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"Muss gehen." krächze ich und versuche mich von den Fesseln um meinen Handgelenken zu befreien. Das kalte Metall schneidet schmerzhaft in mein Fleisch.
"Sie gehen nirgendwo hin. Außer nach Sing Sing."
Ich schnaufe und lasse mich zurück in das Kissen fallen.
"Anwalt." sage ich und schaue aus dem Fenster.

Die Sorge und Ungewissheit um Magnus frisst mich fast auf. Innerlich bin ich am durchdrehen. Äußerlich wahre ich die Fassung, mache mich nicht angreifbar. Ich höre das atmen von Underhill, rieche das Aroma von Zigaretten und Scotch. Mir wird übel, mein Kopf schmerzt und der Blick verschwimmt. Ich schließe meine Augen und sehe Magnus. Unweigerlich legt sich eine Schwere auf mein Herz, drückt fest zu.

"Wir haben Blut gefunden. Viel Blut."
Das Blut gehört Magnus. Ben hat ihm das Gesicht und die Brust zerschnitten.
"Das Blut gehört Mr Bane."
Das weiß ich und es macht mir Angst.
"Aber Mr Bane fanden wir nicht."
Ich bete dafür, das Ragnor ihn rechtzeitig fort bringen konnte.
"Wissen Sie noch was passiert ist?"
Wie könnte ich das vergessen?

"Mr Lightwood. Sie würden uns und Ihnen einen großen Gefallen tun wenn Sie mit mir reden. Sie wurden angeschossen. Die Kugel stammt aus einer Waffe die auf Magnus Bane registriert ist."
Es war Magnus Waffe. Aber nicht Magnus der den Abzug drückte.
"Darf ich Ihnen von meiner Theorie erzählen?"
Ist mir egal. Hauptsache du hälst deine Fresse und gehst mir nicht mehr auf den Zünder.
"Sie hatten einen Streit mit Mr Bane. Wegen ihrer bevorstehenden Verlobung."
Das ist der größte Mist den ich je gehört habe. Woher weiß er überhaupt davon? Der Typ geht mir auf die Nerven.

"Die Situation ist eskaliert und sie haben das getan was sie am besten können. Sie haben ihn umgebracht. Vorher hat er ihnen noch ein Abschiedsgeschenk hinterlassen."
Ich könnte Magnus nie weh tun. Er ist mein Leben, meine Welt.
"Mr Bane hat auf sie geschossen und er musste sterben. Wo ist seine Leiche? Wen haben sie beauftragt? Kommen Sie schon. Wen rufen sie an wenn es schmutzig wird? Und wo ist Magnus Bane?"

Mit Tränen in den Augen starre ich aus dem Fenster. Die weiteren Worte von diesem schmierigen Detective kommen nicht mehr bei mir an. Ich denke an Magnus und frage mich wo er ist. Geht es ihm gut? Hat er Schmerzen? Ist er traurig?
Mir geht es nicht gut. Ich habe höllische Schmerzen. Ich fühle mich leer.

"Wir wissen das sie eine Beziehung mit Mr Bane führen. Oder soll ich lieber führten sagen?" Ein weiterer Mann steht im Zimmer. Ich habe es nicht mitbekommen. Wann ist er herein gekommen? War er schon die ganze Zeit hier?
"Wenn sie nicht reden wollen, dann können wir Ihnen nicht helfen."
Ich werde Magnus nie verraten. Eher sterbe ich. Ich will das er in Sicherheit ist.
Ich schüttele meinen Kopf und das genügt den beiden. Sie lesen mir meine Rechte vor und verhaften mich offiziell für den Mord an Magnus Bane.

Meine Augenlider werden schwer. Nebel senkt sich über mich, vergiftet meinen Verstand. Ich träume von Magnus und einem Leben jenseits der Straßen von New York. Magnus am Strand, so wunderschön und strahlend.
Ein streicheln über meine Wange holt mich aus dem Traum. Meine Mutter sitzt auf dem Stuhl wo zuletzt dieser fiese Detective saß. Eine Weile schweigen wir, es sind keine Worte notwendig.

"Möchtest du den Anwalt deines Vaters?" Ich schüttele leicht meinen Kopf. Mehr geht nicht.
"Möchtest du das ich das übernehme Schätzchen?"
Ich nicke und Mum lächelt.
"Jace. Magnus." krächze ich. Meine Stimmbänder brennen bei jedem Wort. Die Kehle ist rau und fühlt sich verätzt an.
"Jace geht es gut. Naja, soweit es einem Gefangenen eben gut geht. Er ist bereits in Sing Sing."

Wieder nicke ich. "Magnus?" frage ich meine Mutter und wieder sammeln sich Tränen in meinen Augen. Sie seufzt und schüttelt leicht den Kopf.
"Nein." hauche ich.
"Sie haben seine Leiche nicht gefunden."
Weil es keine Leiche gibt. Ich spüre das. Magnus ist nicht tot. Und überhaupt? Wer sollte ihn umgebracht haben? Ragnor war bei ihm, er hat ihn weggebracht. Die Schnitte waren nicht tief. Nur oberflächlich. Sie dienten dazu Schmerzen zu bereiten. Aber sie waren nie dafür gedacht das Magnus an diesen Verletzungen stirbt.

"Durst." sage ich leise und Mum springt sofort auf um mir ein Glas Wasser zu reichen. Ich fühle mich wie ein Baby, muss gefüttert und umsorgt werden. Meine Hände liegen noch immer in Handschellen und ich bin mir sicher, dass wird auch noch eine Weile so bleiben.
"Die Ärzte sagen du wirst es schaffen. Die Kugel traf deine Milz. Nach der OP mussten sie dich ins Koma legen. Du warst zwei Wochen nicht bei uns. Die Wunde verheilt gut. Aber dein Herz ist gebrochen oder? Ich bin deine Mutter. Ich spüre das etwas nicht stimmt."

"Ben. Robert. Magnus." sage ich. Mum versteht, sie war jahrelang mit Robert verheiratet und nicht das Heimchen am Herd. Sie weiß über die Geschäfte unserer Familie Bescheid. Als Anwältin hat sie oft genug die Scherben hinter den Männern aufgekehrt. Ich bin froh das sie hier ist.
"Du wirst angeklagt für den Mord an Magnus. Aber nicht nur das. Detective Underhill hat Beweise für deine Schuld an weiteren Verbrechen. Ich werde ein faires Urteil für dich und Jace erwirken. Die Tochter der Richterin hat ein Drogenproblem."

Gerade weiß ich nicht ob ich mich darüber freuen soll oder nicht. Ich weiß selber wie schwer das ist. Nicht nur für den Betroffenen, auch für die Angehörigen. Und als Mutter möchtest du dein Kind so nicht sehen. Daher treffe ich eine Entscheidung. "Nein... nicht Schuld daran." Ich schlucke schwer und bringe die nächsten Worte nur unter enormer Anstrengung heraus. "Magnus lebt. Ich weiß es. Lass das Mädchen in Ruhe."

Mit jedem Wort das ich sage wird meine Stimme fester, auch wenn es noch immer schmerzt. Mum streicht sanft über meine Wange. Sie ist alt geworden, aber noch immer wunderschön. Ihr Haar rabenschwarz und glänzend. Die Augen glitzern durch die Tränen und der Mund bebt.
"Schätzchen. Das sind 25 Jahre bis lebenslang." sagt Mum unter Tränen.
"Ich weiß." Ein Hustenanfall lässt diesen beschissenen Monitor wieder piepen.
"Finde Magnus. Rede mit Ragnor."

Hektisch platzt die freundliche Schwester in mein Zimmer und sieht tadelnd zu meiner Mutter. Sie schaltet das Piepen aus und überprüft meine Temperatur und die Vitalwerte.
"Hier wird nicht gestorben Alec. Nicht in meiner Schicht." sagt sie streng und ich muss schmunzeln.
"Ja Ma'am." antworte ich höflich.
"Seh ich so alt aus? Ich bin Jia." Ein schöner Name. Magnus würde er gefallen. Und er würde Jia mögen.
"Ihr Sohn braucht Ruhe. Morgen platzen die Polizisten wieder hier herein und regen ihn genug auf."

"Danke." sage ich leise.
"Sie sind nicht der Erste hier mit diesem schönen Armschmuck. Ich kann dem ja nichts abgewinnen. Vielleicht bin ich zu alt. Obwohl ich mir vorstellen kann, dass ihr Mann das anders sieht. Ihm würde dieser Armschmuck sicher gefallen."
Zum ersten Mal seit sie in das Zimmer gekommen ist betrachte ich sie genauer. Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Sie ist Ragnors Schwester. Ich habe sie nur einmal getroffen. Vor ewig langer Zeit.

"Ich habe etwas für dich." flüstert sie und meine Mum verlässt stumm das Zimmer. Jia spricht leise und ruhig.
"Liebling. Mach dir keine Sorgen. Es geht mir gut. Ich liebe dich. Deine Hand ist so kalt und deine Haut so blass. Dein feuchtes Haar klebt dir an der Stirn und ich würde dich so gerne in den Armen halten. Dieser Kuss soll dir helfen dich zu erinnern."

Magnus. Magnus war hier. Ich weine und es ist mir egal ob Jia mich für schwach hält. Unser Leben ist ein einziger Scherbenhaufen.
"Shh Alec. Es ist okay so wie es ist. Er liebt dich und vermisst dich sehr. Er leidet." Ich leide auch. Aber ich will das er in Sicherheit ist. Dafür zahle ich einen hohen Preis.

Bloody soulsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt