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Als ich dachte, der Tag meiner Hochzeit ist der schönste Tag meines Lebens, lag ich sowas von daneben. Der schönste Tag war, als Magnus von der Krankenstation entlassen wurde. Und dieser Tag wird durch den heutigen abgelöst. Denn heute, sechs Jahre nach meiner Ankunft in Sing Sing, lasse ich diese Anstalt und mein bisheriges Leben hinter mir. Heute ist der erste Tag meines neuen Lebens. Viel ist in den letzten Jahren passiert. Schönes und trauriges.

Magnus erholte sich von seinen Verletzungen. Ich durfte ihn jeden Tag besuchen. Nur für ein paar Minuten, aber das genügte. Jeden Tag begrüßte er mich mit einem strahlenden Lächeln und einem 'Ich liebe dich'. Es bedeutete mir soviel und jedes Mal stürzte ich an sein Bett, küsste seine Lippen, verjagte die dunklen Wolken und die schwarzen Schwingen von Dark Angel die mich umhüllten. Aber verließ ich die Krankenstation, ließ ich Magnus dort alleine zurück, kamen die Schwingen hervor. Sie sprengten die Ketten mit denen ich sie in meinem Bewusstsein einsperrte und zeigten jedem in diesem Drecksloch, dass Alec Lightwood nicht zu Scherzen aufgelegt war.

Magnus und ich hatten keine einfache Zeit hier in Sing Sing. Aber gemeinsam haben wir es geschafft. Auf Dunkelheit folgt auch immer Licht. Und mein Licht war und ist noch immer Magnus.
Valentin Morgenstern wurde für den Angriff auf Magnus verurteilt. Kurz darauf erfolgte die Verlegung in eine andere Haftanstalt. Er wird diese nie wieder verlassen. Zumindest nicht lebendig. Das Robert an dem Übergriff auf Magnus indirekt beteiligt war, konnten wir nicht nachweisen.

Eine große Narbe ziert Magnus Oberschenkel und auch seine Brust hat ein weiteres Souvenir. Aber das alles macht ihn in meinen Augen nicht minder attraktiv. Es sind stumme Zeugen unseres Lebens. Einem Leben jenseits aller Regeln der Gesellschaft.

Die Formalitäten meiner Entlassung ziehen sich wie Kaugummi und ich werde immer ungeduldiger. Magnus wartet auf mich und ich kann es kaum erwarten ihn endlich wieder in meinen Armen zu halten. Fast drei Monate war ich hier alleine. Und auch wenn diese Trennung auf Zeit doch um soviel kürzer war als unsere letzte, war sie nicht minder schwer. Zwei Jahre lang waren wir jeden Tag zusammen. Konnten zusammen aufwachen und gemeinsam einschlafen. Wir teilten eine Zelle und diese war unser kleines Reich. Hier gab es nur uns zwei und es fühlte sich nicht wie zuhause an, aber doch hatte es etwas friedliches, vertrautes wenn sich jeden Abend die Tür hinter uns schloss und wir das Chaos einfach aussperren konnten.

Als sich die Tore von Sing Sing öffnen sehe ich meinen Mann sofort. Er lehnt an seinem Motorrad, die Arme vor der Brust verschränkt. Seine schwarze Hose sitzt eng und die Lederjacke mit den Flügeln jagt eine Gänsehaut über meinen Körper. Das er die noch hat. Ungläubig schüttel ich den Kopf und lächele ihn verliebt an. Er sieht so schön aus, die Sonne scheint und es ist ein herrlicher Tag.
"Hallo Baby." begrüße ich ihn. Magnus hält sich nicht mit Worten auf, er zieht mich nah an sich und drückt seine Lippen fest auf meine.

Sehnsüchtig bewegen sich unsere Lippen und alsbald entbrennt ein hitziger Kampf der Zungen. Obwohl es nicht unser erster Kuss ist, fühlt es sich trotzdem gerade so an. Mein Herz rast und schlägt viel zu schnell. Das Blut rauscht laut in meinen Ohren, mir wird leicht schwindelig und ich kralle mich in das weiche Leder von Magnus Jacke. Er verstärkt den Griff um meinen Körper, hält mich sicher und geborgen. Eine Hand wandert in meine Haare, das kribbeln breitet sich über den gesamten Körper aus. Magnus spielt mit meiner Zunge, lässt seine immer wieder meinen Mund erforschen und den Geschmack meiner Lippen aufnehmen. Mein Hirn ist komplett im Urlaub und mein Herz völlig außer Atem, genauso wie ich.

