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Immer wieder schlage ich auf das feste Leder des Sandsackes ein. Unkontrolliert und unbeherrscht. Einfach drauf los. Wut und Frust raus lassen. Das dumpfe Geräusch meiner aufprallenden Fäuste erfüllt den Raum, gepaart mit dem ächzen aus meiner Kehle. Die Knöchel schmerzen, mein Körper ist heiß und überzogen von einem Schweißfilm. Ich fühle mich so elend, ausgenutzt, fremdgesteuert.

Und das bin ich auch. Mein Vater steuert mein Leben. Das hat er immer getan. Von Anfang an bestimmte er meinen Weg und den meiner Geschwister. Ich schreie meine Verzweiflung darüber hinaus und schlage noch heftiger auf den unschuldigen Sandsack ein. Eine rote Spur zieht sich über meine aufgeplatzte Haut. Ich bekomme nichts mit von dem Schmerz in meinen Händen. Denn der Schmerz in meinem Herzen überdeckt alle anderen Gefühle.

"Alec." Jace ruft mich aber ich mache einfach weiter. Schlage weiterhin wie ein Verrückter auf den ledernen Sack ein.
"Alec hör auf. Bitte." höre ich ihn erneut sagen. Aber erneut ignoriere ich seine Worte.
"Alexander." Ein Wort so schön und rein aus einem Mund so wunderbar und weich. Prompt verstummen meine Schläge, schwer atmend und mit schmerzenden Muskeln blicke ich zu Magnus.
Ein leichtes Lächeln umspielt seinen schönen Mund, ich möchte nichts sehnlicher als mich in seine Arme zu werfen und von ihm gehalten werden.

"Es ist okay." sagt er. Die Sanftheit seiner Worte berührt mich.
"Nein ist es nicht. Du hattest recht. Er will das ich heirate." sage ich und Tränen steigen in meine Augen.
"Aber ich will nicht heiraten. Keine Frau." sage ich leise und Magnus kommt langsam auf mich zu. Er nimmt meine Hände in seine, sieht das ganze Ausmaß meiner Schläge und zieht scharf die Luft ein. "Ach mein süßer Alexander. Was hast du nur getan?" sagt er und ich weiß das er keine Antwort erwartet.

"Vater hat es nicht abgestritten. Aber auch nicht bejaht. Er hat einfach das Thema gewechselt." versuche ich zu erklären. Aber Magnus versteht nicht den Sinn hinter meinen Worten. Jace allerdings versteht.
"Wenn Vater das Thema wechselt, fühlt er sich ertappt. Und das bedeutet, man liegt richtig in seiner Annahme. Oder Frage. Je nachdem. Und das bedeutet, Alec hatte recht mit seiner Frage. Robert sucht eine Frau für ihn." Mit ruhiger Stimme erklärt Jace meine Worte. Ich bin froh das er übernommen hat. Ich kann es Magnus nicht sagen.

"Nun gut. Das ist bedauerlich." sagt er und atmet tief ein.
"Aber das ist jetzt so." Er führt meine Hände an seinen Mund, sanft gleiten diese wundervollen weichen Lippen über meine geschundene Haut.
"Lass uns dich verarzten. Und dann geh mit mir aus. Heute Abend." sagt Magnus leise und ich nicke.
"Das ist eine wunderbare Idee."

Jace holt Verbandsmaterial und Magnus kümmert sich geschickt um meine Wunden. Ich bin so froh das er hier ist. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diesen Umstand Jace zu verdanken habe. Ein stummes danke genügt, ich muss nichts sagen damit er versteht. Still ist es um uns, wir schweigen und die Stille ist so friedlich, beruhigend.
"Wo wollt ihr heute Abend hingehen?" fragt Jace.
"Wir gehen in den Club meines Vaters. Ich habe dort eine VIP-Lounge. Da kommt niemand hinein." sagt Magnus und ich schaue überrascht zu ihm. "Bist du dir sicher? So öffentlich?" "Warum nicht? Es ist doch egal wann sie es erfahren. Jetzt oder in zwei Monaten? Ich habe kein Interesse an Versteckspielen."

