2.

9.9K 560 45
                                    

Eli war noch nicht Zuhause als ich ankam. Die Zwillinge warteten schon auf mich. Vi sprang mir fröhlich entgegen und Ben winkte mir zu.

„Oh Rain, du wirst nicht glauben, was wir nächste Woche machen.", quietschte Viola als sie mich sah. Ich tat so, als ob ich überlegen würde und fragte: „Hmm einen Kochkurs?"

„Neeeein.", kicherte sie.

„Ihr... singt zusammen?"

„Immer noch faaaalsch!"

„Hmm... weißt du was mein Schatz? Ich glaube ich weiß es nicht."

„Wir gehen in eine Ausstellung über das Casting. Dort gibt es ein extra Kinderprogramm und wir dürfen uns eine eigene Krone basteln! Da gibt es sogar Videos von der Hochzeit von König Holder und Königin Rhea."

Ich schluckte. Das erinnerte mich erbarmungslos an die letzten Stunden. Ich schob den Gedanken beiseite und rang mir ein Lächeln ab.

„Das ist ja toll.", sagte ich.

„Jaaa! Ich freue mich schon sooooo." Sie lachte fröhlich.

Ich strich ihr eine schwarze Locke aus dem Haar.

„Und gibt es sonst was Neues meine kleine Prinzessin?", fragte ich.

Sie überlegte. „Ach ja, es kam ein Brief, da steht Mitkundung drauf."

Mir wurde kalt. „Mietkündigung?", fragte ich sie drängend.

„Ja. Irgendwie so." Sie rümpfte die Nase. „Was heißt Mitkundung?"

„Nichts besonderes.", versicherte ich ihr. „Ich mache jetzt einfach mal Abendessen."

„Endlich.", murmelte sie böse. „Ich bin am Verhungern."

Als sie wegging um mit Ben Hausaufgaben zu machen, versuchte ich die Tränen und das Entsetzen zurückzudrängen.

Dieses Schwein. Cook, unser Mieter wusste genau, dass wir hier wohnten. Nach dem Tod unserer Eltern blieb uns keine Wahl. Eli war volljährig und übernahm die Vormundschaft.

Ich hatte es nicht mehr geschafft zur Schule zu gehen und arbeitete auf dem Feld, wusch Wäsche, um wenigstens um die Runden zu kommen.

Die alte Hütte war eh fast nichts mehr wert. Es war früher mal ein Schuppen zur Aufbewahrung von Geräten gewesen und nicht besonders stabil. Letztes Jahr in der Regenzeit, war sie uns fast weggeflogen.

Ich packte das gestohlene Gemüse aus und versuchte halbwegs eine nahrhafte Suppe zu machen. Die Ereignisse des Tages forderten nun ihren Tribut und die Tränen begannen zu laufen. Cook durfte uns einfach nicht so kündigen, er durfte es einfach nicht. Neben der Miete verlangte er von mir einige.... Gefälligkeiten, dass ich ihm alleine auf dem Feld „helfen" sollte. Eli wusste nichts davon, aber ich hatte immer getan was er wollte, immer, immer, immer! Ich hackte auf die Karotten ein. Ich hörte ein leises Tropfen. Als ich sah, dass die Hütte wieder an einer Stelle undicht war, schnappte ich mir hastig einen Lumpen und begann wütend das Loch zu stopfen. Vor Wut knallte ich gegen das Holz.

Das war so ungerecht! So ungerecht! Ich ließ die Hände sinken.

„Eli!", rief Benjamin und ich hörte wie Eli die Zwillinge müde begrüßte. Mein Bruder war also da. Ich hörte ihn mit den Kleinen in die Küche kommen und drehte mich um, wischte mir dabei hastig die Tränen aus dem Gesicht.

Mein Bruder merkte es trotzdem und sein müder Blick verwandelte sich in pure Besorgnis. Ich konnte diesen Blick einfach nicht ertragen, wie er mich immer so traurig anschaute und dazu die Entschuldigung in seinen Augen.

Deshalb täuschte ich ein Lächeln vor, ignorierte ihn und sagte zu den Kleinen: „Es gibt Kartoffelsuppe... mit Karotten. Setzt euch schnell hin, sonst bleibt für euch nichts mehr übrig." Dann drehte ich mich um und begann mit zitternden Händen die Suppe einzufüllen. Elias berührte mich vorsichtig an der Schulter, doch ich entzog mich ihm. Er warf mir einen verletzten Blick zu, doch ich schüttelte den Kopf und formte mit dem Lippen: „Nachher." Er nickte.

Während des Essen konnte ich dem fröhlichen Geschwätz der Kinder nicht folgen.

Als sie gähnten, sagte ich zu ihnen: „Also, ab ins Bett mit euch. Sonst trage ich euch dorthin. Und putzt eure Zähne!"

Sie widersprachen nicht einmal und begaben ich auf den Weg zu ihren Zimmer.

Kaum waren sie weg, bemerkte ich, wie Elias mich ansah. „Rain? Was ist passiert... bist du verletzt?" Ich schüttelte nur den Kopf und nahm den Brief vom Küchentisch.

Als mein Bruder sah, worum es sich handelte, erbleichte er.

Schließlich holte er den Brief aus dem Umschlag und begann ihn zu lesen. Als er die ersten Zeilen hinter sich hatte, schloss er die Augen.

„Eli?", fragte ich, „Eli - was?"

Er antwortete nicht.

„Eli bitte.."

„Cook will das Haus verkaufen.", flüsterte er. Seine grünen Augen schauten ins Leere.

„Wwas?"

„Das Haus..." , seine Stimme versagte.

Ich riss ihm den Brief aus der Hand. Cook wollte das Grundstück zur Bebauung freigeben.Arschloch. Dieses gottverdammte Arschloch!

Wir hatten keine Chance. Wir würden auf der Straße stehen. Ein Keuchen ließ mich aufsehen. Eli liefen die Tränen über das Gesicht. Wir wussten beide was es bedeutete. Ich ging zu ihm rüber, legte die Arme um ihn und er weinte lautlos an meiner Schulter.

Wir konnten nichts tun, als uns zu halten.

◇✵◇

A Selection Story: Die Rebellin /  #Wattys2016Where stories live. Discover now