45 | Dreiste russische Schönheiten

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Wer auch immer die Tatsache erfunden hatte, dass zu Alkohol verkatert sein dazugehörte, war ein richtiger Spast. War doch scheiße, ganz ehrlich. Müde schleppte ich mich in die Küche, wo meine Schwester auf der Arbeitsfläche saß und auf ihrem Handy herumtippte. Aus den blechernen Lautsprechern klang ein Rocksong und sie bewegte ihren Oberkörper dazu hin und her.

War ja ekelhaft so viel gute Laune.

Ich öffnete den Küchenschrank und nahm eine Packung Cornflakes daraus hervor.

»Milch ist aus«, wies Lexie mich hin und auch wenn ihre Stimme nicht besonders hoch war, war das keine geile Kombination zu meinen Kopfschmerzen. Sie trug abgeschnittene Jeans und ein zu großes, schwarzes Shirt, das beinahe über den Saum ihrer Hose reichte. Hatte sie bestimmt dem komischen Typen geklaut, mit dem ich sie in letzter Zeit ein paar Mal hatte rumhängen sehen.

Ich seufzte und schlug den Küchenschrank mit der Packung in der Hand so fest zu, dass die Tür wieder einen Spalt weit aufschwang.

»Jetzt chill mal«, lachte meine Schwester. »Erzähl lieber endlich mal, was die Polizei hier gemacht hat. Oder wieso du mit Tommy gestritten hast.«

Der war bisher nicht mehr aufgetaucht, aber irgendwie traute ich der Sache nicht so recht. Wahrscheinlich würde der eh wieder meine Alte um seine speckigen Wurstfinger wickeln.

»Kannst du dumme Fotze eigentlich nicht aufhören, mir auf'n Sack zu gehen?«, schnauzte ich meine Schwester an und ließ mich auf einen der Stühle aus dem zerschlissenen Kunstleder fallen. Er gab ein knarzendes Geräusch von sich.

In diesem Moment kam unsere Mutter in die Küche. Sie warf uns ein müdes Lächeln zu und durchquerte dann die Küche, um ihre Zigarettenschachtel von der verstaubten Fensterbank zu nehmen. Sie schob sich eine zwischen die Lippen und tastete nach ihrem Feuerzeug. »Wie geht's dir, Jonathan?«, sprach sie mich an, während ich in die Cornflakes-Schachtel fasste.

»Alter, tu doch nicht so, als würd's dich auf einmal interessieren, ganz ehrlich, ey!«, maulte ich und stopfte mir eine Handvoll in den Mund. Knirschend zerbrachen sie zwischen meinen Zähnen.

Sie warf mir einen kurzen Blick zu und zündete mit einem Seufzer ihre Kippe an. Inhalierte tief, während ich weiter Cornflakes aß und meine Schwester auf dem Display herumtippte. Wir waren selten alle drei zusammen und irgendwie waren solche Momente immer komisch. Ne, echt jetzt. Ich war froh, dass es nicht mehr davon gab und keiner hier versuchte, einen auf tolle Familie zu machen.

Und dass mein Alter weg war. Konnte ich gar nicht gebrauchen sowas.

Genau wie Tommy. Endlich niemand mehr hier, der an mir rummeckern würde.

Auf einmal sprang Lexie von der Arbeitsfläche und stopfte das Gerät in ihre Hosentasche. »Okay, ich muss jetzt los!«, grinste sie und winkte uns zu.

»Triffst du dich wieder mit diesen ekelhaften Punks da?« Ich hob meine Augenbrauen und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück, während sie auf die Tür zusteuerte. Meine Mutter zog an ihrer Zigarette und rieb sich erschöpft die Schläfen.

»Schau mal deine Freunde an. Die sind ekelhaft. Ganz ehrlich.«

»Fresse«, erwiderte ich und folgte ihr mit der Cornflakes-Packung in den Flur. Kein Bock, mit der Alten alleine zu sein. Nachher fing die dann wieder mit der Mitleidstour an.


Der Tag zog sich endlos in die Länge. Eigentlich wartete ich nur darauf, dass es abends wurde und ich mich mit Vadim treffen würde. Wir hatten uns am U-Bahnhof Hermannstraße verabredet und ich hatte absolut keine Ahnung, wie das Ganze ablaufen würde.

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now