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Mit einer Ungeduld wie ein Kind an Weihnachten stehe ich im Eingangsbereich der Klinik. Ein mir bekanntes Gesicht kommt lächelt auf mich zu. Pfleger Bat begrüßt mich mit einem Handschlag.
"Ihr Mann ist sehr aufgeregt." sagt er zu mir und auch meine Aufregung schreit bis zum Himmel. Acht Wochen habe ich Magnus nun nicht gesehen. Ich durfte ihn nicht anrufen, nicht mit ihm sprechen. Das hat mir schwer zugesetzt. Er fehlt mir so unglaublich.

Ich folge Bat durch die Flure der Klinik, höre Stimmen und rieche verschiedene Dinge. Aber am meisten konzentriere ich mich darauf Magnus zu ertasten. Seine liebliche Stimme aus allen anderen heraus zu hören. Seinen Duft nach Sandelholz aus allen anderen Gerüchen heraus zu filtern. Bat stoppt vor einer Tür und zögerlich trete ich hindurch. Mir stockt der Atem und ich habe ein Deja-Vu. Magnus steht mit dem Rücken zur Tür am Fenster. Die Silhouette seines Körpers umhüllt von den schwachen Strahlen der Wintersonne. Dieser Anblick weckt ein so unbeschreiblich intensives Gefühl in mir. Wieder einmal, genauso wie vor drei Jahren zücke ich mein Telefon, stelle den Blitz aus und mache ein Foto von meinem Mann.

Eingehend betrachte ich das Foto und muß wieder seufzen. Er ist noch immer perfekt. Die ausgeprägte V-Form seines Rückens ist gut zu erkennen. Er trägt ein enges schwarzes Shirt, seine muskulösen Beine stecken in einer ebenso engen schwarzen Jeans. Seine Haare liegen wild durcheinander und ich liebe es. Ich liebe diese Art an ihm, dieses lässige und ungezwungene. Die Boots die Magnus trägt gehören mir. Und ein warmes Gefühl legt sich über meine Brust als ich es bemerke. Er trägt seinen Ehering, dieser glänzt so wunderschön an seinem Finger.

"Baby?" sage ich leise und Magnus dreht sich abrupt in meine Richtung. Seine Augen weiten sich, Tränen glitzern und ein wunderschönes Strahlen zieht sich über das gesamte Gesicht. "Oh Baby nicht weinen." sage ich und gehe schnell auf ihn zu. Mit nur wenigen Schritten durchquert er den Raum, stürzt in meine Arme. Ich hebe ihn an, lege meine Arme unter seinen Hintern. Magnus drückt sich fest an mich, verteilt Küsse auf mein Gesicht und meinen Lippen.

"Ich liebe dich."
"Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich." sagt er ununterbrochen. Dabei schluchzt er und lacht, weint und kichert. Es ist eine Mischung aus Freude und Glück, Trauer und Schmerz.
"Du bist gekommen." schluchzt er.
"Natürlich." antworte ich sanft. "Ich wäre schon eher gekommen, aber ich durfte nicht." Magnus schüttelt den Kopf und lächelt.
"Es ist alles gut so. Du bist hier und das ist alles was ich brauche."

"Gehen wir eine Runde in den Park? Es hat geschneit."
Magnus springt von meinem Arm und geht zum Kleiderschrank. Ich nutze den Moment und schaue mich im Zimmer um. Viel gibt es nicht. Ein Bett, einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen. Ein Kleiderschrank und ein Fernseher. Das einzige Bild in diesem Zimmer ist ein Foto von uns zwei. Ich betrachte es und erinnere mich zurück. Es war der Tag unserer Hochzeit, eine Momentaufnahme. Jace machte das Bild von uns. Wir bekamen es gar nicht mit.

