Kapitel 65.

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Ich bin überrascht, wie „gut“ Outdoor-Essen schmecken kann. Jayden hat Recht, es ist gar nicht mal so übel. Nachdem der erste im Magen gelandet ist, folgt kurz darauf schon der nächste. Es dauert nicht lange, und schon haben ich und Jayden den Haufen in seiner Hand aufgegessen. Wir machen uns sogar extra nochmal auf den Weg, um neue zu suchen. Die Würmer hinterlassen zwar einen ekelhaften Nachgeschmack auf der Zunge, doch den ignoriere ich. Wir haben Glück, dass es vor nicht allzu langer Zeit geregnet hat, und einige Regenwürmer noch an der Oberfläche sind.

„Jayden?“, frage ich, als wir gemeinsam im Boden herumstochern. Seit gestern weicht er nicht mehr von meiner Seite.

„Hm?“, macht er konzentriert. Ich richte mich auf und mein Rücken knackst laut.

Ich hole tief Luft. „Was denkst du über den Kuss gestern?“ Ich hatte Angst vor der Frage, und es hat mich einiges an Überwindung gekostet, sie zu stellen.

Jayden richtet sich ebenfalls auf und überlegt. „Ich weiß es nicht“, sagt er schließlich und enttäuscht mich irgendwie. Ich will den Mund öffnen, um etwas zu sagen, doch Jayden spricht weiter: „Du hast mir von diesem Liam erzählt... Er hat dich nach fünf Jahren Beziehung verlassen...“ Worauf will er hinaus? Er holt Luft, dann sagt er: „Magst du ihn noch?“ Er kommt einen kleinen Schritt näher, bleibt aber trotzdem weit von mir entfernt stehen.

Ich überlege kurz. So direkt habe noch nicht einmal ich selbst mir die Frage gestellt. Ich muss überlegen. Es ist schwierig, zu sagen, ob ich ihn noch mag, oder liebe. Er hat mich zutiefst verletzt. Und es wird deshalb auch nie wieder so sein wie früher. Und ich weiß auch nicht, ob wir jemals auch nur wieder befreundet sein könnten. „Ich weiß es nicht“, entscheide ich schließlich. Es ist wirklich unmöglich, herauszufinden, ob ich ihn jetzt noch mag. Ich erinnere mich an dieses tiefe Gefühl, das ich früher immer hatte, als wir uns gesehen haben. Das Gefühl, bei ihm sicher und geborgen zu sein. Aber seitdem er mich geschlagen hat, habe ich es nicht mehr gehabt. Doch jetzt taucht es plötzlich bei Jaydens Gegenwart auf. Das verwirrt mich leicht. Ich habe das kribbelnde, warme Gefühl, wenn ich an Liam dachte, auch nicht mehr. Wenn er in meinen Erinnerungen auftaucht, verbinde ich es immer mit Trauer und Schmerz. „Nein“, sage ich schließlich.

Jayden kommt noch ein wenig näher. „Ich mag dich, Laura“, gesteht er und mein Herz macht einen Hüpfer. „Schon von Anfang an.“ Er schweigt und schaut mir tief in die Augen. Und ich halte seinen Blick. Ich muss lächeln und er lächelt leicht zurück. Mir fällt zuerst gar nicht auf, dass er ein wenig nervös ist, denn ich bin so von seinen faszinierenden Augen abgelenkt. Erst als noch ein nervöses Lächeln seine Lippen umspielt, verstehe ich es. Er wartet darauf, dass ich auch etwas sage!

„Ich mag dich auch, Jayden.“ Ich möchte noch mehr sagen und öffne den Mund. Doch dann traue ich mich nicht und schließe ihn wieder. Jayden bemerkt das und spricht nicht weiter, solange ich nicht sage, was ich sagen wollte. Er spricht das zwar nicht aus, aber ich sehe es ihm praktisch an. „Du hast mir gezeigt, dass ich über Liam hinweg kommen muss und hast mir beigebracht, wieder zu lieben.“ Ich weiß, dass er meine Botschaft darin verstanden hat, denn er lächelt.

Er kommt näher und greift nach meinen Händen. Er spielt damit und uns beiden ist es egal, dass die gesammelten Regenwürmer auf den Boden fallen. Unsere Köpfe kommen sich näher, bis wir schließlich wieder in einem Kuss enden.

- - -

Erst nach einigen Minuten lösen wir uns wieder voneinander. Ich lächle ihn an und er lächelt glücklich zurück. Wir bücken uns beide gleichzeitig, um die Würmer aufzuheben und stoßen uns an den Köpfen an. Wir brechen beide in Lachen aus und es lässt mich ein wenig die letzten schrecklichen 24 Stunden vergessen.

WoodkissWhere stories live. Discover now