Kapitel 80.

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Mir ist völlig egal, dass Max uns wahrscheinlich zusieht. Es ist einer der schönsten Momente der ganzen Tour. Wenn ich die Augen öffne, sehe ich den glitzernden Fluss, die grünen Bäume und den Himmel, der immer dunkler wird. Es ist leicht irritierend, dass es dunkler wird, wo ich doch erst gerade aufgewacht bin. Wir stehen immer noch im kalten Wasser, doch aus welchem Grund auch immer friere ich nicht.

Irgendwann läuft mir doch ein Schauer von den Füßen aufwärts. Ich löse mich langsam von Jayden und schaue ihm noch einmal tief in die Augen. Dann drehe ich mich um und wate aus dem Wasser. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er noch im Wasser bleibt. Max lehnt immer noch am Baumstamm und als sich unsere Blick kurz kreuzen, schaut er schnell zu Boden.

Heather wacht auf und wir beschließen gemeinsam, wieder zurück zu unserem Nachtlager zu gehen. Ich hoffe, dass die anderen sich nicht zu viele Sorgen um uns machen. Schließlich waren wir jetzt fast einen Tag von ihnen getrennt. Auf dem Rückweg komme ich nicht darum herum, Jayden zu erzählen, was passiert ist. Jetzt bin ich nicht mehr von den Tropfen außer Gefecht gesetzt und kann klar denken. Er schildert mir dafür im Gegenzug, was passiert ist, nachdem Daniel mich gefangen hat. Sie sind lange gelaufen, um mich zu finden. Irgendwie rührt es mich auch, dass Jayden trotz seiner Müdigkeit nicht aufgegeben hat. Er hat in der letzten Nacht kein Auge zubekommen.

Wir überlegen gemeinsam. Wieso hat Daniel mir das angetan? Wieso taucht er einfach mitten in der Nacht an meiner Hängematte auf, obwohl wir ins doch längst als verschwunden geglaubt haben? Wieso setzt er mich einfach mitten in einem Wald aus und verschwindet dann einfach? Das macht doch überhaupt keinen Sinn!

Okay, das mit den Tropfen ist klar. Vermutlich wollte er einfach nur, dass ich ihm widerstandslos folge. Und das habe ich ohne Zweifel getan. Außerdem denken wir, dass sein Vater, der Chef, Clint, ihm befohlen hat, noch einmal hier her zu kommen. Um mich zu entführen. Ich meinte, Daniel würde das auch aus freien Stücken tun. Aber wieso setzt er mich dann einfach aus? Hilflos? Er hätte mich genauso gut auch mitnehmen können. Obwohl mir es so, wie er es getan hat, tausend Mal besser gefällt, werde ich nicht aus ihm schlau.

Irgendwann habe ich keine Lust mehr, an ihn zu denken und ich schiebe die Gedanken in den hintersten Teil meines Gehirns.

Wir kommen erst bei Avery, Kim und den anderen im Nachtlager an, als es bereits dunkel ist. Alle – sogar Logan – umarmen mich zuerst. Auch Jackson ist froh, mich zu sehen. Sie alle waren die ganze Nacht und den ganzen Tag wach, um nach mir zu suchen. Das schätze ich an ihnen. Seit die Flöße zerstört sind, ist Jackson viel netter geworden. Nach diesen Szenen für das Videotagebuch, zu denen er uns gezwungen hat, hat er aufgehört, uns herumzukommandieren. Ich finde es immer noch seltsam, aber trotzdem ist es toll, dass er sich so geändert hat.

Zum Glück haben mir alle geglaubt, dass Daniel mich entführt hat, und nicht, wie ich am Anfang erzählt habe, Essen suchen wollte. Diese Ausrede ist unlogisch. Ich meine, wer geht schon mitten in der Nacht auf Essenssuche?

Niemand verliert auch nur ein Wort darüber, dass wir heute schon in Timmins hätten sein können. Und da kommt mir ein weiterer Gedanke: Wollte Daniel verhindern, dass wir nach Timmins gehen? Es war, als wollte er unseren Aufenthalt im Wald noch verlängern. Aber wieso? Was bringt es ihm? Oder seinem Vater? Ein Videotagebuch bekommen sie schon lange nicht mehr. Ich könnte mir aber dennoch vorstellen, dass er es aus reiner Bösartigkeit tun würde. Er will uns noch länger zappeln lassen.

Ich würge ein paar Regenwürmer herunter, aber das ist dann auch schon alles. Mir hängt das ganze Essen schon zum Hals raus. Meine letzten Müsliriegel haben Jayden und ich gestern gegessen und selbst Benjamin hat keine Vorräte mehr.

Ich lege mich in meine Hängematte, obwohl es eigentlich noch dämmert. Aber ich möchte nicht mehr wach bleiben. Ich habe das Gefühl, als würden mich meine Gedanken von innen heraus auffressen.

Erstaunlicherweise schlafe ich sogar recht früh ein und ich falle in tiefe Träume. Das letzte, was ich denke, ist, dass wir es morgen vielleicht schaffen werden, nach Timmins zu kommen. Aber so wie ich zur Zeit Glück habe, klammere ich mich nicht besonders an diesen Gedanken.

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