24 | Das Gesocks und seine Paläste

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Schon als ich die Treppen von der Unterführung der S-Bahn-Station nach oben stieg, war klar, dass das Xenon nicht mehr weit sein konnte. Nicht nur aufgrund des dumpfen Klangs von Technomusik, der bis hierhin zu hören war, sondern auch, weil ich mit einem Mal nur noch von feiernden Menschen umgeben war.

Ich blieb einen Moment lang stehen, schaute mich um. Vor mir lag ein eintöniges Industriegebiet, in der Luft Stimmengewirr und der Geruch von Gras. Mein Blick blieb an ein paar Typen hängen, die am Rand des Platzes vor der S-Bahn-Station herumhingen. Einer von ihnen entfernte sich ein paar Schritte, bückte sich und drückte einem stehen gebliebenen Kerl etwas in die Hand, als er wieder kam.

Definitiv Dealer.

Noch während ich überprüfte, ob Tarek bei ihnen war, wurde ich auf einmal angerempelt. Scheinbar war so eine Missgeburt zu dumm zum Laufen. Aggressiv drehte ich mich um.

»Tschuldigung«, kicherte das Mädel hinter mir und prostete mir mit ihrer Sektflasche zu, natürlich nicht, ohne die Scheiße zu verschütten. Ich stieß sie grob zurück, gegen ihre Freundin, die wie sie ein bauchfreies Spaghettiträgertop trug. Warteten doch alle nur darauf, vom nächstbesten Typen gefickt zu werden.

Aber man musste schon ziemlich fertig sein, um ein Weib mit so kleinen Titten überhaupt durchnehmen zu wollen.

»Boah, chill mal, du Idiot«, lallte sie und legte mit einer fahrigen Bewegungen den Arm um ihre Freundin.

»Scheiß Schlampen«, murmelte ich, zeigte den beiden den Mittelfinger und wandte mich dann ab. Tarek konnte ich nicht entdecken, also ging ich los. Es war nicht weit bis zum Xenon, nur die Straße lang, dann zwischen zwei mit Graffiti besprayten Lagerhallen durch. Ich hatte fast schon mehr erwartet, als ein langgestrecktes Betongebäude, auf dessen Dach in gelben Neonlichtern der Name der Disco zu lesen war. Das letzte N leuchtete nur noch schwach, flackerte von Zeit zu Zeit auf.

Ich setzte mich auf ein verrostetes Ölfass, das in der Nähe des Eingangs herumstand, und von dem aus ich einen guten Überblick über den Parkplatz hatte.

Verdammt, was mussten hier auch so viele Leute rumhängen? Es war unmöglich, alles im Blick zu behalten. Naja, ich würde Tarek schon irgendwie finden.

Ich zündete mir eine Kippe an und inhalierte tief. Ein paar Kerle hatten ihre protzigen Karren dabei, ganz so, als könnten sie damit ihre Schwänze verlängern. Gut, schien sogar zu funktionieren, denn es gab genug Schlampen, die sich ihnen an den Hals warfen.

Dann entdeckte ich Tarek endlich. Er stand bei einem giftgrünen BMW herum, dessen Fahrer sich darin beweisen musste, dass er den Sound seines übertriebenen Sportauspuffes ertönen ließ. Ganz cool. Reichte ja nicht, dass das Ding schon so hart tiefergelegt war, dass man wahrscheinlich über keinen einzigen Stein fahren konnte.

Ich sprang von dem Ölfass herunter, schmiss den Kippenstummel weg und steuerte auf die Gruppe zu. Auch wenn Tarek eben ein Mädel volllaberte, nahm er mich gleich wahr, als ich mich ihm näherte. Aus den Boxen des Autos klang aggressiver Deutschrap, der Typ auf dem Fahrersitz kam mir bekannt vor, auch wenn ich nicht direkt sagen konnte, warum.

Weil der Motor lief, lag der Geruch von Abgasen in der Luft, vermischte sich mit dem süßlichen von Gras.

»Jay, Alter!«, lachte er und begrüßte mich mit Handschlag. »Ich hab' nicht damit gerechnet, dass du wirklich kommst.«

»Weil ich etwa so 'ne verkackte Pussy bin, oder was?« Ich kniff die Augenbrauen zusammen. Auch er würde noch raffen, dass er sich so eine Scheiße bei mir sparen konnte.

»Alles gut, Bruder«, lachte er und schlug mir fest auf den Rücken. Fest genug, dass ich zusammengezuckt wäre, hätte ich es nicht kommen sehen. »Du musst echt mal etwas für deine ... wie heißt das, innere Balance tun. Ist wirklich ungesund sonst.«

Die Verlierer - Könige der PlattenbautenWhere stories live. Discover now