Als wir uns voneinander lösen ziehe ich eine große Portion Sauerstoff in meine Lungen ein. Mir ist heiß und die Haut fühlt sich an, als würden hunderte kleine Raupen mit ihren kleinen Füßchen auf mir tanzen.
"Hi." flüstert Magnus und blickt mir verliebt in die Augen.
"Selber hi." gebe ich als Antwort zurück und hauche ihm einen Kuss auf die Nasenspitze.
"Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht."
"Das habe ich gerade schon ausgepackt." kichere ich.
"Nein." Magnus sieht mich triumphierend an und hält mir ein schwarzes Etwas entgegen. Meine Jacke. Das Gegenstück zu Magnus. Ich bin so gerührt und den Tränen nahe. Ich liebe diese Jacke und dachte, dass sie verloren wäre.

"Anziehen. Und dann lass uns fahren." sagt Magnus. Ich tue was er sagt und Magnus reicht mir einen Helm. Es ist das erste Mal das wir zusammen fahren. Früher hatten wir jeder unsere eigene Maschine und benutzten sie auch nur getrennt. Magnus Rücken zu spüren fühlt sich so vertraut, so sicher an. Meine Arme umschlingen seine Taille und ich lege meinen Kopf auf seiner Schulter ab.
"Bereit?" ruft er nach hinten und ich klopfe zur Bestätigung leicht auf seinen Helm.

Wir verbringen den restlichen Tag im Haus von Magnus Eltern. Beide empfangen uns herzlich und selbst Asmodeus kann sich zu einer Umarmung durchringen. Magnus und sein Vater ziehen sich für ein paar Stunden zurück, klären geschäftliche Dinge. Ich rede mit Mrs Bane über Magnus und mich, meine Zeit in Sing Sing und die Zukunft. Nach einem ausgiebigen Abendessen bei dem viel gelacht und noch mehr getrunken wird, können Magnus und ich zum ersten Mal öffentlich zu unserer Liebe stehen.

Wir sitzen mit verschränkten Händen am Tisch, trinken Wodka und rauchen mit Asmodeus Zigarren aus Kuba. Ein heimliches Laster und mein Vater würde rasen vor Wut wenn er davon wüsste.
"Hat Robert seine Meinung geändert?" fragt Magnus Vater und ich schüttele den Kopf.
"Ich bekam letzte Woche einen Brief. Es stand nicht viel drin. Ja oder Nein. Leben oder Tod. Damit hat er alles gesagt. Heirate ich eine Frau, bin ich frei. Er lässt mich in Ruhe und übergibt mir die Geschäfte. Bleibe ich bei Magnus bin ich Freiwild. Und ich habe das einzig richtige getan." Ich drücke Magnus Hand und gebe ihm einen Kuss auf seine wunderbaren Lippen.

"Ich habe ihm eine Kopie unserer Heiratsurkunde geschickt. Alexander Gideon Lightwood-Bane und Magnus Lightwood-Bane." sage ich grinsend und Asmodeus tut es mir gleich.
"Ich kann es noch immer nicht glauben." flüstert Magnus und seine Mutter beginnt leise zu weinen. Das schlechte Gewissen überkommt mich. Diese Entscheidung ist gleichzeitig auch unser Todesurteil. Kurz vor Magnus Entlassung haben wir geheiratet. Magnus Eltern halfen uns dabei. Ein Gespräch zwischen Asmodeus und dem Direktor, ein Handschlag und eine Tasche voll grüner Scheine regelten alle Formalitäten. Und sicherten uns die Verschwiegenheit der Anwesenden.

Mein Handy vibriert in meiner Hosentasche. Ich zeige Magnus die Nachricht und er steht ohne ein weiteres Wort zu sagen auf. Seine Mutter folgt ihm.
"Ayumi bitte warte." rufe ich, aber Magnus Mutter reagiert nicht. Es ist das erste Mal das ich sie bei ihrem Namen nenne. Ayumi, nicht Mrs Bane. Die Bedeutung ihres Namens ist soeben zum Sinnbild unseres Lebens geworden. Den eigenen Weg gehen. Denn mit folgender Nachricht von Jace beginnt der Anfang vom Ende. Und wir alle wissen das.

Jace 💫
Erledigt

Bloody soulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt