48 | Gewaltfrei

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»Ey, das' doch dieser Wichser«, sagte Tarek und haute Moussa seinen Ellenbogen in die Seite. Der kniff die Augen zusammen und sah in die Richtung der Toilettenhäuschen, die bereits im Dunklen lagen. Dort, wo wir herumstanden, fielen die letzten Sonnenstrahlen hinab.

Ich folgte seinem Blick und entdeckte Arsenij, der zusammen mit zwei anderen Kerlen auf unsere Gruppe zusteuerte. So zielstrebig, als würde nicht jeder von uns ihm auf die Fresse hauen wollen.

Auf Tareks Lippen entdeckte ich ein gespanntes Grinsen, irgendwie auch vorfreudig. Würden wir den Typen endlich zusammenschlagen? War schon längst überfällig.

»Verdammt, Alter, wir müssen reden«, meinte Arsenij und blieb neben Tarek stehen.

»Was gibt's?«, fragte der entspannt und nahm von Solaiman die Whiskyflasche entgegen, die der ihm hinhielt. Moussa sah Arsenij aufmerksam an und auch ich richtete mich ein wenig auf, bereit für das, was jetzt kommen würde.

»Da steckst du doch dahinter, was, ey? Dass Hamad mir keine Kohle mehr geben will und sonst auch niemand?«

»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte Tarek und zog die Augenbrauen hoch. So belustigt, dass klar war, wie wenig wahr seine Worte waren.

»Scheiße, Mann, die machen mich komplett kaputt, wenn ich das nicht zahlen kann.« Arsenij ballte die Fäuste, sah aber nicht aus, als würde er Tarek aufs Maul hauen wollen. Wusste wahrscheinlich, wie unterlegen er in diesem Moment war. Kopfschüttelnd ließ er seinen Blick über die Gruppe gleiten.

»Nicht meine Schuld«, erwiderte Tarek und aschte auf den Boden. Er lachte.

»Verdammt, Tarek, ich dachte, wir wären Freunde!«, sagte Arsenij und es war nicht zu überhören, wie Fassungslosigkeit in seiner Stimme aufwallte. Dann Verzweiflung.

»Dachte ich auch, bis du uns den Bullen verpfiffen hast.« Tarek erwiderte seinen Blick undurchdringlich und zog an seiner Zigarette.

»Ach, fick dich doch einfach.« Arsenij rotzte auf den Boden und wandte sich dann ab, vergrub seine Hände in den Taschen seiner schwarzen Trainingshose von Adidas. »Du weißt, wie viel dran hängt.«

Verdammt, war's das ernsthaft schon? Das war doch lächerlich. Ich hatte irgendeine krasse Prügelei erwartet oder sonst was, aber doch nicht so einen Scheiß.

Mit einem Grinsen auf den Lippen sah Tarek Arsenij hinterher, ehe er sich an mich wandte und mich einen Moment lang ansah. »Weißte, manchmal ist Gewalt nicht immer 'ne Lösung für jedes Problem.«

Ich lachte auf und schnippte meine Kippe weg. »Machste jetzt einen auf Meister Yoda oder was soll die Scheiße?«

»Man sieht genau, was du gerade denkst. Aber ich mein' das schon ernst, Jay, würd' einfach nichts bringen, den jetzt kaputtschlagen«, fuhr er fort und holte sich die Whiskyflasche zurück. Musste der Spast eigentlich immer so tun, als könnte er mir die Welt erklären? Nur weil er ein paar Jahre älter war, hieß das doch nicht, dass er alles verstanden hatte. Lächerlich, ganz ehrlich. Eigentlich gut, dass er noch nichts davon erfahren hatte, wie ich gestern für Vadim verkauft hatte. Irgendwelche dummen, besserwisserischen Kommentare konnte ich mir echt sparen. »Ich sorg' lieber dafür, dass sein Leben Stück für Stück auseinanderbricht.«

»Jaja«, erwiderte ich gelangweilt und zog mein Handy aus der Hosentasche, entsperrte es. Ey wo steckst du? Ist schon richtig geil hier, hatte Samu geschrieben. Ich ignorierte die Nachricht, denn das letzte, was ich vorhatte, war da als einer der ersten aufzutauchen. Das war etwas für Opfer wie Samu.

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now