22 | Auf anderen Planeten

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Dass ausgerechnet dieser Streber sich unerlaubt von der Gruppe entfernen würde, hätte ich ihm nicht zugetraut. »Fede, Alter! Bleib ma' stehen!«, rief ich ihm zu. Laut genug, dass sich ein paar Leute zu mir umwandten.

»Pst!«, ermahnte mich eine ältere Frau scharf, die vor einer großen, verrosteten Schiffsschraube stand. »Das ist ein Museum, hier herrscht Ruhe!«

»Chill mal. Isses meine Schuld, dass dich mit deiner ausgeleierten Vagina keiner mehr ficken will, oder was?« Ich warf ihr einen selbstherrlichen Blick zu, dann vergewisserte ich mich, dass Federico tatsächlich innegehalten hatte. Abwartend vergrub er seine Hände in den Taschen seiner dunkelroten Sweatjacke.

»Unverschämtheit! Um deine Erziehung hat sich wohl auch keiner gekümmert!« Angewidert kräuselte sie ihre Augenbrauen, Marke abrasiert und neu aufgemalt, zusammen und wandte sich dann mit einem Kopfschütteln der Infotafel zu, ganz so, als wäre ich mehr Aufmerksamkeit gar nicht wert.

»Zum Glück nich'.« Ich ließ sie stehen und steuerte auf Federico zu, der auf dem ersten Absatz auf mich wartete. Von der Treppe aus bot sich einem ein großer Blick über die Halle mit den Motoren und anderer Scheiße, von der ich keine Ahnung hatte, was es überhaupt war. Die anderen Schüler waren in einem der Ausstellungsräume, die man von dort unten erreichen konnte.

»Das darf man nicht, Mann«, wies ich ihn grinsend hin, als ich ihn erreichte hatte.

Auch er grinste. »Ich weiß.«

»Du bis' cooler als gedacht«, sagte ich und verfluchte den Alkohol, den ich gesoffen hatte. Nüchtern würde ich nie so einen Bullshit raushauen. Ich musste echt besser aufpassen, was ich sagte.

»Weiß ich auch.« Federico stieg weiter die Treppenstufen nach oben, ich tat es ihm gleich. Was auch immer er vorhatte. »Du solltest echt aufhören, davon überrascht zu sein«, lachte er.

»Und du bis'n arrogantes Arschloch, ey, ganz ehrlich.«

Seine Augenbrauen wanderten ein Stückchen nach oben, die Mundwinkel zuckten belustigt. »Dann bin ich ja in bester Gesellschaft.«

Wir erreichten den ersten Stock, der fast vollkommen abgedunkelt war und an dessen Wänden kleine funkelnde Sterne angebracht waren, dazwischen Galaxien. Fede hielt einen Moment inne und ließ seinen Blick über einen beleuchteten Museumsplan gleiten, ehe er zielgerichtet weiterging. Der Gang wurde von Miniaturmodellen der einzelnen Planeten gesäumt. Jupiter, Neptun und wie die Dinger auch hießen. Unglaublich spannend, aber für Fede bestimmt ein verficktes Paradies oder was in der Art.

»Wo gehen wir überhaupt hin?«, fragte ich.

»Es gibt hier so'n Teleskop, das eines der besten ist, die frei zugänglich sind, und wenn wir Glück haben, kann man damit auch jetzt an den Himmel gucken.«

»Ah, cool.« Es war meiner Stimme anzuhören, wie wenig mich das juckte. Kurz blieb sein Blick an mir hängen, als wolle er sagen, warum ich mich nicht einfach wieder verpisste, dann blieb seine Aufmerksamkeit an einem der Modelle hängen. Vor einem großen, braunen Planeten blieb er stehen.

»Es ist schon krass, wenn du dir vorstellst, dass auf dem Jupiter einfach mal seit dreihundert Jahren ein Wirbelsturm herrscht«, erzählte er und wieder hatte seine Stimme den leidenschaftlichen Klang angenommen, den sie immer hatte, wenn er über das Universum sprach. »Das ist dieser rote Fleck hier«, er deutete darauf, »den kann man sogar von der Erde aus sehen. Und denk mal, der ist so groß, 24.000 Kilometer oder sowas war das, bin ich mir gerade aber nicht sicher. Auf jeden Fall so groß, dass die gesamte Erde darin verschwinden könnte.«

»Total spannend«, meinte ich langgezogen. »Ehrlich, kein Plan, wie man sich die ganze Zeit mit sowas beschäftigen kann.«

»Dafür hast du mir aber gerade ziemlich interessiert zugehört«, grinste er und hob die Augenbrauen.

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt