Etwas ganz Kleines

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Aufgeregt und mit wild pochendem Herzen stand Gregory an der Treppe auf der gleich, total klischeehaft, seine heutige Abendbegleitung herunterschreiten würde. Aber anders als in sämtlichen Märchen war Gregory nicht der coole Prinz der hoheitsvoll seine Angebetete erwartete sondern ein aufgeregter Teenager von sechzehn Jahren der sein Glück immer noch nicht fassen konnte heute Abend mit dem Jungen seiner Träume auf den Schulball zu gehen. Nie hätte er gedacht das aus dieser Freundschaft irgendwann einmal mehr werden könnte, auch wenn er es schon lange gehofft hatte. Aber vor einer Woche hatte er sich endlich getraut und den Jüngeren zur heutigen Tanzveranstaltung eingeladen.
Der junge Slytherin war so aufgeregt das er die ganzen Schülermassen, die in Pärchen an ihm vorbeizogen, nicht mal bemerkte. Selbst die kleine Schwester und der große Bruder seines Angebeteten nahm er nicht wahr. Er konnte sich auch nur mit Mühe davon abhalten seine Krawatte zu strangulieren, immer wieder schlug er sich selbst auf die Hände um diese dazu zu bringen endlich still zu halten.

Als er den Jungen erblickte, für den er schon seit einem Jahr schwärmte, fing sein Herz an wie wild in seiner Brust zu hämmern. Der junge Mann konnte nur mit großen Augen zu sehen wie seine Abendbegleitung elegant die Treppe herabschritt. Diese Eleganz war eindeutig seinem Erbe geschuldet, die edle Kleidung verstärkte diesen Effekt nur noch.
Gregory musste schlucken als der junge Löwe direkt vor ihm stand und zu ihm hochblickte. Es hatte ihm kurz die Sprache verschlagen.
„Ascan, du siehst wundervoll aus, danke das du mich heute begleitest."
„Ich muss dir danken, ich hatte schon befürchtet du würdest mich nie mehr fragen", gestand Ascan.
„Du bist der mutige von uns", erinnerte Gregory seinen Partner und bot ihm galant den Arm.
Mit einem schüchternen Lächeln nahm Ascan diesen. Wenn Gregory nur wüsste wie feig er selbst in gewissen Dingen des Lebens war. Besonders wenn es um seine Gefühle dem Älteren gegenüber ging war er bislang sehr schüchtern, zurückhaltend und unsicher gewesen. Laut seiner Mutter hatte er das eindeutig von seinen Großvätern, und zwar von allen dreien.
„Was ist so lustig?", wollte Gregory wissen als er Ascans Lächeln sah.
„Ich musste nur gerade an meine Großväter denken. Sie wären begeistert, wenn sie mich heute sehen könnten."
„Ja, und mich würden sie über das halbe Gelände der Schule jagen."
„Ach was, sie mögen dich, außerdem ist Weihnachten, da wird nicht gejagt."
„Sie würden mich auch nicht scheuchen, weil ich dich ausführe, sondern weil ich so lange gebraucht habe um über meinen Schatten zu springen", schmunzelte der Ältere.
Ascan sagte nichts, sondern schmiegte sich nur glücklich an seinen Galanten, in den er sich schon in seinem ersten Jahr unsterblich verliebt hatte. Zumindest war er im Nachhinein davon überzeugt das es so war. Er hatte vor den heutigen Abend in vollen Zügen zu genießen.


Nach der Rede der Direktorin war Gregory einer der ersten der seinen Partner um einen Tanz bat. Ohne zu zögern ließ sich Ascan auf die Tanzfläche führen und begab sich ganz in die Hände des Älteren. Es dauerte nur einige Takte und die beiden fühlten sich als hätten sie schon immer miteinander getanzt. Alle Bewegungen und Figuren waren aufeinander abgestimmt, nicht ein Schritt ging daneben, keine Bewegung war zu viel oder zu wenig. Es war ein herrliches Gefühl, es war sogar so herrlich das sie nach dem ersten Tanz nicht mal daran dachten aufzuhören. Immer weiter drehten sie sich und kamen sich dadurch näher. Bereits beim dritten Tanz zog Gregory Ascan ganz nahe an sich heran.
„Darf ich dich küssen?", hauchte er dem Jüngern ins Ohr.
Dieser schluckte, allerdings nicht vor Angst, sondern aus purem Glück. Seine Augen strahlten den Älteren an wie Sterne, ehe er sie vorfreudig schloss.
„Ja, bitte."
Vorsichtig zog Gregory den Jüngern noch näher, dann schloss er ebenfalls die Augen und überbrückte auch noch die letzte Distanz.
Der Kuss war zart und tastend, gleichzeitig fühlte er sich aber auch so richtig und vertraut an, als hätten sie dies schon früher getan und würden nun daran anknüpfen.
Je länger der Kuss dauerte um so deutlicher wurde dieses Gefühl. Dies hier war nicht das erste Mal, irgendwo, irgendwann war das alles schon einmal passiert.
„Greg, hast du auch das Gefühl?"
„Als würden wir an etwas anknüpfen?"
Unsicher nickte der Jüngere.
„Ja, was kann das sein?"
„Lass es uns herausfinden", entschied Gregory ehe er den Jüngeren erneut küsste.

Und dann kamen die Erinnerungen, zuerst nur sehr undeutlich danach immer intensiver. Wenn auch große Stücke zu fehlen schienen. Nach wenigen Minuten, in denen sie sich immer wieder getrennt hatten um die Bilder zu verarbeiten, wussten sie warum sich alles so vertraut angefühlt hatte.

„Du warst Gellert", stellte Ascan mit großen Augen fest.
„Und du Albus. Oh mein Gott."
„Ja, das bin ich in der Tat", feixte der Jüngere.
„Ascan, weißt du eigentlich was das bedeutet?"
„Natürlich, uns wurde ein neues Leben geschenkt, so wie es mein Urgroßvater meinem Großvater versprochen hat. Auch wenn wir nicht die gesamte Erinnerung unseres früheren Lebens bekommen werden, dass würde das Schicksal bestimmt nicht zulassen. Naja, außerdem hat es sich reichlich Zeit gelassen. Die beiden starben vor über zweihundert Jahren."
Zu Ascans Überraschung schüttelte Gregory den Kopf.
„Nein, es bedeutet das ich dir endlich zeigen kann wie sehr ich dich liebe. Und dieses Mal wird uns keine Krankheit dazwischenfunken. Wir können ein gemeinsames Leben führen und all das tun zu dem wir in unserem ersten Leben nie in der Lage waren. Und noch etwas bedeutet diese neue Chance."
„Ja?", wollte der neugierige Löwe wissen.
Wieder zog Gregory den Jüngern zu sich und hauchte ihm einen leichten Kuss auf die Lippen.
„Ich weiß das ich dich nie wieder gehen lassen werde. Von nun an werde ich an deiner Seite bleiben, und niemand wird mich je wieder vertreiben können. Natürlich nur wenn du diese Gefühle auch erwiderst."
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf Ascans Gesicht aus.
„Immer."

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