Es entstand nach der Trauung in einem japanischen Lokal

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Es entstand nach der Trauung in einem japanischen Lokal. Wir bestellten Miso-Suppe und Thunfisch-Sashimi. Es war einer der schönsten Tage unseres Lebens. Wir heirateten, wir aßen und tranken. Redeten über vergangene Zeiten, lachten über Ragnors peinliche Erlebnisse und genossen diese unbeschwerte Zeit. Unsere Hochzeitsnacht war heiß und erotisch, lang und laut.

Magnus haucht einen Kuss in meinen Nacken, legt seine Hände auf meine Hüften. "Das war der beste Tag meines Lebens." sagt er und ich nicke. "Ja das war er. Und er war perfekt so wie er war." Auch ohne den Rest meiner Familie und einer riesengroßen Party hätte es nicht schöner sein können.
"Gehen wir?" fragt Magnus.
"Hmhm. Lass uns gehen." Ich nehme seine Hand und zum ersten Mal seit wir uns kennen ist sie durchzogen von einer pulsierenden Wärme und frei vom zittern. Eine Welle des Glücks durchströmt mich.

Gemeinsam gehen wir durch die Flure, lassen für eine Weile diese Welt hinter uns. Die kalte Winterluft empfängt uns, Magnus atmet tief ein. Schweigend gehen wir durch den Park, langsam und bedächtig. Bei jedem Ausatmen bilden sich kleine Dampfwölkchen. Unsere Schritte knirschen auf dem Schnee zu unseren Füßen. Still ist es um uns. Ich genieße es sehr. Magnus und die Stille des Friedens. Mehr brauche ich nicht.

"Wie geht es dir?" durchbricht Magnus die Stille. Ich nehme seine Hand, stecke sie zu meiner in die Manteltasche. "Du fehlst mir." sage ich. "Du fehlst mir auch. Jeden Tag." Schweigend setzen wir unseren Weg fort. Magnus führt uns zu einer Bank, setzt sich rittlings auf meinen Schoß und schmiegt seinen Kopf an meine Schulter. Meine Arme umschlingen ihn, halten ihn fest, geben Schutz und Geborgenheit.

"Die ersten Tage waren die Hölle." beginnt er zu erzählen. Ich höre einfach nur zu.
"Ich musste einen kalten Entzug machen. Die Schmerzen waren unvorstellbar. Ich tobte und schrie, weinte und demolierte die Einrichtung meines Zimmer. Unser Foto landete krachend an der Wand und das Glas zersplitterte. Bat sammelte alle Scherben auf und brachte am nächsten Tag einen neuen Rahmen. Währenddessen saß ich mit schmerzverzerrtem Gesicht, frierend und weinend in der Ecke meines Zimmers und sagte immer wieder deinen Namen."
"Alexander?" frage ich und glaube die Antwort zu kennen.
"Ja." Magnus zittert leicht. Hoffentlich hat das niemand mitbekommen und hinterfragt.

"Ich schlief nur noch in den Sachen die ich von dir eingepackt hatte. Und ich zog sie auch tagsüber nicht aus. Ich konnte nicht. Der körperliche Entzug dauert nicht lang. Aber der psychische umso länger. Der Kopf muss erst wieder neu gepolt werden."

"Wie geht es dir jetzt Baby?"
"Einigermaßen gut. Heute ist Alexander-Tag." sagt Magnus und sieht mich mit funkelnden Augen an. Der Glanz ist wieder zurück, ich liebe es und bemerke, wie sehr ich es vermisst hatte.
"Und Alexander-Tag ist ein guter Tag." gebe ich zurück. Treffen wir uns in unserer Wohnung haben wir immer ungezügelten Sex. Solange bis einer von uns wieder gehen muss. Wie ich das vermisse. Magnus seinen Körper, seine Berührungen, seine Küsse.

"Deine Briefe haben mir sehr geholfen. Sie waren mein Licht in der Dunkelheit. Danke Liebling." Magnus nimmt mein Gesicht zwischen seine Hände und haucht einen Kuss auf meine Lippen. Aber dieser unschuldige Kuss reicht mir nicht. Viel zu lange ist es her. Viel zu sehr habe ich ihn vermisst.

Bloody soulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt