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Fast zwei Wochen ist es her, dass ich aus der Isolationshaft entlassen wurde. Unsere erste gemeinsame Nacht war mehr als befriedigend. Ebenso war es in vielerlei Hinsicht befreiend. Magnus und ich verbringen seitdem unsere freie Zeit damit, die letzten vier Jahre aufzuholen. Wir reden über die Folter durch Ben, meine Schußverletzung, die Zeit im Krankenhaus, Sing Sing und seiner Zeit in Japan. Wir haben uns einmal geschworen immer ehrlich zueinander zu sein. Und das sind wir. Magnus erzählt mir alles. Über seine Ängste und Sorgen, den erneuten Absturz und den Weg in die Dunkelheit.

Und ich lege im Gegenzug alle meine dunklen Geheimnisse auf den Tisch. Und wenn ich sage alle, dann meine ich alle. Jeden Namen, jedes Datum, jedes noch so kleine Ereignis. Und dunkel ist wirklich dunkel.
Magnus schluckte ein paar Mal und ich sah die Bestürzung in seinem Blick. Er kennt mich, er kennt Dark Angel. Aber es gab immer Dinge, die ich bewußt vor ihm verschwiegen habe. Nicht weil ich ihm nicht vertraue, oder er mir nicht wichtig ist. Im Gegenteil. Ich wollte ihn beschützen. Denn er kann keine Informationen Preis geben, wenn er nichts weiß. Er muß nicht für mich lügen. Ich möchte nicht das er für mich lügen muss.

Jede Nacht schlafen wir in einem Bett ein. Zusammen, mit ruhig schlagenden Herzen und einem gefühlvollen Kuss. Aber oft werde ich nachts panisch wach. Immer wieder habe ich den gleichen Traum. Morgenstern, welcher höhnisch lachend über Magnus leblosen Körper steht. Dann schmiege ich mich dicht an Magnus, in seine Arme und lausche seiner ruhigen Atmung, spüre das kräftige pulsieren seines Herzens. Sanft fahren meine Finger über seine Brust und die Narben die meine Messer auf seinem Körper hinterlassen haben. Und jede Nacht murmele ich eine Entschuldigung das ich nicht da war um ihn vor dieser Qual zu beschützen. Magnus wird oft davon wach, küsst immer meine Lippen und erst dann schlafe ich wieder ein.

Gestern kam Mutter in ihrer Funktion als meine Anwältin ins Gefängnis. Sie hat ein Schnellverfahren erwirkt. Denn Magnus lebt. Und somit sitze ich unschuldig wegen Mordes an Magnus Bane hinter Gittern. Der Richter hat das Urteil aufgehoben. Aber die Körperverletzung bleibt. Damit habe ich statt fünfundzwanzig Jahren nur noch knapp zwei. Gemeinsam mit Magnus werde ich das schaffen. Denn Jace wird vorzeitig wegen guter Führung entlassen. Ich freue mich für ihn. Und ich konnte ihm auch seine Bedenken nehmen, das ich hier drin ohne ihn versauere. Denn ich bin nicht alleine.

Eine Chance auf vorzeitige Entlassung habe ich mir mit meinen Ausraster im Hof, am Tag von Magnus Ankunft, verspielt. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Morgenstern bereitet mir schlaflose Nächte. Er beobachtet uns ständig und neuerdings arbeitet er zusammen mit Magnus und Jace in der Küche. Das ist ungewöhnlich. Aber Magnus sieht das gelassen. Er versichert mir jeden Tag, dass Morgenstern ihn in Ruhe lässt. Und das er doch gar keinen Grund hat Magnus etwas zu tun. Das sehe ich allerdings anders. Und mit jedem Tag der verstreicht werde ich unruhiger.

Ein Wärter führt mich gerade in den Besucherraum. Es ist Donnerstag und ich erwarte niemanden. Mum war gestern hier. Izzy ist zu schwanger, ich möchte nicht das sie die Strapazen auf sich nimmt. Simon kommt erst nächste Woche wieder um Magnus zu sehen.
Abrupt bleibe ich stehen als ich meinen Besucher sehe. Der Wärter räuspert sich lautstark und ich verdrehe die Augen.
"Den nicht." sage ich kühl und will gerade wieder gehen, als er mich ruft.

"Alec. Warte. Bitte hör mich an." sagt er und seine Stimme klingt traurig. Irgendwie gebrochen.
"Warum sollte ich? Du warst vier Jahre nicht hier." antworte ich abweisend.
"Das weiß ich. Und es tut mir leid."
Langsam gehe ich auf ihn zu, schaue in seine Augen und fixiere meinen Blick. Er wirkt nervös. Und älter. Die Augen sind gerötet und seine Haut ist blass. Ich setze mich ihm gegenüber und bemerke die Ruhe die uns umgibt. Wir sind alleine. Das ist ungewöhnlich. Ich runzele die Stirn und denke darüber nach, warum wir alleine sind. Dann beginnt er zu sprechen und ich höre einfach nur zu.

