Kapitel 38.

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Avery schimpft mir uns, weil wir erst so spät zurückkommen, aber ich finde, das ist es wert. Ich habe gerade einen der schönsten, wundervollsten und faszinierendsten Momente meines Lebens erlebt. Erst als wir gegangen sind, sind auch die Fische von uns gewichen.

So schnell wie sie kann bereitet Avery die Fische zu und Carter und Heather versuchen, ein Lagerfeuer zu machen. Soweit ich es erkennen kann, klappt es nicht besonders gut.

Jeder erhält einen Teller und einen Stock, an dem man die Fische aufspießen und dann ins Feuer halten soll. Auf diese Art habe ich noch nie einen Fisch gegessen. Aber ich muss zugeben, es schmeckt gut.

Ich sehe, wie Logan Jayden einen hasserfüllten Blick zuwirft, und dieser ihn erwidert. So geht das die ganze Zeit. Kaum eine Minute vergeht, ohne dass ich bemerke, dass sie sich so anschauen. Ich will nicht, dass sie sich wegen mir nicht mehr verstehen. Das schadet der ganzen Stimmung! Obwohl … Die ist durch die Platten eh schon im Keller...

Ab und zu erhasche ich Blicke von Heather, die sie Carter zuwirft. Ich kann nicht genau deuten, was es ist, das in ihren Augen liegt. Aber es sieht nach Sehnsucht aus... Carter bemerkt ihre Blicke nicht einmal.

Kim läuft immer wieder mit der Kamera in der Hand um und herum und nimmt uns dabei auf, wie wir essen. Erst jetzt fällt mir auf, wie schnell die Zeit vergangen ist. Schon seit acht Tagen sind wir unterwegs.

Den Nachmittag verbringen wir mit Ausruhen. Ich verstecke mich auf einer sonnenbeschienenen Lichtung irgendwo im Wald, die ich auf dem Hinweg zum See gesehen habe. Nicht allzu weit entfernt von den Bussen. Ich liege einfach im Gras. Umgeben von tausenden von Blumen. Sie haben alle verschiedene Farben. Rot, Gelb, Blau, Weiß … Mit diesem Anblick schlafe ich ein.

Und Aufgeweckt werde ich von leisem Flüstern. Als sich die Augen aufschlage, sitzt Jayden neben mir. „Was machst du denn hier?“, stottere ich. Und kaum habe ich mich umgesehen, kenne ich die Antwort. Es ist dunkel. Das Einzige, was Helligkeit spendet, ist der Mond, der heute genauso hell scheint wie gestern Nacht. Aber ich liege immer noch auf der Lichtung.

„Ich habe dir eine Decke mitgebracht“, sagt er. Schon wieder! Er denkt einfach immer an mich! Die anderen hätten mich wahrscheinlich total vergessen und hätten mich einfach liegen gelassen...

„Ich bin … wohl eingeschlafen...“, versuche ich zu erklären. „Wie hast du mich gefunden?“

„Das war nicht schwer. Ich wusste, dass du irgendwo hier sein müsstest. Ich habe die Lichtung heute morgen schon gesehen“, antwortet er.

„Es ist schön hier!“, sage ich unwillkürlich und betrachte die Blumen, die sich, während ich geschlafen habe, zusammengefaltet haben und jetzt im Mondlicht schimmern. „Wieso hast du nach mir gesucht?“, rutscht es mir plötzlich von der Zunge. Eigentlich hatte ich gar nicht vor, das zu fragen.

„Ja“, meint er nur, obwohl das nicht wirklich die Antwort auf meine Frage ist. Aber ich möchte nicht nochmal fragen. Er hätte mich genauso vergessen können, wie die anderen. „Ich wollte dir mitteilen, dass Kim heute keinen Kontakt mit den Betreuern herstellen konnte. Wegen dem Videotagebuch. Wir vermuten, dass der Laptop kaputt ist. Wir haben alles versucht. Sie ist sogar mit dem Bus näher an die Stadt gefahren, falls es am Empfang lag, aber es hat nicht funktioniert. Die E-Mail wollte einfach nicht herausgeschickt werden. Wahrscheinlich wird das Video morgen nicht ausgestrahlt...“

Ich sage nichts dazu. Eigentlich ist es mir sogar egal. Und dann fällt mir auf, dass ich die Ausstrahlung des Videotagebuchs von gestern verschlafen habe. Ich selbst habe es gedreht. „Hast du im Fernsehen das Video von gestern gesehen?“

„Ja...“, antwortet er mit Nachdruck. Ich erwarte schon die nächste Katastrophe. Ich sehe, wie er schluckt.

„Was ist passiert?“

Er zögert kurz. „Sie haben gesagt, dass deine Aufnahme das schlechteste Video von allen war...“ Unwillkürlich balle mich meine Finger zusammen. Klar, dass an dem Tag nichts besonders Spannendes passiert ist, aber … „Der Moderator hat sich dafür entschuldigt, dass es so schlecht geworden ist.“ Ich zucke zusammen, als plötzlich ein Knurren aus meinem eigenen Mund kommt. „Aber es war nicht schlecht!“, sagt Jayden schnell. Ich schaue ihn mit einem Das-Video-war-ganz-bestimmt-nicht-gut-Blick an, woraufhin er antwortet: „Nein, ehrlich. Es war toll. Du hast tolle Aufnahmen von der Kanutour gemacht. Wie hast du es geschafft, die Kamera so ruhig zu halten?“ Ich schaue ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich will ihm immer noch nicht so recht glauben.

Lange Zeit sagt niemand von uns noch etwas, bis er plötzlich meint: „Der Kuss gestern … Es tut mir Leid.“ Das sagt er jetzt schon zum zweiten Mal.

„Das … ist nicht schlimm.“ Ich lächle ihn aufmunternd an.

WoodkissWhere stories live. Discover now