21 | Titten oder Teleskope

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Tommys Wutanfall war ein verficktes Spektakel. Natürlich ließ ich es mir nicht nehmen, mich in die Küche zu bewegen, nachdem er in die Wohnung zurückgestürmt war.

»Ich kann's nicht glauben. Weil sich so ein paar Hurensöhne mal'n Augenblick lang ihr mickriges Selbstbewusstsein aufpolieren wollten.« Wütend donnerte er seine Faust auf den Küchentisch, so fest, dass der dreckige Geschirrstapel darauf klirrend ins Wanken geriet.

Seine Aussage trieb mir fast ein Grinsen ins Gesicht. Wenn er wüsste ..

»Vielleicht zahlt die Versicherung ja auch ...« Meine Mutter strich ihrem Stecher beruhigend über den Unterarm, auf dem sich sein verblasstes Tattoo befand, das so verkackt war wie sein ganzes Leben.

»Als wär' das alles! Wenn ich Pech hab, bin ich auch noch meinen Job los, weil ich viel zu spät da war!«, schnauzte er sie an und ich konnte mein Glück kaum fassen. Es war ja alles noch viel besser als gedacht gekommen.

»Was'n los?«, fragte ich desinteressiert und warf einen Blick in den Kühlschrank. Natürlich herrschte dort mal wieder gähnende Leere.

»Irgendwelche dreckigen Asozialen haben mir die Reifen zerstochen«, erklärte er und kniff die Augenbrauen zusammen.

»Tragisch.« Ich machte keinen Hehl aus meiner Schadenfreude. Der Idiot würde ohnehin nie darauf kommen, dass ich etwas mit dieser Sache zu tun hatte. »Sei froh, dass sie nicht dich abgestochen haben. Soll auch vorkommen.«

»Kannst du missratener Bengel dir überhaupt ausmalen, was für Konsequenzen das haben wird?«, herrschte er mich an und sah von seiner Zigarette auf, die er eben zu drehen begonnen hatte. Auf seinem Hemd waren feuchte Schweißflecken unterhalb der Achseln zu sehen.

Ich schlug die Kühlschranktür wieder zu. »Nö. Juckt mich auch nicht sonderlich.«

»Jonathan, versuch' doch mal zu verstehen ... das ist echt eine schlimme Lage jetzt«, laberte meine Alte rum, dabei sollte sie doch längst gecheckt haben, dass es in diesem Viertel allenfalls geheucheltes Mitgefühl gab.


Lexie vermied es in der nächsten Zeit, nach Hause zu kommen. Es juckte mich nicht sonderlich, wo sie sich rumtrieb und mit wem, ich war sowieso beschäftigt genug. Damit, mir im Görli nochmal Gras zu besorgen, zum Kickboxen zu gehen und den Wichsern aus der Schule klarzumachen, dass ich derjenige war, der das Sagen hatte.

Am Ende der Woche ging ich doch noch zu ihrem Zimmer. Kaum, dass ich eingetreten war, flog mir ein Kissen in die Fresse, gefolgt von einem wütenden »Verpiss' dich, Jay!«

Ich kickte das Kissen zur Seite. »Alter, wie wär's mal mit chillen?«

»Bis gerade hab' ich noch gechillt ... ich kann nur ganz gut auf meinen tollen Bruder verzichten, den's null juckt, was mit mir ist«, blaffte Lexie mich an, schmiss ihren MP3-Player ins Eck und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Juckt mich doch«, meinte ich und ließ mich aufs Bett sinken. Ein gequältes Fauchen war zu hören, dann sprang die Katze erschrocken auf den Boden.

Lexie versuchte, mich von ihrem Bett hinunterzuschubsen, doch ich drehte ihre Arme grob zur Seite und drückte sie so in die Laken, dass sie sich nicht wirklich wehren konnte. »Tut es nicht, überhaupt nicht!«

»Oder was denkste, warum Tommys Reifen zerstochen sind?«, fügte ich hinzu und ließ sie wieder los.

»Du hast damit zu tun?« Lexies Augenbrauen wanderten nach oben.

Ich griff nach der No-Name-Cola, die geöffnet auf ihrem Nachttisch stand und kippte den Inhalt hinunter. Langgezogen rülpste ich. »Scheinbar.«

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now