"Dein Vater ist schwer krank. Gestern hatten wir ein langes Gespräch. Bis tief in die Nacht. Wir waren uns nicht einig wie es jetzt weiter gehen soll. Jace wird demnächst entlassen. Du spätestens in zwei Jahren. Maryse hat es uns gesagt. Und sie zwang Robert und mich dir die Wahrheit zu sagen. Aber die Wahrheit ist nicht immer einfach. Sie kann befreiend sein. Aber sie kann auch alles zerstören. Alec, dein Vater und ich... es fällt mir nicht leicht darüber zu reden. Obwohl es viele Jahre lang mein sehnlichster Wunsch war genau das zu tun. Euch allen zu sagen... ach scheiße. Das ist einfach nicht richtig. Er sollte es tun, nicht ich. Er sollte hier sitzen und mit dir reden."

Luke ist der älteste Freund meines Vaters und seine rechte Hand. Er war immer da. Solange ich zurückdenken kann. Immer an Roberts Seite. Eine Ahnung erschleicht mich und eine verschwommene Erinnerung huscht durch mein Unterbewußtsein. Luke knetet nervös seine Hände. Dann streicht er sich mehrfach über das Gesicht und lässt alle Hüllen fallen. Er weint und formt Worte mit seinem Mund die nur zögerlich bei mir ankommen. Denn diese Worte verändern alles.

"Robert und ich führen seit Jahren eine versteckte Beziehung. Wir lieben uns."
"Vater ist schwul?" krächze ich und versuche die aufkeimende Wut nicht zu unterdrücken. Ich begrüße sie wie einen alten Freund.
"Nein." Er schüttelt den Kopf und vertreibt die letzten Tränen.
"Dein Vater ist bi. Er hat deine Mutter wirklich geliebt. Da brauchst du dir keine Gedanken machen. Aber er hatte auch immer Gefühle für mich. Er hat es nicht zugelassen. Viele Jahre nicht." sagt er.
"Bis Maryse deinen Vater verließ. Ich hätte mich niemals zwischen die beiden gedrängt. Alec, das Ganze tut mir so leid." beginnt er eine Entschuldigung, aber ich ertrage das nicht mehr länger.

Schwungvoll springe ich auf, der Stuhl auf dem ich noch gerade saß fällt geräuschvoll zu Boden. Aus dem Augenwinkel sehe ich den Wärter mit gezücktem Schlagstock. Luke hebt seine Hand und der Wärter tritt zurück. Ich schaue zwischen den beiden hin und her.
"Kennt ihr euch?" frage ich. Luke nickt leicht und ich schnaube.
"Natürlich. Was auch sonst?" sage ich gehässig.

"Alec bitte hör mir zu. Es tut mir leid was in den letzten Jahren passiert ist. Aber ich konnte Robert nicht davon abhalten. Ich hatte Angst das er mich verlässt wenn ich mich gegen ihn stelle. Und das hätte ich nicht ertragen. Nicht nachdem ich so lange auf ihn gewartet habe."
"Sei still." sage ich leise. Meine Wut steigert sich ins Unermessliche. Meine Hände zu Fäusten geballt, zornige eiskalte Blicke und Luke verstummt.

"Du hast zugelassen, dass Ben Magnus wehtut. Du hast zugelassen, dass Robert mich demütigt. Du hast zugelassen, dass Magnus und ich ein verstecktes Leben führen mussten. Und warum? Weil ihr feige seid. Alle beide. Ihr seid feige miese und verräterische Arschlöcher. Wir sind durch die Hölle gegangen." schreie ich meinen gesamten Frust aus mir heraus. Es tut gut, aber es lindert nicht den Schmerz.

"Robert möchte das du sein Nachfolger wirst. Aber nur wenn du Magnus verlässt."
"Fick dich. Lass uns in Ruhe. Ich habe genug gehört." sage ich emotionslos und gehe Richtung Tür. Für mich ist dieses Gespräch beendet. Und auch mein Leben als Mitglied des Clans. Denn ich stelle mich zum zweiten Mal gegen meinen Vater. Und damit habe ich soeben mein Todesurteil unterschrieben.
"Magnus wird der Nachfolger seines Vaters. Er wird nach seiner Entlassung, die noch vor deiner sein wird, Asmodeus beerben. Es macht also überhaupt keinen Sinn das ihr ein gemeinsames Leben führt. Das kann nicht gut gehen." sagt Luke und ich überlege gerade, ob ich ihn hier auf der Stelle töte.

Bloody soulsМесто, где живут истории. Откройте их для себя