15 | Nur bis Physik

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Mir war klar, dass dieser Streber ablehnen würde. Zu schwänzen würde er sich niemals trauen, dafür war es ihm bestimmt zu wichtig, keine Fehltage auf dem Zeugnis zu haben.

»Ja, klar. Warum nicht?«, erwiderte Federico ohne zu zögern. Ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht.

»Krass, ernsthaft jetzt?«, fragte ich überrascht, auch wenn sich dabei die stechenden Kopfschmerzen zurück in mein Bewusstsein drängten. »Ich mein', eigentlich müsstest du in Panik verfallen und sowas.«

Skeptisch sah er mich an, während er sein Bein ein wenig anzog, um es mit dem Arm zu umschließen. »Hängt das zwangsläufig damit zusammen, dass ich gute Noten schreib'?«

Ich zuckte mit den Schultern und zog ein letztes Mal an meiner Zigarette, bis beinahe der Filter abbrannte. »Wollen wir?«, fragte ich, schmiss die Kippe zu den vielen anderen auf den Boden und brachte mich schwerfälliger als üblich auf die Beine.

Auch Federico erhob sich, dann zogen wir gemeinsam durch die Straßen. Viel redeten wir nicht, denn eigentlich hatten wir uns nichts zu sagen. Waren viel zu unterschiedlich, als dass es Themen gegeben hätte, die uns beide interessierten.

»Ey, du könntest mir irgendwas von dem ganzen Weltraumkrams erzählen«, schlug ich vor, auch wenn es mich nicht wirklich juckte. Aber immer noch besser, als einander anzuschweigen.

»Seit wann bist du so darauf aus, mich reden zu hören?«, lachte Fede, dann überlegte er kurz. Legte die Stirn in Falten, biss sich nachdenklich auf die Unterlippe.

»Wer weiß, vielleicht steh' ich insgeheim total auf Astrologie?«, grinste ich.

»Echt, du stehst auf Horoskope?« Seine dichten Augenbrauen wanderten belustigt ein Stückchen höher.

»Hä, wie jetzt?«

»Astrologie ist diese pseudowissenschaftliche Scheiße. Du meinst Astronomie«, erklärte er mir, während wir an einer stark befahrenen Kreuzung stehen blieben und darauf warteten, dass die Fußgängerampel grün werden würde. »Das ist der ganze Kram, der sich mit dem Universum beschäftigt, was ich halt mega interessant finde.«

»Du wusstest doch auch so, was ich mein'. Is' ja mal voll unnötig, das so zu ... differenzieren.« Ich schlug erneut auf den Signalknopf, als mir die Ampel nicht schnell genug umschaltete, auch wenn das natürlich nichts brachte.

»Wie du meinst«, lachte Federico und vergrub die Hände in den Jackentasche, dann überquerten wir die Straße. Mittlerweile hatte es zu regnen begonnen, gleichmäßig bewegten sich die Scheibenwischer über die Fenster der wartenden Autos. Ich zog mir die Kapuze meines Hoodies über den Kopf.

Dann fing er an zu erzählen.

»Weißt du, weil die meisten Objekte im Weltraum ja so verdammt weit entfernt sind und das Licht ja auch 'ne Weile zu uns braucht, sehen wir jedes Mal in die Vergangenheit, wenn wir das Universum beobachten.«

»Schon krass«, stimmte ich zu und nickte dann in die Richtung eines Lidls, an dem wir eben vorbeikamen. »Aber lass mal da drüben was zu trinken holen.«

»Klar«, bestätigte Fede und folgte mir die Treppen hinunter, über die man den Parkplatz des Supermarkts erreichen konnte. Dann fuhr er fort. »So könnten wir theoretisch den Urknall beobachten, wären unsere Teleskope nur stark genug. Das ist doch irgendwie total faszinierend, oder?«

Aufmerksam hörte ich ihm zu, tat es sogar gerne. Nicht mal aufgrund dessen, was er mir erzählte, sondern weil er es mit so viel Leidenschaft tat. Sich wirklich für die Scheiße interessierte, das alles nicht nur für die Noten tat.

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now