~98. Wiedersehen~

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Ich sah aus dem Fenster, hinunter zu den Parkplätzen wo sehr viele Busse standen und noch mehr Menschen mit Koffern.

„Warum bist du so aufgeregt?", fragte mich Tsunoda, eine der Reiterinnen, belustigt.
„Mein Freund kommt heute an. Wir sehen uns nach knapp einem Jahr endlich wieder live."
„Ich wusste gar nicht, dass dein Freund ebenfalls bei Olympia mitmacht."
„Er schwimmt für Australien, aber er kommt aus Japan."
„Achso. Mein Freund rudert für Japan."
„Rudern. Auch interessant. Wie lange seid ihr schon zusammen, wenn ich fragen darf?"
„Knapp drei Jahre. Und du und dein Freund?"
„Mittlerweile schon fünf Jahre."
„Ach doch so lange schon."
„Ja, wir haben uns kennen gelernt, da waren wir beide 17."
„Naw. Also heiratest du vielleicht deine Jugendliebe?"
„Naja, ich weiß nicht ob ich heiraten möchte."

Genau in diesem Moment klingelte mein Telefon.

„Hallo Schatz. Wo bist du?", fragte mich Rin.
„Ich bin gerade in meinem Apartment, aber ich komme schnell runter zu den Bussen. Wo genau steht dein Bus?"
„Direkt vor den Australischen Apartments, also ziemlich am Anfang."
„Okay ich werde mich beeilen. Bis gleich."
„Bis gleich."
„Ich bin gleich wieder da.", verabschiedete ich mich von meinen Zimmerkolleginnen und rannte hinunter zu den australischen Apartments.

Diese waren gar nicht so weit weg von den japanischen und somit war ich nach zwei Minuten laufen schon angekommen. Aufgeregt suchte ich zwischen den Leuten alles ab. Nirgendwo konnte ich die typischen maroon färbigen Haare meines Freundes erkennen. Plötzlich legten sich zwei warme Hände auf meine Augen und ich spürte den warmen Atem einer Person an meinem Hals. Vor Schreck konnte ich mich kaum noch bewegen.

„Na, wer bin ich?", raunte jemand leise in mein Ohr.

Sofort drehte ich mich um und sprang der Person vor mir in die Arme.

„Rin. Ich bin so froh dich wieder zu sehen. Ich hab dich so vermisst."
„Hallo Prinzessin. Ich hab dich auch vermisst."

Ich hatte meinen Kopf auf seiner Schulter abgelegt und umarmte ihn so fest es ging. Einige Tränen der Freude verließen meine Augen und tropften auf Rins Shirt. Rin hatte die beste Umarmung, die man sich vorstellen konnte. In seinen Armen fühlte ich mich jedes Mal wohler und wohler. Nach einiger Zeit ließ mein Freund mich wieder auf den Boden hinunter. Meine Arme hatte ich hinter seinem Nacken verschränkt und sah ihm in die Augen.

„Hattest du etwa keine Zeit mehr für einen Frisörbesuch?", lächelte ich und strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht.
„Der kleine Zopf steht dir echt gut.", grinste ich und sah abwechselnd zwischen seinen Lippen und Augen auf und ab.
„Vielen Dank. Deshalb war ich auch nicht beim Frisör.", lächelte Rin und überwand den Abstand zwischen uns.

Es war kein Kuss der Gier, sondern ein Kuss purer Freude des Wiedersehens. Sanft spielten unsere Lippen miteinander. Wir lösten uns wieder und ich half Rin dabei, sein Gepäck in sein Apartment zu bringen. Nachher machten wir noch einen Spaziergang über die Anlage und erzählten uns, was wir in letzter Zeit alles erlebt hatten. Ich erzählte Rin, wie es seinen Freunden ging, was wir so unternommen hatten und noch mehr. Er hingegen erzählte mir alles über Australien, auch dass Lillian wieder Kontakt zu ihm aufbauen wollte und er sie eiskalt abgeblockt hatte. Auch wenn er es nicht wusste, es gab mir ungeheure Sicherheit, als er mir stolz erzählte, wie er ihr die Tür vor der Nase zuschlug, mit den Worten „Halte dich aus unserem, gerade so perfekten Leben raus."

Nachdem wir unseren Spaziergang beendet hatten, ging jeder in sein Apartment zurück und bereitet sich auf das Abendessen vor. Beim Essen teilte sich mein Apartment auf. Alle die einen Freund hatten, der ebenfalls hier war, gingen zu ihm und die anderen gingen einfach mit. Rin stellte mir und Sasaki seine Kollegen vor. Scheinbar hatte es zwischen Rins Kollege Jason Winter und meiner Kollegin Sasaki ziemlich gefunkt, denn die beiden sahen sich das ganze Essen über sehr verliebt an. Rin und ich mussten bei diesem Anblick Schmunzeln.

„So haben wir wahrscheinlich auf dem Ball damals ausgesehen.", lachte mein Freund, als wir zurück zu den Apartments gingen.
„Ja, bestimmt.", grinste ich und erinnerte mich an damals. Wie ahnungslos ich doch war. Wie ahnungslos wir doch waren.
„Mein Apartment ist hier. Gute Nacht Liebling. Schlaf gut."

Ich gab Rin einen kurzen Kuss, bevor er mich angrinste und mir ebenfalls eine gute Nacht wünschte. Dann ging er allein weiter. Mein Freund hatte mir heute seinen Plan für die nächsten Tage erzählt und ich musste feststellen, dass er sehr viel mehr kämpfen musste als ich. Da hatte ich es mit nur einer Disziplin im einiges leichter als er. Rin trat im Schmetterling , im Freistil und bei der Staffel an. Da hatte er die nächsten Tage echt kaum Zeit sich auszuruhen. Meine Wettkämpfe hingegen starten erst am vierten Tag und die Entscheidung ist am achten Tag. Akito und ich hatten also viel mehr Zeit, um uns auszuruhen oder etwas zu trainieren.

Die Vorentscheidungen schafften Rin und ich mit Leichtigkeit. Heute stand für uns beide ein wichtiger Tag an. Heute hatten wir beide unsere Entscheidungsrunden. Für Rin war es zum Glück auch die letzte. In den letzten Tagen kam der arme auch kaum dazu sich auszuruhen. Demnach ging ihm das ständige Belasten seines Körper an die Substanz. Nach diesem Wettkampf haben wir beide lange genug Zeit uns zu regenerieren, bis wir wieder nach Hause müssen.

Allein der Gedanke daran, dass Rin und ich wieder durch mehrere Kilometer und einen Ozean getrennt sein werden bereitet mir ein trauriges Gefühl.

Rins Wettkampf war am Vormittag, meiner hingegen erst zu Abend.

Rin Matsuoka x OCWhere stories live. Discover now