Das habe ich auch nicht. Und doch bleibt ein ungutes Gefühl. Vater möchte nicht das jemand erfährt, dass ich eigentlich auf Männer stehe. Wir hatten vor längerer Zeit ein noch längeres Gespräch darüber. Eine Einigung konnten wir nicht erzielen. Wie auch? Es ist keine Laune oder jugendliches erforschen. Es ist ein Teil von mir. Das bin ich. Ich bin ein Mann der Männer liebt. Und Magnus ist der erste Mann, bei dem ich mir vorstellen kann, ihm mein Herz zu schenken. Denn jetzt gerade, in diesem Moment, fühlt es sich so richtig und so gut an. Seine Hände die mich sanft berühren, die kleinen gehauchten Küsse auf meine Wunden, das liebliche Lächeln das er mir schenkt, diese funkelnden Augen.

Magnus legt seine Hand an meine Wange, ich schließe meine Augen, lehne mich in diese Berührung. Ruhe legt sich über mich, Geborgenheit und Friede.
"Jace schließt du bitte die Tür?" fragt Magnus leise.
"Natürlich."
"Danke Jace. Von außen?" höre ich ihn fragen. Noch immer sitze ich mit geschlossenen Augen an die Wand gelehnt da. Sich entfernende Schritte zeigen mir, dass Jace den Raum verlässt, er leise die Tür schließt. Mit einem sanften klicken fällt die Tür ins Schloß. Ich weiß das er in der Nähe warten wird, darauf bedacht, dass niemand uns stört. Innerlich schicke ich ihm ein nochmaliges danke. Magnus setzt sich zu mir, nimmt mich in den Arm. Ich schmiege meinen Kopf in seine Halsbeuge, atme seinen vertrauten Duft ein. Es beruhigt mich. Er beruhigt mich.

In der Unterwelt und auf der Straße kennt man mich als Alec, Dark Angel. Furchtlos, schonungslos, erbarmungslos. Aber hier bei Magnus kann ich mich fallen lassen. Ich muss nicht die Kontrolle über mein Handeln haben. Ich muss mich nicht verstellen und hart sein. Ich kann sanft, zart, liebevoll sein. Das gefällt mir sehr. Seine Hände streichen durch meine Haare, mein verschwitzter Körper schmiegt sich an seinen. Ich fühle seine Hände, seine Haut, seinen Herzschlag.
"Du machst mich weich." sage ich. "Hmhm. Ich mag diese Seite an dir." Ein leises kichern entrinnt seiner Kehle, die Vibration an meiner Brust lässt mein Herz schneller schlagen. Ich höre ihn so gerne lachen.

"Ich wünsche mir nichts mehr, als das das mit uns funktioniert." flüstere ich und hoffe, dass es Magnus ebenso geht.
"Das hoffe ich. Du bist mir wichtig." antwortet Magnus. Er haucht einen Kuss auf meine Haare, ich will mehr. Schnell befreie ich mich aus seiner Umarmung, setze mich rittlings auf seinen Schoß. Seine Hände wandern sofort an meinen Hintern, meine Hände umschließen sein Gesicht.

Gierig vereinige ich unsere Lippen. Das Kribbeln breitet sich schnell in meinem Körper aus, lässt mich seufzen als Magnus Zunge an meine Lippen stößt. Unser Kuss ist intensiv und verlangend, er drückt mich mit dem Rücken auf den Boden. Seine Hände ziehen an meinen Haaren und ich stöhne heftig als seine Mitte gegen meine drückt.

Lautes klopfen an der Tür lässt uns zusammen zucken. Magnus rollt von mir herunter, liegt schwer atmend neben mir.
"Alec." dringt Jace Stimme gedämpft durch die Tür.
"Wir sollten gehen. Sehen wir uns heute Abend?" fragt Magnus zögerlich. Ich nicke und mein Grinsen im Gesicht lässt auch ihn schmunzeln. Ein letzter Kuss auf die Wange und Magnus steht auf, geht zur Tür und verschwindet. Ich bleibe einfach auf dem Boden liegen und genieße das Gefühl was seine Lippen auf meinen hinterlassen haben, lausche dem Geräusch meines wild schlagenden Herzens und bin glücklich. Ich bin glücklich und wünsche mir, dass es für immer so bleibt.

Bloody soulsWhere stories live. Discover now