Kapitel 11.

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Wir bleiben nicht mehr lange und schlussendlich sind doch wir es, die als erste gehen. Und nicht einmal jetzt kenne ich alle Namen! Heather hat mir später noch erzählt, dass der Junge, der aussieht wie Liam, Jayden heißt. Ich konnte mich nicht davon abbringen, sie danach zu fragen. Außerdem hat sie mir ihre Handynummer gegeben. „Nur für alle Fälle“, hat sie gesagt.

Wieder im Auto fragt Dad mich: „Wie fandest du es?“

„Was?“, frage ich.

„Die Versammlung!“ Er hat so einen merkwürdigen Unterton, der mich kurz zögern lässt.

„Ich … ich weiß nicht...“ Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich jetzt unbedingt etwas sagen muss, aber ich weiß nicht was. Also stottere ich einfach weiter: „Ziemlich … durcheinander. Der Mann war etwas unorganisiert...“

Dad unterbricht mich: „Dieser Mann … ist mein Chef.“ Er sagt es, als hätte er die ganze Zeit darauf gewartet, mir das erzählen zu können.

Das war Dads Chef?! Irgendwie hätte ich das nicht erwartet... Ich hatte ihn mir immer als einen strengen Herr mit Halbglatze und Brille und allem vorgestellt, als Dad früher von ihm erzählt hat – eben wie ein gewöhnlicher Chef aussieht, aber irgendwie haben seine Zähne seine ganze Autorität zerstört. (anderen würde das wahrscheinlich gar nicht auffallen, aber ich hatte irgendwie schon immer Augen für Kleinigkeiten)

Dad sagt noch: „Er hat uns wenig Informationen gegeben, findest du nicht?“ Es hört sich an, als würde er mich direkt darauf hinweisen wollen. In Gedanken stimme ich ihm zu, aber in Wirklichkeit zucke ich nur mit den Schultern.

Eine Woche später – Samstag

In Gedanken gehe ich nochmal alle Sachen durch, die ich eingepackt habe. Vor zwei Tagen kam per Email eine Checkliste für die Dinge, die wir für die Tour brauchen. Und ich bin wirklich dankbar dafür! (Sonst hätte ich echt nicht gewusst, was ich hätte mitnehmen sollen!)

Ich schleppe meinen Koffer durch die Tür nach draußen. Die aufgehende Sonne blendet mich kurz und ich bleibe für einen Moment stehen. Ich genieße die Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Es ist noch sehr früh, denn wir haben einen weiten Weg vor uns. Dad nimmt mir den Koffer ab und legt ihn ins Auto. Er wird mich zum Vorbereitungstag bringen. Morgen werden Mum und meine Schwester Lisa zum Start nachkommen. Sie beide haben darauf bestanden zu kommen, obwohl sie viel fahren müssen. Und ich habe versucht es ihnen auszureden – vergeblich.

Ich sitze im Auto und werfe noch einen letzten Blick auf unsere Straße und die Häuser. Da ist unser Haus und – gleich daneben – wohnt Liam. Ich zwinge mich, nicht das Haus anzustarren. Wir haben uns kaum noch gesehen. Zuletzt habe ich ihn am letzten Schultag – gestern – gesehen, als er in seinem neuen Auto, das er zu seinem 18. Geburtstag von seiner Mutter bekommen hat, an der Schule vorbeigerast ist.

Ich bemerke, wie mein Blick langsam zu Liams Haus gewandert ist. Schnell wende ich mich wieder ab und sehe, dass jetzt Mum und Lisa in der Auffahrt zu unserem Haus stehen. Sie winken uns und plötzlich startet Dad den Motor. Ich kann noch kurz meine Hand heben um zurück zu winken, dann fährt er auch schon los.

Wir biegen um die Kurve am Ende unserer Straße ab und das letzte, was ich von den Häusern sehe, ist Liam, der jetzt aus der Haustür tritt. Plötzlich frage ich mich: Weiß er, dass ich bei der Tour mitmache und erst in zwei Monaten wiederkommen werde? Wahrscheinlich nicht, denn ich habe es ihm nicht erzählt. Und auch sonst weiß es keiner, außer meine Familie. Nachdem Liam mich verlassen hat, habe ich alle meine Freunde weggestoßen. Ich weiß nicht mal, ob sie überhaupt bemerken werden, wenn ich nicht da bin. Vielleicht sehen sie mich ja mal im Fernsehen... Und irgendwie hoffe ich, dass sie es nicht sehen.

WoodkissWhere stories live. Discover now