Kapitel 21.

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Am nächsten Morgen wecken mich die Sonnenstrahlen auf. Als ich mich umblicke, sehe ich, dass die anderen immer noch schlafen. Also ziehe ich mir nur kurz eine Jeans an und eine Jacke über meinen Pullover. Möglichst leise versuche ich die Türe zu öffnen. Es dauert nicht lange, dann haben sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt. Das Licht taucht die ganze Umgebung in wunderschönes orangenes Licht. Wir stehen irgendwo außerhalb von der Großstadt Ottawa.

Ich steige aus unserem Bus und als ich die Türe schließen möchte, fällt mein Blick auf die Spiegelreflexkamera, die auf dem Küchentisch liegt. Dabei denke ich mir, dass es die perfekte Gelegenheit wäre, Bilder zu machen. Also hänge ich sie mir um den Hals und mache dann die Türe zu.

Als ich über den „Parkplatz“ (eigentlich ist es nur irgendein Platz, der manchmal zum Lagern von Holz genutzt wird) gehe, knirscht der Kies unter meinen Füßen. Ich gehe auf die Wiese zu, auf der wir gestern gelegen haben. Dort in der Nähe fließt der Fluss, der genauso heißt wie die Stadt: Ottawa. Ich glaube, er könnte ein schönes Motiv für ein Foto sein, wenn die Sonne darin schimmert.

Als ich am Bus der Jungs vorbeilaufe, sehe ich bei ihnen keine Regung. Wahrscheinlich schlafen auch sie noch.

Früher habe ich viel Fotografiert. Mein Großvater hat mir seine alte Kamera geschenkt und mit dreizehn habe ich mir meine eigene gekauft. Ich war oft mit Freundinnen draußen. Wir haben alles fotografiert, was uns in den Weg kam. Manchmal kamen dabei auch ziemlich gute Fotos heraus. Irgendwann ist dieses Hobby allerdings eingeschlafen, weil ich nicht mehr viel Zeit dazu hatte. Aber das heißt ja nicht, dass es jetzt nicht wieder aufleben könnte.

Inzwischen bin ich an meinem Ziel angekommen. Ich schalte die Kamera an und knipse erst mal die ganze Umgebung ab. Danach setze ich mich einfach auf die noch feuchte Wiese.

Ich genieße nochmal die Aussicht, bevor wir heute weiterfahren werden.

Als ich plötzlich ein lautes Knacken hinter mir höre, zucke ich zusammen. Ich drehe mich um: Jayden. Wer hätte es erwartet? Spioniert der Typ mir eigentlich hinterher? Es ist schließlich schon das zweite Mal, dass er mich so erschreckt!

„Jayden“, sage ich nur und drehe mich wieder nach vorne um, um mir die Landschaft anzuschauen.

„Tut mir Leid“, entschuldigt er sich etwas schüchtern bei mir und ich merke, dass er es wirklich ernst meint. „Habe ich dich erschreckt?“

Ja, er hat mich erschreckt. Aber ohne, dass ich irgendetwas tun kann, antworte ich trotzdem: „Nein, passt schon.“ Ich lächle ihn sogar an.

Was ist denn los mit mir? Wieso lüge ich wegen ihm?

Langsam und leicht zögernd setzt er sich neben mich. „Wegen gestern...“, beginnt er, hält aber mitten im Satz plötzlich an. Ich muss ihn fragend ansehen, damit er weiterspricht. „Dieser Moderator … war doch echt total daneben oder?“

Wieso fängt er jetzt mit dem Thema an? „Jaah...“, sage ich in die Länge gezogen. Ich weiß nicht, worauf er hinaus will...

Ich höre, wie er kurz Luft holt. „Du musst dir deswegen keinen Kopf machen. Leute, die solche Dinge sagen, achten nicht auf Dinge, die wirklich zählen. Du hast aus Liebe zu deinem Vater gehandelt, richtig? Wahrscheinlich fand die halbe Nation es total nett, wie ihr euch entgegengelaufen seid...“ Was soll das denn jetzt heißen? Wieso sagt er mir das? Ich merke, wie ich ihn ansehe. Er weicht meinem Blick aus.

Je mehr ich über seine Worte nachdenke, desto mehr finde ich, dass er Recht hat. Also zucke ich mit den Schultern, schaue ihn aber immer noch an. Dann muss ich – ohne es zu wollen – plötzlich lächeln.

Dann scheint es ihm auf einmal peinlich zu werden und fragt, um abzulenken: „Hast du Fotos gemacht?“ Aber ohne meine Antwort abzuwarten, fährt er fort: „Lass mal sehen.“

WoodkissWhere stories live. Discover now