Kapitel 44.

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Und wieder wache ich auf. Ich will nicht wissen, wie oft das jetzt schon so gelaufen ist, in den letzten Tagen.

Diesmal ist alles stockfinster. Alles ist still. Doch dann erkenne ich einen schemenhaften Umriss nicht einmal zwei Meter neben meinem Bett entfernt, der an der Wand lehnt. Das leichte Schielen bereitet mit Kopfweh und als ich mich aufsetze, um die Gestalt besser sehen zu können, erwacht sie aus ihrer Starre und kommt auf mich zu. Ich erschrecke und versuche für einen Moment, mich wieder unter der Bettdecke zu verkriechen wie ein kleines Kind, das sich vor Monstern in der Dunkelheit fürchtet.

„Laura?“, fragt die Gestalt. Ich erkenne die Stimme sofort. Jayden. Wer sonst? Die anderen haben sich ja nicht mehr blicken lassen... Er steht jetzt an meiner Bettkante und sagt wie schon so oft in letzter Zeit: „Wie geht es dir?“ Ich glaube, jedes zweite unserer Gespräche beginnt mit dieser Frage...

Ich hebe vorsichtig meinen rechten Arm und sehe, dass er in dicken Gips liegt. Aber zumindest tut es nicht mehr so stark weh. „Gut“, sage ich als meine Standartantwort. „Wie geht es den anderen? Du hast nicht mehr das sagen können, was du im Flugzeug erzählen wolltest!“

Er schaut mich stirnrunzelnd an. „Ich meine das über den Streit“, helfe ich ihm auf die Sprünge.

Wie schon vor ein paar Stunden schaut er betreten weg. Er macht eine lange Pause, die meine Spannung so steigert, dass ich es kaum mehr aushalten kann. „Ich habe dir bereits erzählt, dass Daniel sich keine einzige kleine Verletzung zugezogen hat. Er hatte ein unversehrtes Handy. Und das, obwohl er im gleichen Flugzeug abgestürzt ist wie wir. Warum?“ Die Frage ist an mich gestellt.

Ich runzele die Stirn, damit er weiß, dass ich keine Ahnung habe und er fortfahren soll. Aber das tut er nicht. Er wartet auf meine Antwort. Also gehe ich in meinen Gedanken soweit zurück, dass ich an dem Moment ankomme, wo wir in das Flugzeug in Timmins eingestiegen sind. Ich habe mich auf einen Fensterplatz gesetzt und Jayden saß neben mir. Nichts besonderes. Und die anderen? Die hatten alle ihren Platz gefunden. Oder? Nein – einer nicht. Daniel! Er ist direkt durch den Vorhang zum Cockpit gegangen. Und da ist er auch nicht wieder herausgekommen! „Daniel hatte einen Platz im Cockpit.“

„Genau. Aber etwas ist doch seltsam daran, oder?“, fragt er weiter. Kann er mir nicht einfach die ganze Geschichte erzählen, anstatt mich selbst darauf kommen zu lassen? Also strenge ich mein Gehirn weiter an, obwohl sich das Kopfweh wieder meldet. So langsam werde ich ziemlich gut darin, Schmerzen zu ignorieren!

Was war seltsam daran? Na ja, wieso geht er ins Cockpit, obwohl alle anderen sich Plätze im Raum gesucht haben. An Platzmangel konnte es nicht gelegen haben. Und er kam nicht wieder heraus. Was war im Cockpit vorgegangen? Es könnte natürlich einfach nichts bedeuten, aber das ist eher unwahrscheinlich. Das Flugzeug ist abgestürzt, weil der Pilot vor dem Start Drogen genommen hat und ohne genügend Benzin geflogen ist. Außerdem hat er die Sicherheitsanweisungen nicht beachtet. Ich erinnere mich daran, dass er ständig versucht hat, uns zu beruhigen. Zuerst ist das Flugzeug von starken Windböen hin- und hergerissen worden. Dann sind wir immer weiter nach unten gestürzt. Ich weiß nichts mehr von alldem, weil mich etwas am Kopf getroffen hatte und ich deshalb bewusstlos wurde. Der Doktor hat gesagt, dass ich nur wegen dem Schlag auf den Kopf keine Erinnerungen mehr an den gesamten Flug hatte, als ich zwischendurch einmal aufgewacht war und versucht habe, Jayden zu helfen.

Jayden hat erzählt, dass nur der Pilot nicht überlebt hat. Wieso ist nur der Pilot gestorben? Er war vorne im Cockpit, aber genauso wie Daniel. Und ihm ist nach Jayden keinerlei passiert. Seltsam, dass zwei Personen, die beim Absturz so ziemlich an der gleichen Stelle waren, so unterschiedliche Schicksale haben, oder?

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