~19. Gitti~

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„Wo ist dein Pferd?"

Mein Blick glitt über die Lichtung und blieb bei dem Rappen hängen, welcher seelenruhig graste.

„Dort hinten.", meinte ich trocken und zeigte mit dem Finger auf ihn.

Die Reifen eines Autos ließen mich aufmerksam werden.

„Der Tierarzt.", murmelte ich, joggte an Rin vorbei und zudem roten Pick-Up.
„Hallo Mikasa. Hallo Doktor Harazuki.", begrüßte ich die beiden, drehte mich um und ging zu dem ersten Pferd, welchem es schlecht ging.

Der Tierarzt sah sich alle Pferde genau an, doch meist reichte nur eine Spritze mit Gegengift. In der Zwischenzeit waren alle Pferdebesitzer eingetroffen, um ihre Tiere in den Stall zurückzubringen.
Nun waren nur noch der Tierarzt, Mikasa, Rin und ich auf der Lichtung.
Akito war nach einiger Zeit verschwunden und ich hatte geglaubt, er sei in den Stall zurückgegangen.

„Ich kann ihr eine Spritze geben, damit das Gift etwas gelindert wird, aber wenn es ihr morgen Früh noch nicht besser geht, kann ich leider nichts mehr tun."
„Heißt das, dass sie jetzt die ganze Nacht leiden muss?", fragte ich zögerlich und der Tierarzt nickte leicht.
„Sie wird keine großen Schmerzen haben, aber es wird ihr nicht gut gehen.", meinte der Mann uns strich mit seiner Hand über Gittis aufgeblähten Bauch.

Fragend sah ich Mikasa an, welche scheinbar zu überlegen schien, was sie jetzt tun sollte.

„Rin? Wo ist eigentlich Gou?"
„Sousuke hat sie abgeholt.", antwortete der Älter monoton, während er auf das schwache Pferdstarrte, welches sich gerade stark verkrampfte und zu husten begann.

Der Tierarzt erhob sich aus seiner Hocke und stellte sich neben Mikasa, welche noch immer mit sich selbst rang, was sie jetzt tun sollte. Ich hingegen ging zu der Stute, kniete mich vor sie und begann ihre Ohren zu massieren, da sie es immer mochte, wenn man ihr Zuneigung zeigt. Erschöpft hob sie ihren Kopf etwas und ließ diesen auf meinem Schoß nieder. Der Schaum aus ihrem Maul und einige Tränen tränkten meine schwarze Reithose. Gitti hat mir schon immer am meisten Zuwendung gezeigt, doch jetzt in diesem Moment, als ich sie so schwach sah, brachen bei mir alle Dämme.
„Ich möchte sie nicht leiden lassen, aber ich möchte sie auch bei mir lassen.", schniefte Mikasa. „In dieser Nacht können wir es ja versuchen, sie wird nach der Spritze für die nächsten 6 Stunden kaum Schmerzen haben.", flüsterte der Tierarzt.

Diese Stille war beklemmend. Es war schon dämmrig, keiner traute sich etwas zu sagen, nur das angestrengte Schnaufen des Pferdes, zerbrach diese Ruhe.

„Kara, was sagst du dazu?"
„Ich weiß nicht Mikasa. Ich möchte sie ebenfalls erlösen, aber ich weiß, dass sie eine Kämpferin ist.", schluchzte ich, während ich dem Tier ein paar helle Strähnen aus der Stirn wischte.
„Nein, ich kann mein Mädchen nicht leiden lassen.", sagte Mikasa nun entschlossen und sah den Tierarzt an.
„Also soll ich sie erlösen?", fragte der Tierarzt und Mikasa nickte, während sie mit den Tränen kämpfte.

Meine Trainerin trat neben mich und kniete sich ebenfalls hin, dabei massierte sie sanft den Bauch von Gitti, die ihre Augen leicht geschlossen hatte. Der Tierarzt befüllte zwei Spritzen und hockte sich neben den Hals des Tieres.

„Bereit?", er sah uns zwei fragend an.

Meine Trainerin und ich nickten synchron. Langsam senkte ich meine Kopf in Richtung Ohr des Pferdes und flüstere

„Gitti, ich hab dich lieb. Du warst so ein starkes Mädchen. Danke".

Weitere Tränen bahnten sich ihren Weg über mein Gesicht, bis auf den Kopf des Haflingers. Dieser blinzelte mich noch einmal an, ehe er seine Augen schloss und der Tierarzt die Spritze verabreichte.

„Mikasa, noch kann sie dich hören. Möchtest du ihr auch noch etwas sagen?", fragte der Tierarzt.

Doch die Angesprochene schüttelte nur den Kopf. Der Mann verabreichte die zweite Spritze und wartete eine Weile, ehe er mit seinem Stethoskop den Herzschlag überprüfte.

„Es ist vorbei.", meinte er ruhig, erhob sich und ging zu seinem Wagen.

Mehr Tränen liefen meine Wangen hinunter. Behutsam nahm ich den Kopf des Tieres und legte diesen behutsam auf den Boden, ehe ich mich an ihren Hals klammerte und mich dort ausheulte.

„Ich werde euren Anhänger von oben holen, dann werde ich sie mitnehmen."

Mikasa nickte nur, auch ich konnte mich wieder zusammen reißen, stand auf und torkelte auf wackeligen Beinen zu Rin, welcher seine Arme bereits ausgestreckt hatte und auf mich zukam. Ich vergrub mich in seiner Schulter und schniefte. Dabei atmete ich seinen Geruch ein und ein wohliges Gefühl überkam mich. Sanft strich mir der Schwimmer über meinen Rücken und legte seinen Kopf auf meinem ab.

„Tut mir leid, du musst in letzter Zeit sehr viel durchmachen."
„Schon gut.", brummte ich und löste mich aus seiner Umarmung, drehte mich und sah sie dort liegen, Gitti, so leer, jegliche Lebensenergie war aus ihr entwichen.

„Kara, Rin ihr könnt nach Hause gehen. Ich werde mich um sie kümmern."

Rin Matsuoka x OCWhere stories live. Discover now