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Mein süßer Alexander. So kurz war unser Wiedersehen, so schmerzvoll und bittersüß. Aber dennoch war ich lange nicht mehr so glücklich wie in diesem Augenblick. Zu wissen das ich dich wieder berühren, wieder küssen kann lässt mein Herz beben. Auch wenn es weiterhin versteckt geschehen muß. Ich werde auf dich warten, egal wie lange es dauert. Vergiss mich nicht. Vergiss uns nicht.
Ich liebe dich aus ganzem Herzen. Magnus

Versteckt in einer Ritze der alten Steinmauern bewahre ich den Brief von Magnus auf. Jeden Tag nach einer der Mahlzeiten hole ich diesen hervor und falte das Papier vorsichtig auseinander, lese seine Zeilen und schöpfe neue Kraft. Ich habe aufgehört zu zählen wie viele Tage ich schon im Loch sitze. Ich weiß selten welche Tageszeit es ist. Meistens ist es mir egal. Die Gedanken an Magnus und das Wissen, das er hier in diesen Mauern ist und auf mich wartet, lässt mich nicht den Verstand verlieren.

Denn das ist etwas, vor dem auch der härteste Kerl hier am meisten Angst hat. Unzählige Tage in Isolationshaft, keinen Kontakt zur Außenwelt. Alleine mit sich und seinen Gedanken. In den letzten vier Jahren habe ich so einige Männer in das Loch gehen sehen. Nicht alle kamen unverändert wieder zurück. Magnus gibt mir die Kraft durchzuhalten.

Und diese Kraft wird belohnt. Einige Wochen nach meinem Wiedersehen mit Magnus öffnet sich die Tür und der Direktor steht grinsend vor mir.
"Lightwood. Ich hoffe sie haben ihren kleinen Urlaub genossen. Acht Wochen. Nicht schlecht." sagt er und tritt grinsend beiseite. Zwei Wärter begleiten mich in meinen Zellenblock. Mit jedem Schritt über die Gänge, vorbei an den Zellen der anderen Insassen, schlägt mein Herz schneller und meine Hände zittern.

Ein kleines Vögelchen zwitscherte mir, dass mein neuer Zellengenosse auf den wunderschönen Namen Magnus hört. Ich kenne nur einen Insassen von Sing Sing mit diesem Namen. Es ist mir schleierhaft wie Magnus es geschafft hat auf meine Zelle zu kommen. Für diesen Luxus musste er hoffentlich nicht mit seinem Körper bezahlen. Denn das würde ich nicht verkraften. Die Vorstellung, das einer der Wärter oder ein anderer Insasse ihn berührt, ihn benutzt, widert mich an. Mein Herz zieht sich bei dem Gedanken daran schmerzhaft zusammen.
Gleich werde ich ihn wiedersehen und sobald die Tür hinter uns verschlossen wird, werde ich über ihn herfallen und mir das holen was ich seit vier Jahren begehre.

Die Blicke der anderen Männer liegen schwer auf mir. Acht Wochen in Isolationshaft weil ich einen Mann auf dem Hof öffentlich küsste haben schnell für Gerüchte gesorgt. Denn natürlich sprach sich genauso schnell herum, dass mein Kusspartner Magnus Bane war. Und das ich eigentlich für den Mord an Magnus Bane hier drinnen bin. Dieses Thema wird noch für eine Menge Furore sorgen. Mum wird ihre Robe wieder aus dem Schrank holen müssen. Aber jetzt ist erst einmal wichtig, das ich zu Magnus komme.

Unsere gemeinsame Zelle ist leer, aber ich sehe bereits die Spuren von Magnus. Es ist aufgeräumt und ordentlich. Die Bücher fein säuberlich gestapelt, das Papier und die Stifte geordnet daneben. An der Wand auf Höhe von Magnus Kopfkissen hängt ein einzelnes Foto. Vorsichtig nehme ich es ab und streiche mit meinem Daumen über das Papier. Ein Lächeln legt sich auf mein Gesicht und ich seufze. Vier Jahre ist es her, dass ich ihn betrachten konnte. Er existierte nur noch in meinen Gedanken, in meinem Kopf. Ich habe nicht ein einziges Foto von ihm. Jia brachte gleich zu Beginn meiner Haft mehrere Fotos von Magnus und mir mit. Wortlos schob sie mir den Stapel über den Tisch. Lange betrachtete ich jedes Bild von ihm. Ich prägte mir alles ein, jede Kontur, jede Lachfalte, jeden Muskel und jeden Schatten auf seiner Haut. Eigentlich war es nicht notwendig. Ich kenne Magnus genau. Aber in diesem Moment hatte ich Angst etwas zu vergessen. Und wäre das Detail noch so klein.

Ebenso wortlos schob ich ihr den Stapel nach einer Weile wieder über den Tisch. Sie verstand und verstaute sie in ihrer Tasche. Es war das einzige Mal das ich Bilder von Magnus sah. Das er ausgerechnet unser Hochzeitsfoto mit hierher genommen hat bedeutet mir eine Menge. Auch wenn wir offiziell als Alec und Magnus nicht verheiratet sind. Jem und Will sind es nach wie vor. Denn die Identität von den beiden blieb bis heute den Behörden verborgen. Aber Robert weiß davon. Und somit habe ich mich bereits vor vier Jahren von William Herondale und Jem Carstairs verabschiedet. Selbst wenn wir beide draußen ein normales Leben führen, dann nie wieder unter diesen Namen.

Fokussiert auf das Foto und mit den Gedanken in einer anderen Zeit bemerke ich nicht, dass jemand die Zelle betritt. Erst als ich einen warmen Körper an meinem Rücken spüre, Arme die sich um meine Taille legen und den Geruch von Zitrone und Bergamotte rieche, reagiere ich. "Ich vermisse Sandelholz." sage ich. "Ich auch. Das Gefängnisshampoo ist furchtbar. Ich rieche wie ein Zitronenkuchen." haucht er an mein Ohr. "Ich mag Zitronenkuchen." antworte ich und drehe mich in seinen Armen um.

Das Foto lasse ich auf das Bett fallen und sofort liegen seine Lippen auf meinen. Es fühlt sich noch immer an wie unser erster Kuss, damals in seinem Zimmer. Zärtlich fahren meine Hände über seinen Rücken und den Hintern, meine Lippen küssen sanft die seinen. Magnus ist noch immer so wundervoll und verzaubert mich mit seiner Art. Dicht gedrängt an den anderen, mit erforschenden Händen und nicht enden wollenden Küssen stehen wir in unserer Zelle und lösen uns erst, als das nervige Geräusch von Metall auf Metall ertönt. Es ist ein mir so verhasstes Geräusch und ich löse widerwillig unseren Kuss. Magnus sieht mich irritiert an, ich verdrehe die Augen und deute Richtung Zellentür.

"He ihr Turteltauben. Zeit für das Abendessen." sagt ein Wärter plötzlich und ich sehe das lüsterne Grinsen in seinem Gesicht. Er ist einer der Wärter von denen bekannt ist, dass er gerne mal einen Blick auf sich reibende Männerkörper wirft. "Ich kann es kaum erwarten." antworte ich frech und Magnus kichert. Er vergräbt seinen Kopf in meiner Halsbeuge und saugt an der Haut, zieht eine Spur von feuchten Küssen über meinen Hals hoch zum Kiefer. Genüsslich lege ich meinen Kopf zur Seite und höre dann ein Räuspern. Gleichzeitig sehen wir in die Richtung aus der das störende Geräusch kam. Der Wärter steht noch immer da und regt sich nicht. Kleine Dampfwölkchen wabbern aus den Ohren und sein Kopf ist knallrot. Wütend funkelt er uns an. "Los jetzt. Ihr seid die Letzen." bellt er.

Kopfschüttelnd nehme ich Magnus an die Hand. Zusammen gehen wir zum Speisesaal und kaum haben wir diesen betreten, verstummen die Gespräche und hunderte Augenpaare liegen auf uns. Schweigend holen wir unser Essen und gesellen uns zu Jace und einer kleinen Gruppe anderer Männer an den Tisch. Sie begrüßen mich fröhlich und beglückwünschen mich zu meiner Rückkehr. Mit Freuden stelle ich fest, dass die Integration von Magnus in die Gruppe sehr gut verlaufen ist.

Aber ich bemerke auch die Blicke von einigen anderen Insassen. Und bei genauerem Hinsehen machen sich dunkle Gedanken in meinem Kopf breit. Morgenstern. Er ist einer der größten Konkurrenten von Robert und ich kenne ihn von früher. Vor zwei Jahren kam er nach Sing Sing und seitdem gehen wir uns so gut es geht aus dem Weg. Jetzt beobachtet er uns die gesamte Zeit und ich sehe die Zahnräder in seinem Kopf arbeiten. Er plant etwas. Aber was?

Bloody soulsWhere stories live. Discover now