen?«, rief ich den anderen zu und stand auf.

»Klar, immer«, grinste Samu und boxte sich an Youssuf vorbei, der ihn sofort grob zurückstieß. Maxim dagegen hatte sich auf seinen Tisch gezogen, mal wieder irgendeinen Song angemacht und rappte Aykan irgendetwas vor. Der tat zwar so, als würde er das geil finden, aber als ob halt. Alles Heuchelei.

»Was machst du? Wir haben doch noch hier Unterricht«, merkte Bahar eben an. Ich folgte ihrem Blick und sah, wie Fede seine Sachen in seinen Rucksack stopfte.

»Gehen«, erwiderte er und zerrte den Reißverschluss zu. »Ich fühl' mich nicht gut.«

»Hast jetzt deine rebellische Phase gestartet oder was?«, grinste ich und wartete darauf, dass Bahar mit ihrem Stuhl zurückrutschte und ich durch den schmalen Gang zwischen den Tischreihen gehen konnte. »Ey, mach' ma' jetzt«, schnauzte ich sie an, sie rückte zurück.

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now