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Montag Morgen. Mein Wecker klingelt und beendet das wie jedes Mal viel zu kurz geratene Wochenende. Ich stöhne genervt auf und lange blind nach dem Teil, was eines der beschissesten Geräusche, die es am Morgen gibt, macht und schalte diesen aus. Irgendwann schmeiße ich ihn noch aus dem Fenster, wobei ich das lieber nicht machen sollte. Meine Mutter gibt mir garantiert kein Geld damit ich mir einen neuen kaufen kann und auf meinen Handywecker kann ich mich nach meinen Erfahrungen nicht wirklich verlassen. Der klingelt einfach mal nicht. Und aus genau diesem Grund hätte ich schon öfters fast verschlafen.

Ich schüttel schnell den Gedanken wieder ab, schmeiße meine Bettdecke zur Seite und stehe auf. Montag. Einer der Tage, die ich überhaupt nicht leiden kann. Aber eines hasse ich noch wesentlich mehr als mich nach einem so schön erholsamen Wochenende so früh aus dem Bett quälen zu müssen. Nämlich den Grund dafür. Schule. Eigentlich habe ich ja nicht wirklich einen Grund um Schule zu hassen. Ich ging ehrlich gesagt immer gerne in die Schule. Meine Noten waren auch nie schlecht. Das war aber gewesen bevor ich ihn traf.

Nachdem ich aufgestanden bin strecke ich mich kurz und gehe dann zu meinem Kleiderschrank. Noch halb schlafend öffne ich die Schranktüren und greife rein. Wahllos nehme ich mir ein paar Sachen aus dem Schrank und in dem Moment ist es mir relativ egal ob sie zusammen passen oder ich am Ende wie ein Clown rumlaufe.

Mit den Sachen in meiner Hand husche ich schnell in das nebenan liegende Badezimmer, bevor mir noch mein jüngerer Bruder Julius zuvorkommt und Ewigkeiten das Bad besetzt. Der braucht immer eine halbe Ewigkeit das Badezimmer und braucht deutlich länger als meine ältere Schwester, als sie noch hier wohnte. Und das will wirklich was heißen. Manchmal frage ich mich echt was mein Brüderchen immer so lange da drinne braucht. Aber andererseits auch wieder nicht. Hauptsache ist das er dann wieder herauskommt, damit auch jemand von uns anderen noch reinkommt.

Im Badezimmer lege ich die Sachen auf die Waschmaschine und ziehe die Sachen, die ich gerade noch anhatte, aus. Nun fällt mein Blick zu dem Spiegel über dem Waschbecken und erschrecke mich fast vor mir selbst. Was sind das nur für dicke Teile von Augenringen unter meinen Augen? Die sehen ja noch schlimmer aus, als die von meinem Cousin Fritz, wo er und seine Frau ihr erstes Kind bekamen und die schlaflosen Nächte begannen.

Ich sehe an meinem Körper runter und sehe die unzähligen Narben an meinen Armen, meinem Oberkörper und meinen Hüften. Diese Narben habe ich mir alle selbst zugefügt. Ich ritze mich. Und das schon seit einiger Zeit. Nie wollte ich das, aber ich habe damit angefangen und kann einfach nicht mehr aufhören. Ich weiß genau, was ihr euch gerade denkt. Nicolas, ritzen ist nichts gutes und es hilft niemanden. Aber was würdet ihr machen, wenn ihr in der Situation sein würdet, in der ich bin? An meiner Stelle?

Ich schüttel den Kopf und steige nun unter die Dusche. Ich drehe das Wasser auf. Das Wasser läuft an meinem Körper herunter und ich entspanne mich. Für einen Moment fallen alle meine Probleme und Sorgen von meinen Schultern, die im nächsten Moment alle wieder da sind.

Ich nehme mir noch die Haarwäsche und wasche noch meine Haare, bevor ich wieder aus der Dusche steige, mich anziehe und fertig mache.

Nachdem ich mich angezogen und fertig gemacht habe gehe ich wieder aus Badezimmer und mache mich auf dem Weg runter in die Küche. Unten in der Küche sitzt meine Mutter bereits am Tisch. Ihre langen braunen Haare hängen ihr glatt über ihre Schultern und als sie mich bemerkt lächelt sie mich an. Ich erwidere das Lächeln. Meine Mutter ist einfach die schönste Frau die ich kenne. Aber leider passen nicht alle Sachen an ihr so zusammen. Ihr Lächeln und ihre Augen sprechen verschiedene Sprachen. Während ihr Lächeln warm und herzlich ist, zeugen ihre Augen von Schmerz und Angst. Dieses wunderschöne blau, dass ich viel lieber hätte als diese braunen Augen, die mich jedesmal wenn ich sie sehe an diesen einen Mann erinnern, der mir meine halbe Kindheit zur reinen Hölle machte.

Meine Mutter ist die liebste Person auf Erden. Sie ist das komplette Gegenteil von meinem Vater. Er war nicht nett oder ein guter Vater. Er war grausam und unberechenbar. Tag für Tag schlug und missbrauchte er meine Geschwister und mich. Jedes Mal mussten wir uns Ausreden einfallen lassen woher diese Verletzungen dann kamen. Jedes Mal ließ er unsere Mutter dabei nicht aus. Bei ihr war er sogar noch grausamer gewesen. Meist verteidigte sie uns Kinder vor ihm und er ließ sie dann dafür leiden. Dieser Mann hatte kein Herz.

Als ich 8 Jahre alt war verließ sie ihn und ging zur Polizei. Sie erstattete Anzeige und er kam wegen noch anderer Delikte ins Gefängnis. Seit diesem Tag hatte sie uns allein durchgebracht, was nicht so ganz einfach war. Aber gleichzeitig leben wir seitdem jeden Tag in der ständigen Angst, das er zurückkommen könnte. Das er zurückkommen könnte und bei dem Punkt weitermachen könnte, wo er damals aufgehört hat. Und das alles obwohl wir genau wissen, dass er hinter Schwedischen Gardinen sitzt und es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass er dort so schnell wieder herauskommt.

„Guten Morgen Schatz. Hast du gut geschlafen?", fragt sie mich und nicke. Sie nickt ebenfalls und nimmt sich ein Brötchen aus dem Brotkorb um es zu schmieren. Ich setze mich mit an den Tisch und in dem Moment betritt auch mein 1 Jahr jüngerer Bruder die Küche und setzt sich mit an den Tisch. „Guten Morgen Julius.", begrüße ich ihn, worauf er aber nur abwesend nickt. Ist der ernsthaft immer noch müde? Naja, der Kerl kommt eh noch schlechter aus dem Bett, als ich selbst fast jeden Morgen. Er ist überhaupt kein Morgenmensch.

Nach dem Frühstück hole ich meine Tasche und ziehe bei der Tür meine dicke Jacke und Schuhe an. Danach warte ich noch auf meinen Bruder, welcher wieder ewig braucht, bis wir endlich los können. Als er dann aber endlich fertig ist verabschieden wir uns noch von unserer Mutter und machen uns auf dem Weg zur Schule.


Mein Mobber und ichWhere stories live. Discover now