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Julius pov.

Ich würde auch jetzt gerne erzählen, wie interessant die letzte Woche für mich verlief und was ich für Meisterleistungen vollbracht habe. Dies wären aber Märchen.

Seit Fabian von Karl und Maik Fabian auf dem Hof zusammengestaucht wurde, ist nichts mehr wirklich interessantes passiert. Fabian schwänzt seither die Schule, was mir aber sehr recht ist. Am besten sollte er vollkommen aus dem Leben unserer aller verschwinden und Nicolas endlich glücklich werden.

Oh übrigens zum Thema Nicolas und glücklich werden. In seiner Klasse ist seit letzter Woche ein neuer Junge. Ethan heißt er und so wie er sich in der Gegenwart meines Bruders verhält glaube ich, dass dies zwischen den beiden noch etwas ganz großes werden könnte.

Kommt mir aber jetzt nicht mit diesem „Aber die kennen sich doch erst ein paar Tage. So schnell verliebt man sich doch nicht.". Das ist mir klar, aber wollt ihr nicht eure liebsten glücklich sehen? Nicolas hat es verdient glücklich zu sein und mit Fabian kann das niemals etwas werden. Egal wie sehr er sich verändern würde.

Ethan ist ein liebenswerter, netter Kerl so viel ich bisher von ihm mitbekommen habe. Und er steht auf Nico. Ihr glaubt mir das alles eh nicht. Wartet nur ab.

Die letzten Tage wirkte Nico auf mich so glücklich wie lange nicht mehr. Das aber nur nach außen. Nur wenn er in der Gegenwart von jemanden war. Zuhause zog er sich in sein Zimmer zurück und verließ dieses nur für das nötigste. Keiner von uns aus der Familie kam an ihm heran.

Das alles klingt ziemlich widersprüchlich, oder? So ist es jedoch wirklich. Nach außen gibt er den glücklichen Jungen, doch im inneren versteckt sich viel mehr. Ihm nimmt das alles, was in letzter Zeit passiert ist, ziemlich mit. Der vermeintliche Höhepunkt war ja, als er kurz davor war sich zu ritzen. Das seine Psyche ziemlich angeknackst ist, ist jedem klar. Aber ich will euch nicht immer mit den immer gleichen Zeilen nerven. Ihr habt es bestimmt selbst mitbekommen.

„Pass auf Julius." Ich werde an der Kapuze meines Pullovers gepackt. Jetzt merke ich, dass ich so in Gedanken versunken war, dass ich fast gegen eine verschlossene Tür gelaufen bin.

Sonja sieht mich wütend an. „Was sollte das jetzt? Schau gefälligst, wo du hinläufst. Mum kann sich nicht immer wieder neues Geschirr kaufen." Meine Schwester öffnet die Tür vor uns und wir gehen in die Küche.

Ich stelle das Geschirr in die Spüle und Sonja fängt an aufzuwaschen. Mein Plan ist es mich jetzt einfach zu verpissen, was aber die ältere im Raum nicht so gutheißt. „Du bleibst hier schön wo du bist, du Zwerg. Dafür, dass du fast unser schönes Geschirr geschrottet hast, hilfst du mir jetzt gefälligst." Das ist doch nur eine Ausrede dafür, dass die mich jetzt wegen etwas ausquetschen möchte.

„Wen nennst du hier Zwerg? Nicht jeder kann so groß sein, dass er aus der Regenrinne saufen kann." Habe ich jemals erwähnt, dass meine Schwester einen Kopf größer ist, als ich? Müssen die Gene unseres Erzeugers sein. Der war auch eine Latte. Aber wer hat die nicht? Ich. Ich bin jedoch noch im Wachstum. Da kann noch einiges geschehen.

„Hör ich da gerade einen Größenkomplex heraus?" Sonja grinst mich an. „Höre ich da gerade Eifersucht heraus?" Ich grinse sie ebenfalls an. Die werte Dame schmeißt mir aber den nassen Aufwaschlappen ins Gesicht. Das gibt Rache.

Ich werfe den Lappen wieder zu ihr, doch treffe ich sie nicht. Sonja fängt ihn ganz entspannt auf und nun beginnt der Krieg.

Wir machen uns mit dem Aufwaschwasser nass und irgendwann, auch wenn ich nicht weiß wie, kommt auch Mehl ins Spiel. Am Ende sehen wir aus wie in einer Bäckerei. Oder wie Drecksäcke.

„Was macht ihr da?" Nicolas, welcher uns von der Tür aus komisch anschaut, beendet unseren 'Krieg'. Sonja legt ihren Arm um mich und zieht mich näher an sich. „Ach weißt du was Nici? Unser kleiner Bruder nutzt einfach jede Chance, die er bekommt, um einen Krieg anzuzetteln."

Ich schiebe sie von mir weg. „Hör auf jemanden deine Lügengeschichten aufzutischen. Benehme dich lieber deinem Alter entsprechend, anstatt deinen Bruder mit Mehl abzuschießen." Ich deute auf meine Kleidung, auf der weiße Flecken sind.

Sonjas Mundwinkel gehen nach unten und sie packt mich am Ohr. „Na hör mal du Knilch. Dich würde ich gerne irgendwohin ins Nirwana abschieben, damit ich dich endlich nicht mehr an der Backe habe." Jetzt zeigt sich ihr wahres Gesicht. Oder ihr Gesicht, wenn sie schlecht gelaunt ist.

„Ich tu mir das jetzt nicht an." Nicolas schüttelt den Kopf und geht. Da klingelt es schon an der Tür.

Ich sehe meine Schwester an. „Kommt dein Freund zu Besuch?" Die Furie will wieder auf mich losgehen. Mutter hängt sich dazwischen. „Öffnet bitte einer von euch die Tür? Ich telefoniere gerade."

Sonja und ich sehen uns an. Wir sagen gleichzeitig: „Du gehst.", doch wer wirklich den Gast überprüfen muss, bin ich. Verfluchter Stein. Sie gewinnt immer.

Ich gehe zur Tür. Wehe es ist Thomas, der wieder seinen Schlüssel vergessen hat und jetzt vor verschlossener Tür steht. Oder es ist dieser alte Sack von nebenan, der sich wieder wegen etwas sinnlosen beschwert. Der ist noch schlimmer als Sonja. Aber an Mum kommt er nicht ran, wenn sie wütend ist. Oh nein, schlechte Erinnerungen.

Ich öffne die Tür. Als ich erkenne, wer da vor mir steht, weiche ich zurück. Ich möchte die Tür wieder zuschlagen. Wie nur?

Es ist mein Vater. Der Mann, der nur Unglück uns brachte. Ich möchte ihn anschreien. Er soll verschwinden. Er dürfte gar nicht hier sein. Ohne ihn lief es so gut.

Aus meinem Mund wollen keine Worte kommen. Ich stehe nur da. Versteinert. Ich kann mich nicht rühren. Selbst nicht, als er mich in seine Arme schließt. In dem Moment durchströmt meinen Körper so eine Angst. Ich möchte ihn wegstoßen. Mein Körper tut nicht dergleichen.

Mein Erzeuger lässt mich los und ich sehe in seine Augen. Diese braunen Augen, die ich als kalt und gefühllos in Erinnerungen habe, die mir aber jetzt vollkommen anders erscheinen. Ich sehe keinen Hass. Nichts. Er sieht mich an, als täte es ihm leid.

„Mein Sohn." Seine Stimme klingt sanft. Anders als damals. Es macht mir Angst.

Mein Mobber und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt