18 | Federico geht saufen

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Es war ein verdammter Fehler. Ich hätte das nicht sagen sollen.

»Hm?« Fragend sah Federico mich an. Die Sonne war hinter den Häusern versunken, kurz davor, vollständig unterzugehen, so dass seine Augen noch dunkler als sonst wirkten, die Haut blasser im schwachen Licht.

»Egal.« Ich schüttelte mit dem Kopf und drehte mit der Kippe zwischen den Fingern den Alk auf, um daraus zu trinken. Als ich die Flasche wieder abgesetzt hatte, hielt ich sie Fede hin.

»Ne, lass mal«, sagte er und winkte ab. Ich hob eine Augenbraue hoch. Wie konnte man eigentlich so verkrampft an seinen Prinzipien festhalten? »Was wolltest du gerade sagen?«

»Ja, nichts halt. Wie gesagt, egal.« Mit dem Daumennagel kratzte ich an dem Etikett der Flasche herum und ließ meinen Blick über das leere Deck gleiten, auf dem kein einziges Auto mehr stand. Die weißen Linien auf dem Beton erinnerten an die einstigen Parkplätze.

»Komm, Jay. Sag schon«, forderte Fede mich bestimmt auf.

»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du nervst?« Ich warf ihm einen kurzen Blick zu.

»Wenn ich mich recht erinnere, bist du zu mir gekommen ... so nervig kann ich ja nicht sein«, lachte er und pustete sich eine dunkle Strähne seiner lockigen Haare aus der Stirn. »Du weißt, dass ich ehrgeizig bin. Wenn ich wirklich wissen will, was du gesagt hast, krieg ich das auch raus.«

Ich seufzte und sah ihm noch einen Moment lang zu, wie er an dem eingerissenen Plastik seiner Schuhsohle herumpulte. »Der Kerl meiner Alten wollte Lexie ficken und die hält mich für'n Lügner, der das nur erzählt, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen oder so«, haute ich dann einfach raus. Sollte er damit machen, was er wollte.

Fede hob seinen Blick. »Wer ist Lexie?«

»Meine Schwester.«

»Was, echt jetzt?« Fassungslos schüttelte er mit dem Kopf, so dass ihm ein paar Strähnen in die Augen fielen, und sah auf einmal sehr wütend aus. Unglaublich, dass ihn etwas, das ihn eigentlich gar nicht anging, so sehr in Rage versetzen konnte. »Was bitte ist das für ein Arschloch? Wie geht's deiner Schwester jetzt? Das muss ja voll schlimm für sie sein! Ich mein ... das kann er doch nicht machen.«

Ich zuckte mit den Schultern und drehte die Alkoholflasche auf, um noch einen Schluck zu trinken. Hier oben nahm man den Gestank der vielen Abgase viel weniger wahr, doch die Existenz der Schnellstraße, die hinter Fedes Block vorbeiführte, konnte man nicht vergessen. Trotz der Schallschutzwände klang der dumpfe Verkehrslärm zu uns rauf.

»Wie alt ist sie? Zwölf?«, sagte er aufgeregt. »Und wie kann deine Mutter das eigentlich nicht ernstnehmen? Was für ein mieser Sack, ganz ehrlich! Hast du ihn zusammengeschlagen?«

Ich verneinte. Warf ihm einen kurzen skeptischen Blick zu, schließlich hatte ich nicht mit so einer Frage gerechnet.

»Wow, Jay. Du eskalierst die ganze Zeit total mit deiner Gewalt und wenn es jemand wirklich verdient hat, bist du total zurückhaltend, oder was?« Seine Miene konnte ich nicht wirklich deuten.

Fest biss ich meine Zähne aufeinander. Machte der Wichser sich schon wieder über mich lustig?

»Du bist schon'n Idiot, weißte?«, sagte ich und warf ihm meine Kippenschachtel zielgerichtet an den Kopf.

Unbeirrt hob er sie auf und legte sie neben meinem Knie auf dem Boden ab, auf meine Worte ging er nicht ein. »Das spielt doch keine Rolle jetzt«, seufzte er und verdrehte die Augen. »Ich meine, dieser ekelhafte Dreckskerl kann sie doch nicht einfach anfassen! Stell dir mal vor, vielleicht macht er das noch öfter. Kann ja gut sein.«

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now