46 | Voll schwul, Alter

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Mein Herz klopfte ein wenig schneller, während ich mir vorstellte, wie ich meine Kunden wohl am besten ansprechen würde. Verdammt, mit einem Mal war mein Kopf ganz leer. Was sagte man in so einem Moment, ohne wie ein lächerlicher Poser zu wirken?

Ey, willste was?

Willst was kaufen?

Ja, klar, dann klang ich garantiert wie der nächste Undercover-Bulle oder so. Wie hatten die Dealer gesagt, bei denen ich bisher gekauft hatte? Keine Ahnung. Ich zog noch einmal an meiner Zigarette, so tief, dass bereits der Filter anbrannte, und schmiss sie dann auf den schmutzigen Boden, um sie auszutreten. Scheiß Herz. Das nervte mit seinen wummernden Schlägen und warum war es überhaupt der Meinung, dass irgendwas hieran aufregend war? War es nicht, verdammt.

Vielleicht wartete ich auch einfach darauf, bis mich jemand von selbst ansprechen würde. Wenn ich nur am richtigen Ort rumstehen würde, sollte das doch gar nicht so lange dauern. Als die nächste U8 einfuhr, stieg ich ein, mit dem Ziel zum Görli zu fahren. Ich blieb in der Nähe der Tür stehen und behielt meine Hand um das Gras geschlossen, dabei war das doch total unnötig.

Hier waren keine Bullen, die auf mich aufmerksam werden könnten und selbst wenn, würden die mir nichts tun. Hatte ich doch gerade selbst erlebt. Mehr als Sozialstunden hatte ich im Moment eh nicht zu befürchten und ganz ehrlich, ein Knastaufenthalt würde mir auch nicht schaden.

Es dauerte nicht besonders lange, bis ich durch die mittlerweile dunklen Straßen lief und den Parkeingang erreichte. Tarek war nicht zu sehen, genauso auch sonst niemand, den ich kannte. Gut so. Das wäre bei dieser ganzen Sache nur hinderlich. Drüben beim Parkhaus standen ein paar Typen mit einem aufgetunten BMW, aus dem ein lauter Song mit schweren Bässen klang, manchmal überlagert von den Stimmen der Gruppe. Ich blieb neben dem Tor stehen und lehnte mich gegen die Mauer, der Gestank von Pisse stieg mir in die Nase.

Dann wartete ich. Stand mit einer Hand in der Hosentasche und einer Kippe zwischen den Lippen rum und sah zu, wie die Kerle irgendwann in den BMW einstiegen, die Türen zuschlugen und mit laut aufheulendem Motor losfuhren. Wie zwei Junkiebräute über die Wiese liefen und in dem siffigen Klohäuschen hinter dem Parkeingang verschwanden.

Niemand kam auf mich zu und sprach mich an. Auch nicht, als die beiden Weiber die Toilette wieder verließen und davor rumhingen, sich noch ein paar andere Leute zu ihnen gesellten. Die sahen genauso fertig aus, das konnte ich trotz der Entfernung erkennen.

Absolut nichts geschah.

In meinem Magen lag die Erinnerung an vorhin, so schwer als wäre sie der ekelhafte Döner mit lediglich Gammelfleisch und verwelktem Salat, den es in diesem Laden hinter der Schule gab. Egal, wie sehr ich versuchte, diesen Momente zu verdrängen, ich schaffte es nicht.

Immer wieder wurde mir klar, dass ich mir vorgestellt hatte, wie ich Fede, diesen verfickten Streber, küsste. Ich sollte das widerlich finden wie jeder andere Kerl, den ich kannte und nicht auch noch drauf wichsen, verdammt.

Ich krallte meine Hand fester um das Gras in meiner Hosentasche, biss die Zähne aufeinander. Mittlerweile waren nicht weit von mir entfernt zwei Typen aufgetaucht, die aussahen, als würden sie ebenfalls dealen.

Ich würde mich darauf konzentrieren, einfach diese Scheiße durchzuziehen. Und zwar jetzt sofort. Die Drogen loszuwerden und gut war's. Ich wandte mich den Leuten zu, die immer noch vor dem Klohäuschen herumstanden. Könnte die ja einfach ansprechen. Mehr als schiefgehen konnte es nicht und ganz ehrlich, auf den Respekt von ein paar so dahinvegetierenden Junkies konnte ich auch verzichten. Ich ließ nochmal meinen Blick über den Parkeingang gleiten bis hin zur Straße, wo eben Pizzabote auf einem Roller, dann ein weißer Lieferbus vorüberfuhr.

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt