29 | Blaues und rotes Licht

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Ich sah mich um. Natürlich hatte ich mir schon vorher überlegt, wie ich am besten abhauen könnte, aber das brachte mir natürlich nichts, wenn ich keine Ahnung hatte, wo genau die Bullen waren. Das Flackern das Blaulichts, das den Laden erhellte, war alles, was ich von denen sehen konnte.

»Komm jetzt, Jay!«, brüllte Tarek mir, der sich im hinteren Teil des Ladens befand, zu. Die beiden waren schon losgerannt, wo Arsenij steckte, konnte ich nicht sehen.

Auch ich lief los und ließ währenddessen mein Messer in der Hosentasche verschwinden, mein Blick blieb nur kurz an der Verwüstung hängen, die wir angerichtet hatten. Ich sprang durch das offene Schaufenster hinaus auf die Straße und vergewisserte mich schnell, wo die Bullenkarre stand.

Fuck. Natürlich schnitt sie uns den Weg zu dem Auto von Tarek ab.

Als hätten sie es geahnt.

Natürlich könnten wir versuchen, an ihnen vorbeizukommen, aber das wäre wohl schlichtweg idiotisch.

Ich sah noch, wie die beiden Beamten ausstiegen, dann rannte ich Hals über Kopf los. Ihre laut knallenden Autotüren zerrissen die nächtliche Stille. Der Motor lief noch und für einen Moment musste ich mir vorstellen, wie wir ihnen einfach die Karre unter'm Arsch wegklauen würden.

Verdammt geil.

War das eigentlich mein scheiß Ernst? Ich war auf der Flucht vor den Bullen und machte mir über total irrelevanten Müll Gedanken. Hektisch warf ich einen Blick über meine Schulter, wo die Polizisten mit polternden Schritten näher kamen.

In diesem Moment hörte ich das Geräusch quietschender Reifen vor mir, gefolgt von einem aggressiven Hupen. Ein Auto hatte dort eine Vollbremsung hingelegt, als Tarek über die Straße rannte. Ich ließ mich davon nicht aufhalten, folgte ihm.

Erneut hupte der Fahrer wütend.

»Fick dich, du Bastard!«, brüllte Arsenij ihn an, der Typ hatte Nerven.

Ich beschleunigte meine Schritte und erreichte endlich die andere Straßenseite, dann machte sich mit einem Mal der Alk, den ich intus hatte, bemerkbar. Die Welt drehte sich schneller und schneller. Was sollte das? Echt verdammt ungünstiger Zeitpunkt.

Scheiße, Mann.

Konzentrieren.

Ich biss meine Zähne mit aller Kraft aufeinander und, während Tarek abrupt in eine Seitenstraße abbog. Ich stolperte fast, als ich abbremste, dann sprintete ich ihm hinterher.

Keine Ahnung, wo die anderen beiden mittlerweile abgeblieben waren.

Der Bulle hinter uns laberte etwas in sein Funkgerät. Alter, wollten die echt Verstärkung anfordern? Und sonst hatten die auch nichts zu scheißen, oder?

Zumindest war jetzt nur noch einer hinter uns. Wär' ja gelacht, wenn wir den nicht abhängen würden.

Ich folgte Tarek durch einen breiten Spalt zwischen zwei Häusern durch, dann landeten wir auf einem kaum beleuchteten Hinterhof. Rechts, links und vor uns ragten die hohen Wände der Arbeiterkasernen auf. Nirgends eine Lücke, durch die wir durchschlupfen könnten. Und hinter uns? Die Bullen.

Ich rannte in Tarek rein, der ruckartig stehen geblieben war. »Was hast du dir dabei gedacht, Alter?«, schnauzte ich ihn an und brauchte einen Moment, bis ich mein Gleichgewicht wieder fand. Hätte ihm doch klar sein müssen, dass es von hier aus nicht weiterging.

»Bist du behindert?«, gab er nicht weniger gereizt zurück und verpasste mir einen Schlag gegen den Hinterkopf. »Dann renn' mir doch nicht hinterher.«

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now