31 | Ehrgeiz

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Federicos Blick blieb auf mir ruhen. Zwischen seinen Augenbrauen war die schmale Falte zu sehen, die immer auftauchte, wenn er nachdachte.

Konnte dieser Idiot das nicht weniger offensichtlich machen? Dann musste ich mich wenigstens nicht damit rumschlagen.

Ich sah weg und streckte mich zu der Torte, die wir mittlerweile ein Stückchen abseits in die Sonne gestellt hatten, damit sie schneller auftaute. Es gelang mir eine Kirsche abzupulen.

War 'ne scheiß Idee, ihn darauf anzuquatschen.

»Zum Beispiel?«, fragte Fede nach. Ich warf die Kirsche in die Luft, fing sie wieder.

»Ein Game vielleicht. Du freust dich richtig darauf, willst es unbedingt zocken und dann hast du es und es ist einfach der größte Bullshit ever.«

»Du bist doch nicht wegen einem Game so drauf«, stellte er fest und wickelte den Schnürsenkel seines Chucks um den Finger.

Ich biss die Zähne aufeinander und hielt mich davon ab, ihn anzumaulen. Stattdessen wartete ich einen Moment, bis sich meine Muskeln wieder etwas entspannten und zuckte mit den Schultern.

Federico schwieg ebenfalls, doch mir war klar, dass er noch auf eine Antwort wartete.

Ein Augenblick verstrich, dann ein weiterer. Irgendwo hupte jemand. Schwungvoll schleuderte ich die Kirsche in Richtung des dunkelblauen Twingos, der vor uns parkte.

»Erzähl, Jay«, forderte Fede mich sanft auf. Es klang ehrlich interessiert, aber das war natürlich Bullshit. Menschen funktionierten so nicht. Waren egoistisch und machten sich keine Gedanken um andere. Alles andere war Heuchelei.

Erst als ich meinen Mund öffnete, wurde mir klar, mit was für einem festen Druck ich die ganze Zeit meine Zähne aufeinander gebissen hatte.

»Kann sein, dass deine Theorie mit der Verfolgungsjagd nicht ganz falsch war«, sagte ich in einem desinteressierten Tonfall, als wäre es scheißegal. Ich nahm einen Stein, der auf dem Asphalt lag, in die Hand. Wog ihn hin und her.

»Du bist echt von 'nem Hochhaus gesprungen? Dafür geht's dir ja noch gut«, fragte Fede mit einem leichten Grinsen um die Lippen nach. Ich erwiderte es nicht, stattdessen holte ich aus. Nach einem kurzen Blick über den Parkplatz schleuderte ich den Stein gegen das Auto.

Ich bemerkte, dass er seine Augenbrauen hob, jedoch verkniff er sich einen Spruch.

»War scheiße halt«, brachte ich gepresst hervor. Verdammt, ich hatte mich selten so sehr an einen anderen Ort gewünscht.

»Wieso?«

Wieso, wieso, wieso ... Immer wollte er alles wissen.

»Ganz einfach: Es ist scheiße anstrengend, nicht nur wegen der Rennerei. Man muss auf so vieles achten, hat aber gar keine Zeit dafür, weil der scheiß Bulle gleich hinter dir steht, wenn du nicht schnell genug bist.«

Ich griff nach einem anderen Stein, dieses Mal einem etwas größeren, und holte erneut aus. Dieses Mal packte Fede mit schnellem Griff mein Handgelenk, um meinen Arm zurück nach unten zu bekommen. Sanft, aber bestimmt öffnete er meine Finger und nahm mir den Stein weg.

Grob riss ich meine Hand weg und fixierte ihn mit einem aggressiven Blick, auf den er nicht einging. »Das klingt echt ziemlich anstrengend«, kehrte Federico zum Thema zurück, ganz ohne sich von mir verunsichern zu lassen. Er warf den Stein in den Grasstreifen. »Wie hattest du es dir denn vorgestellt?«

»Weiß nicht. Besser halt.«

Er nickte, das Gesicht hatte er nachdenklich verzogen, während er weiter den Schnürsenkel um seinen Finger wickelte. Wieder löste. Erneut damit anfing. »Dann sind Verfolungsjagden vielleicht einfach nichts für dich. Also Karrierewunsch Polizist ist schon mal gestrichen«, merkte er mit einem leichten Lachen an. »Dabei war ich mir so sicher, dass du das werden willst.«

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now