Kapitel 10.

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„Leute!“, ruft ein Junge mit hellblonden Haaren genervt. „Wieso führt ihr euch so auf? Es war doch von Anfang an klar, dass es nicht ganz ungefährlich werden würde!“ Als er kurz lacht, blitzen seine weißen Zähne auf.

„Nein, ich dachte es würde nie besonders gefährlich werden, weil wir immer Betreuer in der Nähe haben!“, antwortet das Mädchen mit den blonden Strähnen im Haar und klingt aufgeregt und ängstlich.

„Es ist doch nur zur Absicherung für die Firma!“, sagt der Junge wieder und rollt mit den Augen.

Das Mädchen öffnet gerade den Mund, um etwas zu sagen, doch der Mann unterbricht sie: „Er hat Recht. Und wie ich sagte, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es so weit kommt.“ Schon wieder grinst er und ich werde erneut etwas misstrauisch. Hat er etwas vor? Aber dann denke ich wieder, dass es völliger Quatsch ist. Wahrscheinlich grinst er immer so.

„Habt ihr noch Fragen?“, fragt er eine Spur zu freundlich. Niemand meldet sich, also spricht er weiter: „Nun sind wir schon fast am Ende unserer Versammlung... Wir machen nur noch kurz eine Führerscheinkontrolle, dann könnt ihr auch schon gehen.“

Ich werfe einen Blick auf die Uhr, die neben der Leinwand hängt. Es ist fast 20 Uhr. Ich hätte damit gerechnet, dass wir erst spät abends nach Hause kommen, schließlich sollte es bei so etwas viel zu besprechen geben...

Wir müssen alle nach vorne gehen, ihm unseren Führerschein zeigen und Ray teilt uns eine Kopie der Landkarte und drei Schachteln mit irgendwelchen Geräten darin aus. Danach ist es auch schon geschafft.

Zum Abschied sagt er noch: „Wir sehen uns dann nächste Woche am Samstag zur Einweisung in die Busse und alles andere. Ihr werdet dafür noch eine Email bekommen, wo es stattfinden wird und so weiter! Ach ja, und vergesst nicht, das Buch zu lesen!“

Einige heben ihre Taschen vom Boden auf oder ziehen ihre Jacken an. Die Besprechung ist vorbei. Erst als mein Blick auf meine Hände fällt, wird mir bewusst, wie sehr ich das Buch umklammert habe, als wir die Sachen bekommen haben. Langsam löse ich sie davon und sehe die tiefen Abdrücke davon in meiner Handinnenfläche. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich es so fest gehalten habe.

„Möchtest du gleich gehen, oder noch mit den anderen reden?“, fragt jemand und ich erkenne erst einen Augenblick später, dass es mein Dad war.

Ich überlege kurz. Natürlich möchte ich die anderen näher kennenlernen und das war auch etwas, auf das ich mich heute am meisten gefreut habe. Wir haben zwar noch den Samstag, an dem wir uns besser kennenlernen können, aber vielleicht ist es gut, wenn ich jetzt schon ein paar Kontakte knüpfen kann... Trotzdem würde ich nur zu gerne aus diesem schrecklich grauen Raum hier herauskommen. Aber dann sehe ich, dass niemand von den anderen schon gegangen ist und ich möchte wirklich nicht diejenige sein, die als erste geht. Also sage ich: „Wenn es okay ist, möchte ich noch kurz hier bleiben.“

Dad nickt nur und geht zu dem dunkelhäutigen Jungen. Die anderen finden sich auch in kleine Gruppen zusammen und vertiefen sich in ihre Gespräche. Nur ich nicht. Ich bleibe einfach stehen und beobachte die anderen. Die drei anderen Mädchen stehen nicht weit entfernt von mir, aber ich kann nicht verstehen was sie sagen. Der Junge mit den hellblonden Haaren redet mit dem, der aussieht wie Liam und die zwei andere Jungs sprechen mit den Eltern. Erst jetzt wird mir klar, dass ich von keinem den Namen kenne. Doch, von einem – Daniel. Aber ich habe wirklich keine Ahnung wer er sein könnte. Der Dunkelhäutige? Oder doch der Blonde? Oder vielleicht der, der aussieht wie Liam? Und dann gibt es noch einen mit diesen dunkelbraunen, fast schwarzen Haaren, der jetzt vorne in der Ecke bei dem Mann steht, der uns all die Dinge über die Tour erzählt hat. Dad hat mir erzählt, dass Daniel der Sohn von seinem Chef ist.

Mein Blick wandert wieder zum Fenster, wo jetzt im Halbdunkeln nur noch die Umrisse der Häuser zu sehen sind. Ich bin so in den Anblick vertieft, dass ich zusammenzucke, als ein Mädchen mich leicht anstupst und unsicher sagt: „Hi. Ich bin Heather.“ Sie grinst, als ich erschrecke.

„Ich … Ich bin Laura. Laura Wood“, stottere ich.

„Und was treibt dich dazu, hier mitzumachen?“, fragt sie, kaum habe ich ausgesprochen.

„Ich … Ähm...“ Wenn ich ehrlich bin, weiß ich es selbst nicht so genau. Und ich habe keine Ahnung, wie ich das jetzt Heather erklären soll. Aber sie wartet gar nicht auf meine Antwort sondern erzählt einfach von sich selbst: „Eigentlich möchte ich gar nicht hier sein. Aber meine Eltern haben mich gezwungen. Ich hatte die Wahl zwischen einem zweimonatigem Lerncamp in Washington und dem hier. Dann habe ich mich eben hierfür entschieden...“ Sie seufzt und lässt ihren Blick über den Raum schweifen. Ihre Augen sind auf den Mann vorne gerichtet, der mit dem schwarzhaarigen Jungen spricht. Ich habe gar nicht erwartet, dass sie noch etwas sagt, doch sie meint: „Findest du es hier nicht auch schrecklich grau?“

„Doch… Schon...“ Ich weiß wirklich nicht was ich sagen soll.

„Wirklich gesprächig bist du wohl nicht, was?“, lacht sie und geht weiter.

WoodkissWhere stories live. Discover now